Herr Busch, Sie waren Teil der Band Heavytones, die vor allem durch Stefan Raabs Show „TV Total“ bekannt geworden ist, und Sie spielen in zahlreichen Bands bei Castingshows. Was macht den Reiz für Sie aus, in einer größeren Gruppe von Musikern zu spielen?
Hanno Busch: Wenn Sie nach dem Reiz der größeren Bands fragen, muss ich eher an meine Erfahrungen mit diversen Big Bands – unter anderem Peter Herbolzheimer und WDR-Big-Band, denken, wobei mich hier die Kraft und die Flexibilität des Klangkörpers immer fasziniert haben. Ähnlich wie in einem Orchester summieren sich hier die individuellen Ausführungen der Einzelstimmen zu einem einzigartigen Klanggebilde. Die Zeit im TV war immer spannend und mit höchsten musikalischen Ansprüchen verbunden. Das war immer eine große Freude, im Kontext diverser Shows auf diesem Niveau zu arbeiten. Letztendlich geht es – selbst bei Castingshows – im TV eigentlich nie um Musik. Deshalb schätze ich es sehr, mich zurzeit mit anderen Dingen beschäftigen zu können.
Herr Held, während Ihr Bandkollege Hanno Busch bereits mit Jan Delay spielte, unterstützten Sie unter anderem Max Mutzke, Johannes Oerding oder Roger Cicero am Schlagzeug. Wird die Rolle des Drummers genug gewürdigt?
Tobias Held: Ich kann mich über fehlende Würdigung in meinem Beruf nicht beklagen. Es hängt in modernen größeren Popacts sehr viel an der Schlagzeug-Position. Cues (Stichworte, Anm. d. Red.): Interaktion, Kommunikation?zwischen??Künstler und Band, Backingtracks steuern. Die Künstler, mit denen ich zu tun hatte bislang, waren immer sehr dankbar und respektvoll.
Frau Hofer, Sie zeigen in Videos in den Sozialen Netzwerken den Umgang mit dem E-Bass. Warum sollten Nachwuchsmusiker gerade dieses Instrument lernen?
Julia Hofer: Der E-Bass hat so viele klangliche Facetten und kann in den unterschiedlichsten Besetzungen und Stilrichtungen eingesetzt werden. Für mich ist es das perfekte Instrument, um meine Emotionen musikalisch zu transportieren, egal ob es jetzt schöne melodische Basslinien oder groovige Patterns sind.
Wieso gibt es immer noch so wenig Bassistinnen?
Hofer: Ich bin, dankenswerterweise, in einer Familie aufgewachsen, in der es überhaupt keine Rolle spielt, welches Instrument oder welchen Beruf man ergreift. Deshalb war es mir lange nicht bewusst, dass es etwas Außergewöhnliches ist, als Frau Bass zu spielen. Mittlerweile gibt es schon eine beachtliche Anzahl von Bassistinnen, sie stehen vielleicht noch nicht regelmäßig in der Öffentlichkeit, aber ich hoffe, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Die Vorbildfunktion spielt hier natürlich eine wichtige Rolle.
Wie sind Sie selbst zu dem Instrument gekommen?
Hofer: Mein erstes Instrument war das Violoncello. Mit 15 wollte ich dann zusätzlich andere Stilrichtungen bedienen und habe mich, nach Empfehlungen meines Vaters, für den E-Bass entschieden. Ich habe diesen neuen musikalischen Zugang am E-Bass geliebt: Improvisation, Groove, neue Stilrichtungen.
Als Band nutzen Sie eine Loop-Station, die eigentlich aus dem Hip-Hop oder der Elektronischen Musik bekannt ist. Wie kann dieses Gerät auch den Jazz bereichern?
Busch: Es ist die Klangwelt der elektronischen Musik, die uns an der MPC reizt. Das kann mal ein sequenzartiges, durchlaufendes Ostinato sein, mal eine Klangfläche, die das Trio einfach besser „fliegen“ lässt, oder auch atmosphärische Aufnahmen. In einem Song kommen Aufnahmen von einer U-Bahn-Fahrt in Köln zum Einsatz.
Held: Es entsteht eine eigene Atmosphäre, wenn man den festen starren Loop-Charakter von Sequenzen aus der Maschine mit einer flexiblen Jazz-Band mischt, die quasi „drumherum“ spielt – mal selbst sequenziert, mal eher frei improvisiert, aufgebrochen. Somit hat man einen Arrangement-Baustein mehr im Repertoire zur kreativen Gestaltung.
Und wie setzen Sie das Gerät konkret ein?
Busch: Die Schwierigkeit besteht bei einigen Stücken darin, die Elektronik so zu programmieren, dass wir frei damit umgehen können, was das Arrangement angeht. Bei anderen Stücken gibt es einen festen Ablauf, sodass die MPC nur gestartet werden muss und dann quasi als vierter Musiker einfach mitspielt.
Bei Ihrem Projekt Klaud, mit dem Sie beim Stuhrer Jazzfest zu Gast sind, betonen Sie den Kollektivgedanken. Ist das bei drei so starken Musikern überhaupt möglich?
Busch: Ja, gerade, wenn die Musik im Kollektiv entstehen soll, müssen die einzelnen Charaktere stark zum Tragen kommen.
Held: Je stärker und besonderer die Einzelcharaktere an ihren Instrumenten sind, desto eigenständiger klingt die Band.
Hofer: Natürlich, die Zusammenarbeit beflügelt mich immer sehr. Jeder kommt ein bisschen aus einer anderen Ecke, hat unterschiedliche Vorlieben und einen unglaublichen Erfahrungsschatz. Bei jeder Session lernt man extrem viel dazu und jeder bringt seine Expertise ein.
Wie sieht das in der Band-Praxis aus?
Busch: Wir treffen uns zu kleinen Kreativphasen in meinem Studio in Köln. Dort entstehen teils improvisatorisch, teils von kleinen Ideen ausgehend unsere Stücke. Von Treffen zu Treffen gibt es dann immer wieder Veränderungen, neue Impulse.
Held: Der gemeinsame Austausch, ob im Jam-Entstehungsprozess oder später im Produktionsprozess, wirkt sich positiv auf das kreative Ergebnis aus.
Hofer: Ich schätze es in dieser Band sehr, dass jeder sehr offen ist, neue Ideen zulässt und gleich ausprobiert und wir so Schritt für Schritt unsere gemeinsame Sprache kreieren.
Wie wichtig sind kleine Festivals wie das Stuhrer Jazzfest für die Entwicklung der Szene?
Busch: Gerade Veranstaltungen in kleineren Städten und Gemeinden sind sehr wertvoll für die Szene, wenn sie vor Ort Menschen aller Altersgruppen erreichen. In den Metropolen kann man jeden Tag ein gutes Jazz-Konzert sehen. Aber zum Beispiel in Remscheid, wo ich herkomme, muss man erstmal drauf kommen, dass es diese Musik gibt oder man diese sogar zum Lebensinhalt machen kann.
Held: Ich finde die kleinen Festivals sehr wichtig, um eine Szene über das ganze Land gleichmäßig zu gestalten. Es ist nicht gut, wenn sich alles nur auf einige wenige Metropolen beschränkt.
Hofer: Die kleinen Festivals sind unglaublich wichtig, um alle Menschen mit einer möglichst breiten Vielfalt an Kultur zu erreichen. Daran kann eine Gemeinde und ihre Bewohner und Bewohnerinnen äußerst wachsen.
Welchen Ruf hat das Festival in Jazz-Kreisen?
Busch: Ich kannte das Festival bisher nicht. Jens Schöwing hat vor einigen Jahren mal ein Konzert mit meinem Trio in Bremen veranstaltet. Daher kam die Verbindung.
Das Stuhrer Jazzfest will vor allem dem Nachwuchs eine Bühne geben. Was raten Sie jungen Musikern, die Musik zu ihrem Beruf machen wollen?
Busch: Meine Antwort würde sicher in einem abendfüllenden Gespräch enden, auch weil sich die Bedingungen in vielen Bereichen laufend verändern. Eine Sache, die ich mir wünschen würde, könnte man so formulieren: Nehmt mal die In-Ears raus, baut keine Kameras auf und arbeitet gemeinsam an einem guten Ensemblesound.
Held: Viel Musik hören, Lernen durch Raushören, mit guten Lehrern oder erfahrenen Musikern zusammenspielen, Lernen und Ablenkung durchs Internet gut dosieren.
Hofer: Folge deinem Herzen, finde deine Stärken, probiere viel aus und gib dir Zeit.
Was wollen Sie dem Publikum in Stuhr präsentieren?
Busch: Wir spielen unsere Musik in Stuhr zum ersten Mal vor Publikum. Das wird für alle Beteiligten superspannend.
Held: Wir freuen uns darauf, unsere Songs endlich live spielen zu dürfen und sind gespannt, wie unser Stil-Mix angenommen wird.
Hofer: Wir wollen zusammen mit dem Publikum auf eine musikalische Reise gehen und sie mit unseren Stücken verschiedene Emotionen spüren lassen. Vielleicht vergisst man ja den Alltag für eine gewisse Zeitspanne.
Das Interview führte Eike Wienbarg.