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Prozess am Landgericht Angeklagte in Fall aus Brinkum-Nord erhalten Bewährungsstrafen

Im Prozess um erpresserischen Menschenraub in einer Lagerhalle in Brinkum-Nord hat das Landgericht Verden nun ein Urteil gefällt. Dabei folgte das Gericht vor allem den Aussagen der Angeklagten.
16.11.2023, 18:03 Uhr
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Von Angelika Siepmann

Verden/Stuhr-Brinkum. Der Staatsanwalt hatte hohe Haftstrafen beantragt. Für den Hauptangeklagten sollten es fast acht Jahre sein, für die beiden Männer, die nach seiner Auffassung gehörig mitmischten, jeweils über sechs Jahre. Die Beweisaufnahme habe den in der Anklageschrift dargestellten Sachverhalt „im Wesentlichen“ bestätigt. Einen wesentlich anderen Blick auf das Geschehen in einer Brinkumer Lagerhalle vermittelten nicht nur die Verteidiger, sondern offenbarte am Donnerstag auch die 10. Große Strafkammer des Verdener Landgerichts. Die Zweifel an der Darstellung des Geschädigten, auch zu den Hintergründen des merkwürdigen Falles, überwogen. In der Konsequenz kamen alle Angeklagten mit Bewährungsstrafen davon.

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Wäre es nach der Staatsanwaltschaft gegangen, hätten sie wegen erpresserischen Menschenraubes, gefährlicher Körperverletzung, besonders schweren Raubes und besonders schwerer räuberischer Erpressung für geraume Zeit ins Gefängnis wandern müssen. Viel ist davon nicht übriggeblieben. Der 26-jährige Bremer erhielt wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung – und unter Einbeziehung einer anderswo verhängten Strafe – ein Jahr und sieben Monate. Bei dem 22-jährigen gebürtigen Bassumer sowie einem 27-Jährigen aus Syke erkannte die Kammer auf Beihilfe zur Freiheitsberaubung und ahndete dies mit acht beziehungsweise sechs Monaten.

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Der Prozess hatte Mitte Juli begonnen und sich über 16 Verhandlungstage hingezogen. Erst kurz vor Toresschluss und lange nach der zweitägigen Vernehmung des 40-jährigen Geschäftsmannes aus Hannover, der sich als völlig argloses und unschuldiges Opfer ausgegeben hatte, waren über die Verteidiger Einlassungen der Angeklagten erfolgt. Es sei ihr Recht gewesen, so lange oder überhaupt zu schweigen, stellte der Vorsitzende Richter klar. Aber Reden sei eben manchmal das sprichwörtliche Gold. Wären die Erklärungen frühzeitiger gekommen, hätten sie sich einiges ersparen können, hieß es auch mit Verweis auf die Dauer des Verfahrens.

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Eine etwa dreieinhalb bis vier Stunden währende Freiheitsberaubung samt zwischenzeitlicher Fesselung habe sich unterm Strich feststellen lassen. Auch habe der 40-Jährige einen schmerzhaften Messerstich in den Oberschenkel erlitten. An den Schilderungen des gesamten Verlaufs und auch den Umständen des Zusammentreffens bestünden jedoch „erhebliche Zweifel“. Es hätten sich in vielen Punkten Widersprüche ergeben. Der Vorsitzende zählte während der halbstündigen Urteilsbegründung zahlreiche Ungereimtheiten auf. Unterm Strich spräche deutlich mehr für die Aussagen der Angeklagten.

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So sei auch als glaubhaft zu werten, dass der Hannoveraner selbst die Schreckschusspistole mitgebracht hatte, mit der er und sein Begleiter angeblich massiv bedroht wurden. Nach den Aussagen des 26-Jährigen ging es keineswegs darum, dass der 40-Jährige kostengünstig „Weißware“ erstehen wollte. Vielmehr sollte der Mann in seiner bekannten Funktion als „Hawala-Banker“ in Anspruch genommen werden – auf Anweisung eines Angehörigen des Angeklagten in der Türkei und auf Bitten des Begleiters. Während der Vernehmung des Geschädigten, so der Richter, sei auch aufgefallen, dass er viele Fragen mit Gegenfragen beantwortete und abzulenken versuchte – „um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen“.

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Die Angeklagten wirkten durchweg erleichtert. Nach kurzer Rücksprache mit ihren Verteidigern ließen sie erklären, sie würden auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichten und die Urteile annehmen.

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