Hambergen. Mit dem FC Verden 04 und dem SV Blau-Weiß Bornreihe marschieren in der Fußball-Landesliga Lüneburg zwei Titelkandidaten vorneweg. Die größte Überraschung hat sich hinter dem Duo eingereiht: Auf dem dritten Platz, noch vor den Oberliga-Absteigern FC Hagen/Uthlede und dem TB Uphusen sowie vor Mitfavorit TuS Harsefeld, rangiert der FC Hambergen. Der Aufsteiger hat mit zwei Siegen und einem Unentschieden einen tollen Start hingelegt. "Besser", da war sich Trainer Julian Gelies nach dem 4:1-Erfolg über den TSV Gellersen sicher, "geht es nicht." Fünf Gründe, warum die Rot-Weißen derzeit die Liga aufmischen.
Der Kader
Gelies macht keinen Hehl daraus, wie glücklich er mit seinem Aufgebot ist. "Es ist der beste Kader, den wir haben, seit ich hier bin", sagt der Coach, der seit dem Jahr 2020 im Amt ist. Wie groß die Möglichkeiten sind, zeigte sich beim Gellersen-Spiel: Da brachte Gelies sogar Topstürmer Keno Liebschner von der Bank. "Dann geht es 30 Minuten Vollgas in alle Richtungen. Und das ist unangenehm, wenn du dich als Gegenspieler vorher die ganze Zeit mit Nick Stellmann auseinandersetzen musstest", erklärt der Coach.
Doch auch die anderen Joker hatten es in sich: Für den gelbrotgefährdeten Innenverteidiger Garrit Hamdy wechselte Gelies Luka Muskee ein, für Luca Heißenbüttel, ebenfalls verwarnt, kam der formstarke Rene Meier. Auch Felix Ahrens, in den ersten beiden Partien von Beginn an auf dem Feld, war dieses Mal Joker. Dafür lieferte Kevin Struß im ersten Landesliga-Einsatz der Saison eine blitzsaubere Partie ab. Gelies kann momentan ohne Qualitätsverlust wechseln. "Was kann es Schöneres geben als Trainer?", fragt er rhetorisch.
Diese Luxussituation hängt auch damit zusammen, dass die Neuzugänge bislang einschlagen. Hervor stechen zusätzlich zu Ahrens auch Nick Stellmann, der in drei Spielen zweimal getroffen hat, und Kevin Papyrin, der als Linksverteidiger zweimal in der Startelf stand, gute Flanken und Standards schlägt. Dass momentan fast alle Spieler fit sind, vergrößert Gelies' Möglichkeiten weiter. "Dann musst du auch keine unnötigen Risiken eingehen", freut er sich. Das gilt nicht nur mit Blick auf mögliche Platzverweise, sondern auch auf die Belastungssteuerung. Gerade letztere ist mit Blick auf eine mit 34 Spieltagen sehr lange Saison wichtig. "Verletzungen werden kommen", ist sich Gelies bewusst. Aber er kann vorbeugen, so gut es geht. Und besser reagieren als zuvor.
Die Heimstärke
Zwei Spiele, 8:1 Tore, sechs Punkte: Der FC Hambergen ist die beste Heimmannschaft der Liga. Weder Cuxhaven noch Gellersen ließ er eine Chance. Vor allem die Deutlichkeit der Siege und die Art und Weise der Auftritte waren beeindruckend. Mit diesen Erfolgen setzten die "Zebras" eine Serie fort: Mittlerweile stehen sie bei sechs Heimsiegen in Folge. Ohnehin sind sie unter Gelies besonders stark auf eigener Anlage: 16 der 19 Partien unter dem Coach gewannen die "Zebras", zweimal teilten sie die Punkte und kassierten nur eine einzige Niederlage. Das Torverhältnis: 66:11. Beim FCH muss man erst einmal etwas mitnehmen. "Diesen Lauf wollen wir natürlich so lange wie möglich fortsetzen", sagt der Trainer.
Die Bodenständigkeit
Natürlich reitet Hambergen momentan auf der Euphoriewelle. Entscheidend dabei ist, dass sich kein Akteur dazu verleiten nach dem tollen Start nun neue Ziele auszurufen. "Diesen Gedanken gibt es 0,0 bei uns. Wir wissen, wer wir sind und wie es für Hambergen in der Vergangenheit in der Landesliga gelaufen ist", sagt Gelies. Zweimal stiegen die "Zebras" nahezu chancenlos wieder ab. Das ist ein mahnendes Beispiel für die jetzige Generation, die nicht abhebt, härter trainiert als zuvor, fitter und sehr fokussiert ist. Wäre das anders, "dann würden die Jungs auch schnell wieder eingefangen", sagt Gelies und meint damit nicht nur sich selbst und seinen Trainerstab, sondern auch die Führungsspieler, die jeden Hauch von Überheblichkeit oder zu großer Zufriedenheit unterbinden. Jorit Bierwald gehe verbal voran, so Gelies, Kapitän Frederik Nagel zudem als absolutes Vorbild. "Da ist sogar beim Eckchenspielen Feuer drin", freut sich der Coach. Die starken Trainingseinheiten spiegeln sich auf dem Platz wider.
Die Eingespieltheit
Auf dem Platz wissen alle Hamberger, was sie zu tun haben. Die Grundordnung und die Abläufe hatte auch Nils Gresens, Trainer des Nachbarn und Ligarivalen SV Blau-Weiß Bornreihe, nach dem Bezirkspokal-Match positiv angemerkt. Es werde schwer werden, gegen die "Zebras" zu punkten, prognostizierte er Mitte Juli. Seine Einschätzung hat sich bislang bestätigt. Hambergen hat eine klare Spielidee mit einer guten Struktur, die auch die Neuzugänge schnell verinnerlicht haben. Dabei gilt ein Grundsatz für alle "Zebras", wie Gelies betont: Vollgas geben und das Maximale rausholen. Das ist allen Rot-Weißen in Fleisch und Blut übergegangen. Es ist schwer, sie unsortiert zu erwischen. "Weil wir super konzentriert sind und fast keine Fehler machen", freut sich der Trainer. Seine Elf steht auf einer stabilen Basis. Deshalb können auch Drangphasen sie nur schwer erschüttern. Was den Hambergern, die sich wahrlich nicht verstecken, in der Landesliga durchaus zugutekommt: Sie können häufiger als in der Bezirksliga aus einer etwas tieferen Formation heraus schnelle Gegenangriffe starten. Die konnte nicht einmal Titelkandidat Harsefeld beim 3:3-Unentschieden effektiv unterbinden.
Der Teamgeist
Fußballerisch wird der FC Hambergen nicht mit allen Landesligisten mithalten können. Umso wichtiger ist, dass es innerhalb der Mannschaft stimmt. Und das tut es, wie die Aussagen der Spieler belegen: Sowohl Kevin Papyrin nach dem Auftaktsieg über Cuxhaven als auch Garrit Hamdy nach dem Erfolg über Gellersen betonten die Einigkeit der Mannschaft. Jeder arbeite für den anderen, jeder hänge sich voll rein, jeder könne sich auf den anderen verlassen. "Das Schöne ist, dass das nicht nur leere Phrasen sind", sagt Gelies. "Die Jungs machen auch die schweren Wege gerne füreinander." Ein Musterbeispiel dafür lieferte seine Elf in Harsefeld, als sie sich mit viel Herz gegen den TuS stemmte und einen Punkt einfuhr. Gelies stellte unlängst fest: "Auch wenn es mal schlecht läuft: Wir fallen nicht um." Schwierige Phasen, dessen sind sie sich in Hambergen bewusst, werden kommen. Denen wollen sie mit ihrer Geschlossenheit begegnen. Sie ist das wohl größte Faustpfand auf dem Weg zum Klassenerhalt.