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Einsatz im Katastrophengebiet Bremer Arzt in der Türkei: „Es ist die Möglichkeit, Gutes zu tun“

Der Arzt Cemsid Kiy ist mit einem Erkundungsteam des ASB in die Türkei geflogen, um vor Ort Hilfe zu leisten. Der 30-jährige Bremer berichtet von seinen ersten Eindrücken aus dem Katastrophengebiet.
09.02.2023, 18:00 Uhr
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Bremer Arzt in der Türkei: „Es ist die Möglichkeit, Gutes zu tun“
Von Manuela Kanies

Tausende Tote und Verletzte: Die Opferzahlen nach den verheerenden Erdbeben am 6. Februar in der Türkei und Syrien steigen weiter an. Viele Hilfsorganisationen sind bereits in das Katastrophengebiet gereist, darunter auch Einsatzkräfte des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Unter ihnen ist auch Cemsid Kiy, ein Bremer Arzt vom ASB Bremen. 

Er ist zusammen mit Axel Schmidt, Nothilfekoordinator der ASB-Auslandshilfe, und Notfallsanitäter Benedikt Bosse am Mittwoch nach Istanbul geflogen, von dort aus ging es weiter nach Adana. Der Flughafen in Adana sei so voll gewesen, dass Kiys Flieger Verspätung hatte, da keine Landebahn mehr frei gewesen wäre. Voll unter anderem mit Flugzeugen, die andere Hilfskräfte und Hilfsgüter transportierten, wie Cemsid Kiy im Gespräch mit dem WESER-KURIER erzählt. 

Vorbereitungen für medizinisches Notfallteam

Zahlreiche internationale Search&Rescue-Teams, die mit Spürhunden in Trümmern nach Opfern suchen sollen, habe er bereits am Flughafen gesehen. Die Aufgabe des ASB-Teams aus Deutschland hingegen ist die Erkundung des Katastrophengebiets. Sie planen den Einsatz des FAST (First Assistance Samaritan-Team). Dieses medizinische Notfallteam soll in etwa einer Woche oder auch etwas später in dem Krisengebiet eintreffen, um die ärztliche Versorgung vor Ort zu unterstützen.

"Das ist so etwas wie eine Hausarztpraxis", erklärt Kiy. Denn dieses Team kümmert sich um die Nachsorge von Wunden und Atemwegs- und Durchfallerkrankungen, die durch Mangelernährung und die Kälte auftreten. Operationen hingegen führen andere medizinische Teams durch, die bereits von der türkischen Regierung angefragt wurden und ihre Arbeit in diesen Tagen aufnehmen.

Um für das FAST-Team alles so vorzubereiten, dass es nach seiner Ankunft direkt starten kann, knüpfen Kiy, Schmidt und Bosse vor Ort unter anderem Kontakt zu anderen Hilfsorganisationen und dem staatlichen Katastrophenschutz. Außerdem suchen sie einen guten Platz, an dem das Team arbeiten kann. 

Genaue Dauer des Einsatzes noch ungewiss

Nachdem das Erkundungsteam die Arbeit vor Ort aufgenommen hat, rechnet Cemsid Kiy damit, mindestens eine Woche zu bleiben. Ob er noch länger bleiben wird, wenn das FAST-Team die Arbeit aufgenommen hat, konnte er noch nicht genau sagen. 

Cemsid Kiy war bereits mehrfach für das FAST nach Katastrophen im Einsatz, er ist dort seit 2013 Mitglied. Zu seiner ehrenamtlichen Arbeit beim ASB Bremen kam er während eines Freiwilligen Sozialen Jahres nach dem Abitur. Seitdem engagiert sich der ausgebildete Rettungssanitäter ehrenamtlich bei dem ASB, auch während seines Medizinstudiums. 

Nach der Landung in Adana machte sich das Team auf den Weg in das Katastrophengebiet. "Je weiter wir nach Süden fahren, desto mehr sehen wir von der Zerstörung", beschreibt Kiy die Fahrt. Anfangs habe er nur leicht zerstörte Häuser und Straßen gesehen, später seien die Straßen teilweise so kaputt gewesen, dass sie Umwege fahren mussten. 

Dabei kamen sie auch an der Stadt Antakya vorbei, sie wurde stark durch die Beben beschädigt: "Ganze Teile der Stadt sind nicht mehr bewohnbar", sagt der 30-Jährige. Viele Menschen würden versuchen, nach Norden zu fahren, dorthin, wo die Infrastruktur noch einigermaßen intakt sei. Auch das ist laut dem Bremer ein Grund, warum das Vorwärtskommen auf den Straßen so schwierig ist: Sie sind in beiden Richtungen überfüllt. 

Unterwegs hat der Arzt Einwohner gesehen, die sich provisorische Unterkünfte aus Planen gebaut haben und Lagerfeuer angezündet haben. Einige Menschen würden auch nachts Schutz vor der Kälte in den einsturzgefährdeten Gebäuden suchen. Tagsüber ist es zwar mit bis zu zehn Grad recht mild, aber nachts fallen die Temperaturen noch unter den Gefrierpunkt, sagt Kiy. Eine starke Belastung für die Menschen, die alles verloren haben, und dringend Winterkleidung und Decken brauchen. 

Große Hilfsbereitschaft

Unterwegs hat Kiy viele Rettungsteams gesehen, internationale Teams, aber auch vom staatlichen Katastrophenschutz, die versuchen, Menschen aus den Trümmern zu bergen. Aber auch viele Einwohner helfen bei der Suche nach Opfern, berichtet Kiy. Die Hilfsbereitschaft sei sehr groß.

Auch Cemsid Kiy will helfen. Er war Anfang 2021 auf der griechischen Insel Lesbos, um die medizinische Versorgung im Flüchtlingslager Kara Tepe 2 zu gewährleisten. Die Erlebnisse und die Zustände in dem Lager hatten den jungen Arzt erschüttert und selbst belastet. Damals sagte er dem WESER-KURIER, er würde trotz der hohen psychischen und physischen Belastung wieder in das Flüchtlingslager reisen. Und auch heute ist seine Motivation, anderen Menschen in Katastrophengebieten beizustehen, ungebrochen: "Das ist eine sinnvolle Arbeit. Es ist die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun. Und es ist ein gutes Gefühl, das mit einer Organisation zu tun, die mit Kopf und Verstand handelt."

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Aus Bremen brachen in den vergangenen Tagen mehrere Lastwagen mit gesammelten Sachspenden in die Türkei auf. Die Hochzeitslocation Gümüs Palast hatte mehrere Tage lang Kleidung, Medikamente und Lebensmittel gesammelt, die nun in die Türkei gefahren werden sollen.

Am Freitagmorgen startet ein Hilfstransport vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Bremen aus in die Türkei. Insgesamt stellt das DRK fünf Sattelzüge zur Verfügung, die Hilfsgüter transportieren sollen. Vom DRK Bremerhaven sollen ein bis zwei Einsatzkräfte ins Krisengebiet reisen.

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