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Wahre Verbrechen Der Ofenmord: Wie zwei Bremer bundesweit für Entsetzen sorgten

Ein abscheuliches Verbrechen mit einem eigens dafür angefertigten Ofen machte die beiden Täter Till-Hauke H. und Tim S. 2001 bekannt. Vor Gericht kamen weitere Morde ans Licht.
25.11.2022, 05:00 Uhr
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Der Ofenmord: Wie zwei Bremer bundesweit für Entsetzen sorgten
Von Anja Semonjek

Yvonne P. (31) hatte sich womöglich auf dieses verlängerte Wochenende gefreut: Mit ihrem Freund fuhr sie von Bremen Richtung Berlin. In einem Ferienhaus an der Mecklenburgischen Seenplatte würden sie die Zweisamkeit genießen. So hoffte sie vermutlich. Sicherlich wusste sie nicht, dass ihr Freund Till-Hauke H. plante, sie umzubringen. Doch eine Sache war merkwürdig: Auf einem Anhänger schleppten sie ein längliches Gerät mit in den Urlaub, einen Ofen mit den Maßen 200 mal 60 Zentimeter. Für Yvonne P. sollte er zum Krematorium werden.

Der sogenannte Ofenmord-Prozess sorgte im Jahr 2001 für Schlagzeilen. Hinter dem gruseligen Titel steckt ein Kriminalfall, der einem kalte Schauer über den Rücken jagt. Begangen hatten ihn die beiden Bremer Till-Hauke H. und Tim S. (30 und 31). Nach einigen überraschenden Wendungen während der Verhandlung verurteilten die Richter die beiden Männer nicht nur für den Ofenmord, sondern für insgesamt drei Morde. Denn zwei weitere Verbrechen kamen vor Gericht ans Licht, mit jeweils sehr unterschiedlichen Motiven.

Nur ein Umstand ist in allen Fällen gleich: Till-Hauke H. und Tim S. steckten da gemeinsam drin. Wer nun welche Tat ausübte, blieb während der Verhandlung aber zunächst unklar. Sie schoben sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe. Schließlich wurde Tim S. für Beihilfe zum Mord angeklagt. Er musste für 15 Jahre hinter Gitter, Till-Hauke H. bekam lebenslänglich.

Täter-Duo machte jahrelang kriminelle Geschäfte

Tim S. und Till-Hauke H. berichteten übereinstimmend, sie hätten sich 1995 kennengelernt. Die beiden begingen jahrelang dubiose Kettenbriefgeschäfte und Computerdeals. Bekannt ist zudem, dass Till-Hauke H. Mathematik und Informatik studiert hat und verheiratet war. Seiner Frau gehörte ein Haus in der Waller Heerstraße, in dem er acht Modellwohnungen für Prostituierte eingerichtet hatte. Tim S. kam ursprünglich aus Bremen und wohnte später in Düsseldorf.

Zurück zum Ofenmord: Till-Hauke H. und Yvonne P. erreichten am Donnerstag das Ferienhaus im mecklenburgischen Strietfeld. Am Freitag bestellte H. per SMS seinen Komplizen dorthin, damit er ihm half, Yvonne P.s Leichnam in dem eigens dafür angefertigten Ofen zu verbrennen. So planten sie, das Verbrechen zu vertuschen.

Doch es kam anders: Das Duo konnte die Leiche nicht wie geplant verschwinden lassen. Die Gräueltat hinterließ Spuren, auf die ein Klempnermeister stieß. Am 10. September 2001 berichtete dieser im Polizeirevier in der Vahr von seinen Beobachtungen: Vor wenigen Tagen hatte er einen ungewöhnlichen Auftrag von Till-Hauke H. entgegengenommen – er sollte schnellstmöglich einen Brennofen anfertigen. Er tat wie ihm geheißen.

Anschließend bekam er mit, wie sein Auftraggeber am 6. September im Auto mit seiner Freundin Richtung Berlin fuhr und auch, wie er am 9. September ohne Freundin wieder zurückkam. Da der Ofen ihn an ein Krematorium erinnerte und sein Auftraggeber den Ofen bereits einen Tag nach seiner Rückkehr auf dem Schrottplatz entsorgte, beschlich den Klempnermeister der „Verdacht einer erheblichen Straftat“. So heißt es in den Aufzeichnungen der Polizei Bremen.

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Das Motiv für den Ofenmord: Sie "nervte"

Die Beamten starteten kurze Zeit später die Ermittlungen und wurden schnell fündig: In einer Wohnung von Till-Hauke H.s Ehefrau in Achim fanden sie einen Müllsack mit rund 15 Kilogramm zerkleinerter, fleischartiger Substanz. Durch einen DNA-Vergleich konnte sie als Yvonne P.s Überreste identifiziert werden. Die Täter hatten mit Hammer, Trennschleifer und Fleischwolf die Teile der Leiche zerstückelt, die sie nicht verbrennen konnten. Der Ofen hatte sich als undicht herausgestellt. Das Motiv für den Mord: Yvonne P. „nervte“ Till-Hauke H., wie er später erklärte.

Wenige Tage nach diesem Fund fassten die Polizisten Till-Hauke H., der im Moment der Verhaftung ein bizarres Versprechen aussprach: Er könne neben der Tötung von Yvonne P. auch zu zwei weiteren Morddelikten aussagen, beteuerte er. Allerdings habe sein Freund Tim S. alle drei Morde begangen. Er selbst sei nur anwesend gewesen, lautete die Behauptung des Verhafteten. Kurze Zeit später wurde die Situation dann knifflig: Laut der Aussage von Tim S. war die Aufgabenverteilung genau umgekehrt.

Die zwei Männer bezogen sich in ihren Geständnissen auf zwei Morde, die bis dato ungeklärt waren. Damit war zumindest gewiss, dass einer der beiden der Täter sein musste – oder beide zusammen.

Der erste Mord des Duos spielte sich im Dezember 1995 ab. Der 21-jährige Asylbewerber Shiva K.C., gebürtig aus Nepal, wurde ermordet. Till-Hauke H. und Tim S. hatten ihn unter einem Vorwand in ihren Pkw gelockt und auf der Fahrt nach Oelde umgebracht. Mutmaßlich erwürgten sie ihn und versenkten den Toten im See „Große Höhe“ in Delmenhorst. Die Polizisten fanden die Leiche erst, als Till-Hauke H. sie 2001 auf die Spur brachte.

Das Motiv für diesen Mord sei „das Allermieseste, was man sich vorstellen kann“, wie der Staatsanwalt in seinem Plädoyer im März 2004 schlussfolgerte: „Shiva K. C. musste aus verletzter Eitelkeit sterben“ – Till-Hauke H.s damalige Freundin pflegte eine Beziehung zu dem Opfer.

Etwa drei Monate später, am 6. März 1996, beging das Duo einen weiteren Mord: Der Bremer Kaufmann Reinhard W. wurde ihr nächstes Opfer. Auf dem Parkplatz der Universität Bremen fanden die Beamten Reinhard W. tot auf, hieß es nach Polizeiangaben. Er saß auf dem Fahrersitz eines Pkw, zwei Einschüsse befanden sich in seinem Hinterkopf.

Die Hinweise deuteten damals bereits auf eine Schuld von Till-Hauke H. und Tim S. – denn kurz vor der Tat war eine Lebensversicherung auf den Namen des Getöteten über 2,4 Millionen abgeschlossen worden. Als Begünstigter war Till-Hauke H. eingesetzt worden. Allerdings fehlten ausreichend Beweise für eine Verurteilung.

Angeklagter spricht vor Gericht von weiteren unbekannten Morden

Als im September 2001 eine Schuld von Till-Hauke H. und Tim S. deutlich wurde, folgten außergewöhnliche Verhandlungen, in denen die Angeklagten unterschiedliche Versionen zu den drei Morden schilderten. In einer Sitzung deutete Till-Hauke H. sogar an, bei der Tötung dreier weiterer Asiaten in Potsdam anwesend gewesen zu sein. Hierfür gab es jedoch keine weiteren Beweise – den Ermittlern war der dreifache Mord unbekannt.

Hautnah miterleben konnte diese Prozesse Rose Gerdts-Schiffler, damals Gerichtsreporterin beim WESER-KURIER. In den Jahren 2002 bis 2005 ließ sie ihre Leser wissen, wie die Verhandlung verlief. Zum ersten Mal berichtete sie am 4. Dezember 2002 über den Prozess: Am 27. Verhandlungstag im Landgericht Rostock hatte die Reporterin beobachtet, wie die Zuschauer angesichts der grausigen Details fröstelten. Till-Hauke H. jedoch habe während der Verhandlung sehr gelassen gewirkt.

Ein Polizeibeamter beschrieb ihn an diesem Tag als einen „kalten, berechnenden Menschen von hoher Intelligenz“. Ein Zeuge gab dieser Einschätzung recht: Er habe den Angeklagten in den Pausen auf der Toilette des Landgerichts Schlager pfeifen hören.

Opfer sprach Mörder mit "Meister" an

Endlich, am 24. März 2004, konnte Gerdts-Schiffler über ein vorläufiges Urteil berichten: Lebenslange Haft für die zwei „hemmungslosen“ Mörder lautete der Schuldspruch. Der zu diesem Zeitpunkt 33-jährige Tim S. erschien an diesem Tag in einer gepflegten Aufmachung im Gerichtssaal, bemerkte die Journalistin. Mit blauem Hemd, dunkler Anzugjacke und einem leichten Lächeln in Richtung der Kamera stand er während der Verurteilung da. Der Richter Harald Schmacke bezeichnete ihn als „Der nette Mann von nebenan – aber hochgradig kriminell.“

Als optischer Gegenpart trat Till-Hauke H. im Saal auf: Mit fettig-strähnigen Haaren, die ins Gesicht hingen, ließ er den Rummel über sich ergehen. Für die Zuhörer wurde es während dieser Verhandlung beinahe unerträglich, so beschrieb es Gerdts-Schiffler, als der Richter in seiner Urteilsbegründung nochmals den Mord an Yvonne P. schilderte.

Auch wie die Beziehung zwischen Yvonne P. und Till-Hauke H. ausgesehen hatte, thematisierte der Richter an diesem Tag. Demnach hatte die Frau in einem Bordell an der Waller Heerstraße gearbeitet, das Till-Hauke H. gehörte. Ihrem Mörder sei sie völlig ergeben gewesen: Sie sprach ihn mit „Meister“ an. Am Tag des Verbrechens hatte sie sich in dem abgelegenen Ferienhaus in Strietfeld um eine romantische Stimmung bemüht: Sie dekorierte das Bett mit Herzen aus Süßigkeiten, während ihr Geliebter im Hof an dem Ofen bastelte.

Es gibt Verhandlungen, die vergisst man nie. Und dieses Gerichtsverfahren gehört dazu.
Rose Gerdts-Schiffler, frühere Gerichtsreporterin des WESER-KURIER über den Ofenmord-Prozess

Heute, rund 20 Jahre später, hat Gerdts-Schiffler die Verhandlung keineswegs vergessen. „Als langjährige Gerichtsreporterin erinnert man sich nicht an alle Fälle, aber es gibt Verhandlungen, die vergisst man nie. Und dieses Gerichtsverfahren gehört dazu.“

Täter wie Till-Hauke H. und Tim S. gebe es nur sehr selten vor dem Bremer Gericht. Die meisten Tötungsdelikte seien Beziehungstaten, oft unter Alkohol- oder Drogeneinfluss – „hier aber war es etwas ganz anderes“. Die Taten waren geplant. Dass die beiden zusammenwirkten, sei ungewöhnlich, wie auch ihr unterschiedliches Auftreten: Während Tim S. bis zuletzt die Fassade eines positiven, freundlichen Menschen vor sich hertrug, war in dem Gesicht seines Komplizen kaum Mimik zu entdecken.

An ihm schien es nicht zu nagen, dass er mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hatte. „Das sind Tätertypen, die ich in den gut zwanzig Jahren in diesem Beruf wirklich als Ausnahmetypus bezeichnen würde“, sagt die ehemalige Gerichtsreporterin. Zum Glück seien vergleichbare derart abgründige Verbrechen wie auch der sogenannte Bunkermord (1999) oder der Mord in der Tiefgarage in Findorff (1999) nur selten. Besonders die Tatsache, dass damals Till-Hauke H. den Ofen im Auto hinter sich herzog, in dem er die Frau, die ahnungslos neben ihm saß, verschwinden lassen wollte, empfindet Gerdts-Schiffler auch in der Rückschau noch als beklemmend. „Aber die anderen beiden Morde waren nicht minder furchtbar.“

Das Gericht befand, dass Till-Hauke H. und Tim S. im juristischen Sinne psychisch gesund waren.

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