- Kann der Streetworker die neuen Besucher erreichen?
- Wie schätzt die Polizei die Lage ein?
- Was sagen die Stadtgärtnerinnen zur Lage?
- Was sagen die Menschen aus der Nachbarschaft dazu?
- Was unternimmt der Senat?
- Wie verhält sich der Beirat?
Die Lage auf dem Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt spitzt sich zu: Seit die Anlaufstelle für Drogensüchtige am Hauptbahnhof Ende 2022 geschlossen wurde, wächst die Zahl der Menschen offenbar stark an, die sich an dem betreuten Unterstand für den lokalen Szenetreff in der Alten Neustadt zusammenfinden. Das berichtet der Verein Innere Mission, der auf Initiative des Beirates auf dem Platz seit einigen Jahren einen Streetworker im Einsatz hat, um die Trinkerszene sozial zu begleiten.
So versammeln sich neben der Westerstraße längst nicht mehr nur die 20 bis 40 altbekannten Männer und Frauen, die die Gelegenheit nutzen, sich am Platz zu treffen und meist auch Alkohol zu trinken. Und das ohne Angst, vertrieben zu werden.
Durch die neu hinzugekommenen Drogensüchtigen werde das soziale Miteinander auf dem Platz nun immer schwieriger, ist von Menschen aus dem Umfeld zu hören.
Kann der Streetworker die neuen Besucher erreichen?
Durch die vielen zusätzlichen Besucher aus der Drogenszene sei das eigentliche Ziel des Streetworkers vor Ort in weite Ferne gerückt, berichtet Axel Brase-Wentzell von der Inneren Mission: "Begleitungen zum Arzt oder Jobcenter sind unmöglich geworden bei bis zu 100 Menschen vor Ort." Zumal nur Geld für eine halbe Stelle zur Verfügung stehe und die Zeit, sich zu kümmern, dadurch stark begrenzt sei.
Das größte Problem sei aber, dass viele der neuen Besucher des Platzes von der auf Kokain basierenden Droge Crack abhängig seien. "Diese Droge macht unglaublich schnell stark abhängig und führt zu einem schnellen Verfall der Süchtigen", erklärt Brase-Wentzell. Außerdem seien die Betroffenen kaum ansprechbar und daher auch für den Streetworker nicht zugänglich.
"Wir hoffen zurzeit, dass noch weitere Drogensüchtige, die zuvor am Hauptbahnhof anzutreffen waren, den Weg in die Friedrich-Rauers-Straße finden", sagt Brase-Wentzell. Denn an dieser noch relativ neuen Anlaufstelle in Bahnhofsnähe seien gleich mehrere Hilfsangebote passgenau auf die Betroffenen abgestimmt.
Wie schätzt die Polizei die Lage ein?
Die Polizei Bremen registriere insbesondere in den Nachmittags- und Abendstunden Szeneangehörige sowie vereinzelt Straßenhändler aus dem Bahnhofsumfeld, heißt es in der Antwort des Bremer Senats auf eine kleine Anfrage der grünen Bürgerschaftsfraktion vor einigen Wochen.
Die von manchen Nachbarn empfundene Zunahme von Beschaffungskriminalität im Umfeld des Platzes sei bisher nicht beobachtet worden. Aktuell lägen nach den Beobachtungen der Polizei auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass vom Kern der Szene eine erhöhte Gefahr für Anwohnende ausgehe.
Was sagen die Stadtgärtnerinnen zur Lage?
"Mit den Stammgästen hatten wir im Großen und Ganzen ein respektvolles Miteinander auf dem Platz hinbekommen, das klappt mit den Drogensüchtigen leider nicht mehr so gut", bedauert Regina Wehmeyer. Die Rentnerin ist Gründungsmitglied des Urban-Gardening-Projektes auf dem Platz und sagt: "Offener Drogenkonsum zwischen den Beeten ist einfach zu viel, vielleicht braucht es dafür ein neues Angebot in der Neustadt."
Den Unterstand befürworten die Stadtgärtnerinnen aber auch weiterhin trotz aller Konflikte. "Als im Sommer der hölzerne Unterstand abgebrannt war, haben wir gesehen, dass die Situation sich eher verschlimmert und alle oben auf den Platz kommen, daher sind wir froh, dass es den neuen Container gibt", so Wehmeyer.
Was sagen die Menschen aus der Nachbarschaft dazu?
Es gibt keine einheitliche Meinung der Nachbarschaft zu der Szene auf dem Platz. Seit das Sozialprojekt mit dem betreuten Unterstand vor etwa drei Jahren längerfristig auf dem Platz genehmigt wurde, gab es sowohl wohlwollende Unterstützung als auch eine klar ablehnende Haltung von Anwohnerinnen und Anwohnern. Das hat sich bis heute kaum geändert.
Letztere Gruppe fühle sich mittlerweile von der Politik komplett alleine gelassen, schildert Christian Schultjahn, der unweit des Platzes wohnt. Hauptkritikpunkte von ihm und anderen Wohnungseigentümern sind das verminderte Sicherheitsgefühl sowie das aus ihrer Sicht vernachlässigte Aussehen des Platzes insgesamt mit dem Unterstand und der Platzgestaltung der Stadtgärtnerinnen vor Ort.
Was unternimmt der Senat?
Die Polizei Bremen behalte den Platz in Form von Aufklärungsstreifen und Schwerpunktmaßnahmen weiter im Fokus, versichert der Senat. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten würden geahndet, persönliche Ansprachen hätten eher präventiven Charakter. Alles Weitere klingt nach Netzwerkarbeit: Die Polizei pflegt laut Senat auch in Zukunft einen engen Kontakt zu Anwohnerinnen und Anwohnern, dem Ortsamtsleiter, dem Streetworker und weiteren Beteiligten. Darüber hinaus stünden die Ressorts Gesundheit, Inneres und Soziales im engen Austausch.
"Momentan beobachten wir sehr genau, in welche Richtung sich die Lage entwickelt", sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. Im Anschluss werde ressortübergreifend entschieden, durch welche Maßnahmen eine Entspannung auf dem Platz zu erreichen sei.
Wie verhält sich der Beirat?
Der Neustädter Beirat steht nach wie vor zu dem betreuten Unterstand auf dem Lucie-Flechtmann-Platz. Während der jüngsten Sozialausschusssitzung zeigten sich die Ausschussmitglieder aber besorgt über die negative Entwicklung auf dem Platz.
"Ich habe volles Verständnis für die Anwohnenden, ich will auch nicht, dass mein Kind an Orten spielt, wo Spritzen herumliegen", sagt Johannes Osterkamp (Grüne), stellvertretender Sozialausschuss-Sprecher. Den Unterstand zu beseitigen, löse aber keines der vorhandenen Probleme, so Osterkamp.
Ein Vorschlag, der derzeit diskutiert wird, ist die Forderung nach mehr Geld für die Sozialarbeit vor Ort. Vermutlich Ende April wird der Neustädter Sozialausschuss des Beirates erneut zusammenkommen. Es gilt als wahrscheinlich, dass dann besprochen wird, welche Unterstützung der Stadtteil vom neuen Senat und der Bürgerschaft braucht, um eine Verbesserung zu erreichen.