Mit jedem Regenschauer und jeder Sonnenstunde bricht sich der Frühling weiter Bahn, sprießt die Flora, gedeiht die Fauna. Richard Onesseit bringt es auf eine knappe Formel: "Jetzt geht es rund da draußen." Bremens Stadtjägermeister hat ein Auge auf den Wildtiernachwuchs, der in den kommenden Wochen um die Aufmerksamkeit der Elterntiere ringen wird. Das kann mitunter auch bei Menschen Mitgefühl wecken. "Aber nicht jedes Jungtier, das im Busch sitzt, ist hilfsbedürftig", erinnert Onesseit an etwas, das manche mitunter vergessen: Wildtiere kommen in der Regel besser ohne Menschen zurecht, vor allem in der Brut- und Setzzeit.
Rehwild
"Es kommt immer wieder vor, dass Rehkitze ,gerettet' werden, weil sie allein in der Wiese liegen", sagt Richard Onsseit. "Bis die Kitze den Ricken folgen können, behalten die den Nachwuchs im Auge – auch wenn sie selbst nicht zu sehen sind." Vor zwei Jahren hätten Menschen ein vermeintlich verlassenes Rehkitz so lange belagert, bis das Muttertier es aufgegeben habe. "Das Junge musste dann in einer Wildtierauffangstation aufgepäppelt werden." Auch wenn die Idee, Wildtierbabys zu Hilfe zu kommen, gut gemeint sei: Besser, man beobachte die Situation aus größerer Entfernung, um Alttiere nicht zu vertreiben. Bis zu deren Rückkehr seien die im Gras kauernden Rehkitze unter anderem auch dadurch vor Feinden geschützt, "dass sie fast geruchlos sind", wie Onesseit erklärt. In seinem eigenen Revier, dem Bürgerpark und dem Stadtwald, schätzt der Stadtjägermeister den Bestand potenzieller Muttertiere unter den Rehen auf etwa zwölf. "Rehwild vermehrt sich mit 100 Prozent des weiblichen Bestandes."
Hasen
"Hasen haben eine ähnliche Masche", sagt Richard Onesseit. Sie haben keine Bauten, die Jungtiere werden ebenfalls einzeln abgelegt und ducken sich dann in die Wiese. "Kleine Hasen wirken vielleicht erst mal hilflos und vernachlässigt, werden aber zum Säugen aufgesucht und aus der Entfernung beobachtet." Bei zwei bis vier, maximal sechs Jungtieren pro Wurf sei eine Häsin zwar "gut ausgelastet", aber längst nicht überfordert.
Singvögel
Aus Nestlingen werden Ästlinge, die dann aber noch nicht recht flügge sind. "In dieser Phase sitzen sie in Büschen und Bäumen und werden von den Eltern versorgt", sagt Richard Onesseit. Jungvögel, die beispielsweise auf Wegen hocken, sollten behutsam zurück in die Büsche gesetzt werden. "Die Eltern nehmen sie in der Regel wieder an, warten aber natürlich, bis der Störenfried Mensch sich wieder entfernt hat." Sind die Altvögel in der Nähe, schlagen sie ohnehin Alarm, wenn sich jemand nähert. "Beim Zaunkönig klingt der Warnruf wie ein Geigerzähler." Krähen gehen schon mal zur Attacke über, wenn sie ihren Nachwuchs bedroht sehen. Spaziergänger, die Schnabelhiebe einstecken mussten, können ein Lied davon singen. Onesseit rät zur Defensive. "Krähen sind relativ durchsetzungsfähig und rotten sich zusammen", wenn die Bedrohung nicht nachlässt. Wer absehen kann, dass er sich einer jungen Krähenfamilie nähert, sollte also einen paar Schritte Umweg in Kauf nehmen.
Wasservögel
Vor allem Gänse, sagt Onesseit, verteidigen ihre Brut vehement, "was ja auch von Schwänen bekannt ist". Als ausgesprochen aggressiv fielen dabei Nilgänse auf, die ihr Revier rigoros verteidigten – auch gegen wehrlose Stockentenküken.
Nutria
Die Nutria pflanzt sich ganzjährig fort und wird ganzjährig bejagt. Nach den Deichen seien neuerdings auch Uferbefestigungen im Bürgerpark von der regen Bautätigkeit der Nager betroffen. Richard Onesseit hat, wie er sagt, bereits eine ganze Reihe Anzeigen kassiert, seit er den Tieren in der Dämmerung mit dem Gewehr auflauert. "Viele wissen offenbar gar nicht, dass der Bürgerpark auch Jagdrevier ist", hat der Stadtjägermeister festgestellt. "Ich rufe jetzt immer vorher bei der Polizei an."