- Wie oft kommen Geldautomaten-Sprengungen vor?
- Wann wurde in Deutschland erstmals ein Geldautomat gesprengt?
- Wer sind die Täter?
- Handelt es sich um eine Bande?
- Werden die Löhnhorster Täter der Gruppe zugeordnet?
- Werden die Sprengungen gefährlicher?
- Wie viel Geld haben die Täter in Löhnhorst erbeutet?
- Stellt die Sparkasse in Löhnhorst einen neuen Automaten auf?
Die Nacht endet an diesem Morgen um 4.15 Uhr. Da fliegt der Geldautomat an der Hauptstraße in Löhnhorst mit einem lauten Knall in die Luft. Glassplitter, Metallteile und Geldscheine liegen verstreut auf dem Gehweg. Die Täter flüchten mit quietschenden Reifen. „Es war beklemmend. Wir waren schockiert, wie skrupellos die Täter vorgegangen sind“, berichtet eine Frau aus der Nachbarschaft, die ihren Namen aus Furcht nicht nennen möchte. Inzwischen hat die Polizei in dem Fall eine erste Spur.
Zeugen hatten am Morgen des 20. Mai mindestens zwei Täter gesehen. Die Polizei leitete sofort eine Fahndung ein. Beamte sperrten die Hauptstraße zwischen Leuchtenburg und Eggestedt. Der Hubschrauber kreiste Stunden, während Forensiker der Polizeiinspektion Verden/Osterholz nach Spuren auch auf den zurückgelassenen Geldscheinen suchten.
Die Tat ist kein Einzelfall. Bereits 2021 hatten Kriminelle versucht, den Sparkassen-Automaten zu zerstören. Doch der Versuch schlug fehl. Die Täter flüchteten unerkannt.
Wie oft kommen Geldautomaten-Sprengungen vor?
Erst im Februar 2022 hat die Bremer Polizei zwei Männer festgenommen, die vermutlich einen Geldautomaten sprengen wollten. Drei weitere Fälle gab es nach den Worten der Bremer Polizeisprecherin Franka Haedke 2021. Bremen ist aber vergleichsweise wenig betroffen. Zum Vergleich: Allein in Nordrhein-Westfalen (NRW) gab es in diesem Jahr laut Polizei 91 Geldautomaten-Sprengungen. Im Jahr 2021 registrierte das Landeskriminalamt 152 Sprengungen. „Im bundesweiten Vergleich ist NRW das am stärksten betroffene Bundesland, auch aufgrund der Grenznähe zu den Niederlanden“, berichtet auf Anfrage Maren Menke, Sprecherin des zuständigen Landeskriminalamts (LKA). 40 Prozent aller Taten finden hier statt.
Wann wurde in Deutschland erstmals ein Geldautomat gesprengt?
„Das Phänomen als solches wurde erstmals in den Jahren 2014/2015 erkannt. Als Reaktion wurde im Jahr 2015 im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen die Ermittlungskommission Heat gegründet“, berichtet LKA-Sprecherin Maren Menke. „Die Aufgaben der EK HEAT sind die Aufklärung überregionaler Tatserien mit Täterbezügen und die intensive Zusammenarbeit mit niederländischen Ermittlungsbehörden.“ Durch die Kreispolizeibehörden Nordrhein-Westfalens und die Ermittlungskommission HEAT sei es in den Jahren 2015 bis 2022 zu 173 Festnahmen im Zusammenhang mit Sprengungen von Geldausgabeautomaten gekommen.
Wer sind die Täter?
Nach Polizeiangaben handelte es sich in circa 20 bis 25 Prozent der Fälle in NRW um osteuropäische oder deutsche Tatverdächtige. In circa 75 bis 80 Prozent der Fälle wurden die Taten durch niederländisch-marokkanische Tätergruppen begangen.
Handelt es sich um eine Bande?
„Die niederländischen Ermittlungsbehörden sprechen bei den genannten 75 bis 80 Prozent der Fälle von einem fluiden Netzwerk, ohne jedoch die Charakteristika einer geschlossenen und hierarchisch geprägten Bandenstruktur zu erfüllen“, erläutert die Regierungsbeschäftigte Maren Menke. „Unserer Einschätzung nach dürfte es sich um eine Zielgruppe von potenziellen Tätern von mindestens mehreren hundert Personen handeln, vorzugsweise aus den Ballungszentren Utrecht, Rotterdam und Amsterdam. Die Täter benutzen demzufolge regelmäßig stark motorisierte Fahrzeuge aus dem mittleren bis oberen Premiumsegment.
Werden die Löhnhorster Täter der Gruppe zugeordnet?
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen will hierzu keine Angaben machen und verweist auf die örtlichen Behörden. Bei der Zentralen Kriminalinspektion Oldenburg, die aktuell „wegen des Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zum Nachteil der Sparkasse Rotenburg/Osterholz in Löhnhorst“ ermittelt, heißt es auf Nachfrage unserer Zeitung nur: „Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die Tat einer Gruppierung aus den Niederlanden zugeordnet werden könnte. Ob diese jedoch auch im gesamten Bundesgebiet agiert, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden.“ Weitere Fragen möchte Jennifer Ricker, Leiterin Finanzermittlung und Sprecherin der Zentralen Kriminalinspektion Oldenburg, nicht beantworten, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.
Werden die Sprengungen gefährlicher?
Ja, denn in den Jahren 2015 bis 2019 wurde die überwiegende Anzahl der Taten laut Polizei mittels Gasgemisch realisiert. Seit Ende 2019 haben die Täter vermehrt Explosivstoffe aus Schwarzpulver eingesetzt. Der Anteil liegt zwischenzeitlich bei circa 80 Prozent. Wie es auf der Homepage der Polizei Nordrhein-Westfalen weiter heißt, entstehen „aufgrund der deutlich höheren Sprengwirkung von Explosivstoffen im Vergleich zu Gassprengungen regelmäßig hohe Schadensbilder an Gebäuden und der umliegenden Infrastruktur mit unkalkulierbaren Gefahren für unbeteiligte Dritte sowie eingesetzte Kräfte“.
Wie viel Geld haben die Täter in Löhnhorst erbeutet?
Zu Beutesummen macht die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben, etwa um Nachahmungseffekte zu vermeiden.
Stellt die Sparkasse in Löhnhorst einen neuen Automaten auf?
Vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen möchte der Vorstandsstab der Sparkasse Rotenburg-Osterholz zurzeit keine Auskunft darüber geben. Einige Anwohner fürchten, dass es nach der zweiten Sprengung keine neue Selbstbedienungsgeschäftsstelle geben wird. Andere wären darüber froh: „Wir wollen den Automaten nicht wieder haben. Die Splitter sind bis sonst wohin geflogen.“