Betreuungsplätze in Bremen sind Mangelware. Bis 2020 fehlen laut Bildungsbehörde in Bremen mehr als 3800 Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren. Die Folge: Viele Eltern können nicht so arbeiten, wie sie wollen, weil sie keine oder nur unzureichende Betreuungsmöglichkeiten haben. Gut ausgebildete Frauen bleiben für Familienzeiten immer noch deutlich länger zu Hause als die Männer. Auf der anderen Seite ringen Unternehmen um Fachkräfte. Eine gute Kinderbetreuung wird zum Standortfaktor und steigert die Attraktivität der Unternehmen und des Wohnorts. Was tun Bremer Unternehmen, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich zu machen?
„Die Frage nach der Kinderbetreuung rangiert tatsächlich ganz oben bei den Bewerbungsgesprächen, wenn nach Leistungen gefragt wird“, sagt Angela Dittmer, Unternehmenssprecherin des Energieversorgers SWB. Bewerber fragten gezielt nach familienfreundlichen Angeboten. „Die Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind ganz klar als ein Teil der Attraktivität der Arbeitgeber definiert, nicht zuletzt, um benötigte Fachkräfte an Bord zu holen“, sagt Dittmer. Aus diesem Grund plant die SWB den Bau von einer Kindertagesstätte auf dem Betriebsgelände am Standort Woltmershausen. Dort sollen ab August 2019 insgesamt 60 Kinder betreut werden, 40 Plätze sind für Mitarbeiterkinder geplant, 20 Plätze für Kinder aus dem Stadtteil. Die Organisation soll voraussichtlich ein externer Träger übernehmen.
Damit reiht sich die SWB ab 2019 in die eher kleine Reihe von Bremer Unternehmen ein, die eine eigene Einrichtung auf dem Betriebsgelände anbieten. „Bislang gibt es nur sehr wenige Angebote dieser Art. Aufgrund der gewachsenen gesellschaftspolitischen Bedeutung von Betriebskitas kommen aber vermehrt Unternehmen auf uns zu“, sagt Vivien Barlen, Referentin der Senatorin für Kinder und Bildung. Die Behörde befinde sich gerade im Prozess, zu klären, wie Kooperationen ausgestaltet werden können. „Das Thema Kinderbetreuung ist im Standortwettbewerb wichtig, gerade auch, wenn es um die Gewinnung von jungen Familien und Fachkräften geht“, sagt auch Andrea Bischof von der Wirtschaftsförderung Bremen.
Acht Prozent der Unternehmen bieten in Deutschland betriebliche Kinderbetreuungsangebote an. Vor rund 15 Jahren hat es das nur bei zwei Prozent der Firmen gegeben. Die Zahlen gehen aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg und der Goethe-Universität Frankfurt hervor.
Nach wie vor seien Langzeitkonten zur Freistellung für Familienzeiten sowie betriebliche Maßnahmen zur Frauenförderung selten. Die Möglichkeiten bieten nur rund zwei Prozent der Betriebe an. Dabei seien familienfreundliche Angebote für die Firmen von Vorteil heißt es in der Studie: Sie bringen Frauen nach einer Geburt dazu, schneller wieder zu arbeiten. Große Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten machten besonders viele Angebote zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf sowie zur Frauenförderung. Aber die kleinen und mittleren Betriebe ziehen nach Erkenntnissen der Forscher nach.
In Bremen bietet Mercedes für seine 12.500 Mitarbeiter 30 Betreuungsplätze für Kinder von acht Wochen bis drei Jahren an. Die betriebseigene Kinderkrippe in einem Nebengebäude des Mercedes-Werks in Sebaldsbrück, betreibt ein Träger im Auftrag der Daimler AG. Aus Sicht eines Daimler-Sprechers ist das Angebot Standard. „Der Bedarf bei den Mitarbeitern ist da und das Betreuungsangebot wird gut angenommen.“ Obwohl die Öffnungszeiten von elf Stunden am Tag lang und Schließzeiten gering sind, geht das Angebot nicht explizit auf die Zeiten der Schichtarbeiter im Werk ein.
Kooperationen geplant
In puncto Kinderbetreuung lohnt sich ein Blick nach Bremerhaven. Das Alfred-Wegener-Institut (AWI) hat für seine 900 Mitarbeiter am Standort Bremerhaven ein eigenes Familienbüro und betreibt seit dem Jahr 2001 eine eigene Krippe. Gestartet mit acht Plätzen, hat das AWI die Kapazität auf 20 Betreuungsplätze ausgebaut. Offizieller Träger ist der Magistrat der Stadt Bremerhaven, um die Anerkennung der Krippe nach Kinder- und Jugendhilfegesetz zu gewährleisten.
Das AWI aber finanziert die Plätze. „Die Plätze sind immer belegt – auch von internationalen Mitarbeitenden beispielsweise aus Norwegen, Russland oder China“, sagt Winfried Hebold-Heitz, Leiter des AWI-Familienbüros. Hebold-Heitz kümmert sich gemeinsam mit einer Mitarbeiterin um alle Belange der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und unterstützt auch die internationalen Familien. Das Institut bietet zudem flexible Kinderbetreuung und Ferienbetreuung an.
Die Nachfrage von Bewerbern nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zieht sich durch alle Branchen. „In Bewerbungsgesprächen ist es ein wichtiges Thema und das Gesamtpaket entscheidend“, sagt Heinz Kierchhoff, Geschäftsführer des IT-Unternehmens Team Neusta. Die Firma bietet deshalb flexible Arbeitszeiten und Homeoffice an. Im vergangenen Jahr hat Neusta zudem eine Notfall-Kita im eigenen Gebäude eingerichtet. Mitarbeiter können dort ihre Kinder langfristig für die Ferienzeiten, aber auch kurzfristig anmelden, wenn von einem Tag auf den anderen die eigentliche Kita zu ist. Zudem gibt es ein Eltern-Kind-Büro mit zwei Arbeitsplätzen, sodass es im Ausnahmefall möglich ist, das Kind mit zur Arbeit zu nehmen. Das Angebot ergab sich aus der Nachfrage: Eine Notfall-Kita wurde von den Mitarbeitern eher gewünscht als eine eigene dauerhafte Kinderbetreuung.
„Ich glaube, der Trend geht weg von der Betriebskita“, sagt Modelez-Unternehmenssprecher Jonas Numrich. Die Mitarbeiter wünschten sich eher stadtteil- oder wohnortnahe Betreuungsplätze und individuelle Lösungen für die Balance zwischen Arbeit und Familie. Mondelez war 2002 eines der ersten Unternehmen, das in Bremen eine Kooperation mit einer Kindertagesstätte aufbaute. 2016 lief diese allerdings aus, denn seit es den gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz gibt, sei das Angebot nicht mehr groß nachgefragt worden.
Viel eher wünschten Mitarbeiter und Bewerber flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Teilzeitregelungen. Mondelez mache das für weibliche und männliche Mitarbeiter auch in Leitungsfunktionen möglich, sagt Numrich. Zudem arbeitet das Unternehmen genau wie das Deutsche Milchkontor mit dem PME-Familienservice zusammen. Speziell qualifizierte Berater unterstützen dort Mitarbeiter bei allen Fragen oder Problemen in den Bereichen Kinderbetreuung und -vermittlung und Krankheit und Pflegebedürftigkeit von Familienangehörigen.
Gerade Unternehmen, die sehr spezialisierte Fachkräfte suchen, sehen in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen deutlichen Wettbewerbsvorteil, sagt Tobias Jaehn von Atlas Elektronik. "Wir versuchen, immer ein passendes Model für die Mitarbeiter zu finden, vor allem, wenn wir einen Kandidaten unbedingt haben wollen."
Betriebskitas in Bremen: Daimler (12.500 Mitarbeiter, 30 Betreuungsplätze), SWB (2160 Mitarbeiter, 40 Betreuungsplätze), AWI (900 Mitarbeiter, 20 Betreuungsplätze), Weitere Angebote: Team Neusta (Notfallbetreuung in eigener Notfall-Kita), OHB (Belegplätze in Kita), Darüber hinaus bieten einige Unternehmen nach eigenen Angaben flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Teilzeitregelungen an.