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"Schott the Dohr" Weil nur die Liebe zählt: Wir schicken Kai Pflaume nach Katar

In unserer etwas anderen Rückschau lassen wir den November noch einmal Revue passieren und diskutieren dabei auch über die Dinge, für die im redaktionellen Alltag oftmals kein Platz in der Zeitung ist.
26.11.2022, 08:00 Uhr
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Von Dennis Schott Tobias Dohr

Man, man, man, Tobi. Die Zeit rast aber auch. Jetzt ist schon wieder der letzte Sonnabend im Monat und ich muss mich wieder hier mit Dir herumplagen.

Mein lieber Dennis, nachdem ich ja schon die Oktober-Ausgabe verpasst habe, hatte ich jetzt eigentlich mit einem anderen Empfang gerechnet. Was ist los, Herr Kollege? WM-Frust?

Was hast Du denn erwartet? Dass ich Dir den roten Teppich ausrolle und regelrecht ausflippe, dass Du wieder da bist? Reines Wunschdenken! Umgekehrt ist das bestimmt anders. Also Tobi, Du hast genau JETZT die Möglichkeit zu sagen, wie langweilig es ohne mich war.

Wie viele WM-Spiele hast Du denn schon angeschaut?

(lacht) Komplett nur das von Deutschland, mein Lieber! Aber viel wichtiger ist doch: Hdgdl, Tobi! Und wo wir schon einmal bei vorbildlich praktizierter Nächstenliebe sind: Was sagst du denn, dass Manuel Neuer nicht mit der "One Love"-Armbinde aufgelaufen ist?

Mist, ich hätte mit dieser Frage einsteigen sollen, um Dich zuerst aufs Glatteis zu schubsen (lacht). Dieses Thema ist so vielschichtig, weil da ganz verschiedene Sichtweisen und Motivationen aufeinanderprallen. Als Idealist, der ich bin, hätte ich es großartig gefunden, wenn die sieben Nationen, die sich dort ja im Vorfeld zusammengetan haben, das Ganze durchziehen und die Binde getragen hätten. Als Realist, der natürlich ebenfalls in mir schlummert, bin ich mir sicher, dass die FIFA dann zu ganz anderen Maßnahmen gegriffen hätte – und dies wurde sicherlich auch im stillen Kämmerlein so kommuniziert.

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Ich weiß gar nicht, wer da am längeren Hebel sitzt. Die FIFA oder die Nationen? Vor allem, wenn sich einzelne Nationen zusammenschließen. Wenn Deutschland, Frankreich, Spanien, England etc. sagen würden: Okay, unter diesen Umständen wollen wir nicht an der WM teilnehmen, dann verkommt eine WM nicht nur zu einer Farce, weil die besten Mannschaften nicht dabei wären. Das Turnier wäre automatisch für Werbekunden komplett unattraktiv und die FIFA würde nicht mehr so viel Geld verdienen. Und wenn wir eines gelernt haben, dann, dass ein ausbleibender Geldfluss die FIFA wohl am härtesten treffen würde. Ein Versuch wäre es allemal wert.

Definitiv, ich hätte es auch gerne gesehen. Aber ich bin mir sicher: Geld verdienen sie auch genug ohne die von Dir genannten Fußball-Nationen. Von solch romantisch-altmodischen Gedanken hat sich die FIFA längst verabschiedet. Genau das zeigt diese WM ja so eindrucksvoll. Und letztlich kann die FIFA auch alles selbst entscheiden. Und wenn dann plötzlich eine Verbannung dieser Fußball-Nationen im Raum steht, beispielsweise für die nächsten drei Jahre, oder vielleicht sogar für die nächste WM auch noch, dann bringt es auch nichts, das durchzuziehen. Du merkst, Dennis: Realist schlägt Idealist. Zumindest, wenn die FIFA im Spiel ist. Weißt Du aber, was mich ja fast am meisten wundert?

Na, erzähl.

Dass diese Diskussion um das Verbot der One-Love-Binde hierzulande ja mediale Ausmaße angenommen hat, als wäre der dritte Weltkrieg ausgebrochen. Meine Güte, als ob das wirklich das wichtigste Thema wäre, was es derzeit zu besprechen gäbe. Und dann kommen da die Iraner daher, und setzen tatsächlich ein Zeichen, mit dem sie am Ende sogar ihr Leben riskieren... und hierzulande wird über Kapitänsbinden diskutiert.

Da sagst Du was, Tobi. Man fragt sich ja fast täglich: Welche News außerhalb des Fußballs gibt es denn diesmal von der WM? In meiner Brust schlagen da auch zwei Herzen. Einerseits finde ich es gut und richtig, auf die Missstände in einem Land wie Katar hinzuweisen. Andererseits frage ich mich, ob diese Kritik etwas bringt, je öfter man sie äußert. Den moralischen Zeigefinger des Westens halte ich auch für unangebracht, weil er selbst lange für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe gebraucht hat und er von den Kataris als Provokation empfunden wird. Wahrscheinlich ist diese Art der Berichterstattung aber auch nur Ausdruck dafür, dass eine Fußball-WM einfach nicht in ein Land wie Katar passt.

Das ist so – und das kommt ja auch nicht überraschend. Mehrfach hat sich diese Veranstaltung (und mit ihr ja das Gastgeberland und vor allem die FIFA) bereits selbst entlarvt. Dass ein WM-Eröffnungsspiel in einem halb leeren Stadion gespielt wird, weil die heimischen Fans in Scharen vorzeitig gegangen sind, ist schon ziemlich beschämend für das größte Sportereignis der Welt. Und hast Du diese ganzen Fan-Gruppen auf der so genannten Fanmeile gesehen?

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Manni, 54 Jahre, dickbäuchig aus Castrop-Rauxel, also der typische Bierbecher schwenkende Deutschland-Fan, war jedenfalls nicht dabei.

(lacht) Nein, wirklich nicht. Dabei waren da ja durchaus viele deutsche Fans mit Trikots und Fahnen zu sehen – zumindest auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick sahen die aber nicht nach Manni aus, sondern eher nach Bashir und Jawad, denen man schwarz-rot-goldene Perücken auf den Kopf geklatscht hat. Der kosmopolitische Idealist in mir sagt dann: Hey, das waren bestimmt auch zwei Jungs aus Castrop-Rauxel mit wunderbar politisch-korrekter Integrationsgeschichte. Der Realist glaubt dann aber doch eher den Berichten, dass das von den Katari bezahlte "Fanjubler" aus anderen Ländern waren. Im schlimmsten Fall sogar noch jene Gastarbeiter, die zuvor unter erbärmlichen Bedingungen die Stadien gebaut haben. 

Bei der Vorstellung daran muss man ja fast gleichzeitig lachen und weinen. Und was sagt der Realist Dohr zu den ganzen Nachspielzeiten, die bis zu 13 Minuten gingen?

Dass das absolut zu wenig ist, wenn man der Argumentation der FIFA folgen will.

Wie bitte?

Ja klar. Es müssten eigentlich 35 bis 39 Minuten sein. Denn die FIFA behauptet ja allen Ernstes, es gehe darum, die effektiv verlorene Spielzeit, die durch Unterbrechungen entsteht, so auszugleichen. Man könnte sagen, sie wollen endlich einmal für Gerechtigkeit sorgen (lacht). Dabei zeigt der Weltverband auch in dieser Diskussion seine unfassbar dreiste Scheinheiligkeit. Denn jeder weiß, dass die Nettospielzeit im Fußball irgendwo bei 50 bis 52 Minuten liegt, wurde neulich gerade erst wieder in einer großen Untersuchung der vier großen europäischen Ligen untersucht und nachgewiesen. Also frage ich Dich, Dennis, warum lassen sie jetzt plötzlich acht, neun oder sogar zwölf Minuten nachspielen?

Weil sie es können!

Was ist das denn für ne komische Antwort, Herr Kollege? Spricht da ein verbitterter Idealist aus Ihnen, oder doch eher ein verständnisvoller Realist?

Weil sie es können und sich nicht darum kümmern, was andere davon halten. So war es gemeint. Vielleicht hat sich auch die FIFA nach den ganzen Negativ-Schlagzeilen gedacht: Verlängern wir das Spiel einfach, dann ist der Zuschauer befriedigt.

Und? Ist er das?

Nee, im Gegenteil. Er ist ziemlich irritiert. Zumindest bin ich das. Und ich glaube, dass man da auch ein bisschen stutzig werden darf, ohne die WM genau verfolgt zu haben. Allein die Häufung ist schon sehr außergewöhnlich. Aber wie gesagt: Irgendwie passt auch das zu dieser WM. Deswegen bin ich gespannt, welche Episode als Nächstes kommt.

Die haben bestimmt noch einiges im Köcher. Und bei allem Widerwillen, den man da verspürt, muss ich trotzdem eine Sache betonen, Dennis.

Na?

Selbst bei solchen Methoden und Ereignissen möchte ich mir diesen an sich so wunderbaren Sport nicht kaputtmachen lassen. Mein Sohn ist jetzt zehn Jahre alt. Als ich so alt war, war die WM 1986 mein großer Augenöffner, wie faszinierend, wie fesselnd, wie begeisternd dieses Spiel ist – und mit ihm alles, was zu einer WM dazugehört. Freude, Trauer, Stolz, aber auch Dinge wie Multikulti, dass die Welt viel größer ist, als man als Zehnjähriger denkt. Das übt eine derart große Faszination auf junge Menschen aus und diese sollte man niemandem nehmen.

Oh ja, 1986, da sagst du was. Wir waren live dabei, wie der Stern eines gewissen Diego Armando Maradona aufging, und durften deutlich später aufbleiben, um die Spiele zu verfolgen. Von allen WMs war Mexiko für mich die prägendste. Ich kann mich aber auch an die Diskussion erinnern, dass viele Spiele in teilweise beträchtlichen Höhenmetern ausgetragen wurden.

Und dass der Rasen furchtbar lang war ...

Man kann also jetzt sagen: Gemeckert wurde schon immer. Man kann aber auch sagen, dass das im Vergleich zu Katar eine totale Randnotiz ist.

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Vielleicht sollte man es so handhaben, dass der Weltmeister automatisch zum Ausrichter der nächsten WM wird. Oder noch besser: Einfach die entscheiden lassen, auf die es ankommt: Die Spieler selbst dürfen abstimmen, sobald sich verschiedene Ausrichter beworben haben. Aber selbst dann wird es vermutlich wieder hinter den Kulissen zu unmoralischen Beeinflussungen kommen. Ach Dennis, wie kommen wir denn jetzt raus aus dieser emotionalen Sackgasse? Am besten wir gucken einfach mal in den Landkreis, da gibt es garantiert keine Bestechung.

Wenn Sie sich da mal nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, Herr Dohr. Ich möchte gar nicht wissen, welchen Einfluss die eine oder andere gesponserte Kiste Bier auf das ein oder andere Spiel hatte (lacht). Aber natürlich ist das nur eine infame Unterstellung meinerseits. Genauso, dass der SV Bornreihe nur glücklicher Tabellenführer ist. Ich hatte es ja gewagt, von den Dusel-Bornreihern zu schreiben. Kam eher semi gut an, obwohl es nach dem bereits dritten Sieg in der Nachspielzeit durchaus angebracht war. Was war die Folge? Zwei 6:0-Siege (lacht).

Das ist dann wohl die Macht der Presse, war wohl noch mal etwas Zusatzmotivation, die Du unseren "Moorteufeln" da gegeben hast. So werden wir es jetzt einfach bis Juni 2023 weiter machen, immer schön sticheln, in der Hoffnung, dass wir dann über zwei Meisterschaften berichten können...

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Herr Dohr, Sie haben das böse Wort "Meisterschaft" in den Mund genommen. Das vermeiden die Bornreiher vor allem der FC Worpswede doch partout. Bin mal gespannt, wie lange die das noch durchziehen wollen. Wahrscheinlich sagen beide Mannschaften erst dann, dass sie Meister werden wollen, wenn sie es bereits sind. Wetten, dass...?

(lacht) Topp, die Wette gilt. Apropos, hast Du mitgekriegt, dass die Einschaltquoten von "Wetten, dass..." höher waren, als die vom ersten WM-Gruppenspiel der deutschen Mannschaft? Wann hat es so etwas mal gegeben? Vielleicht sollte Thomas Gottschalk das zweite Gruppenspiel der Deutschen am Sonntagabend gegen Spanien moderieren. Oder er spielt gleich in der Viererkette, viel schlimmer kann das defensiv ja nicht mehr werden bei Hansis Jungs ...

Genau! Und fürs zentrale Mittelfeld nominieren wir Kai Pflaume nach. Als ehemaliger Moderator von "Nur die Liebe zählt" könnte der ganz bestimmt auch noch in der One-Love-Debatte glaubhaft vermitteln. So wird ein Schuh draus!

In diesem Sinne: Hdgdl, Dennis!

Zur Person

Die Sportredaktion

schließt den Monat November ab. In unserer etwas anderen Rückschau lassen wir jeden letzten Sonnabend im Monat die vergangenen vier Wochen Revue passieren und diskutieren dabei auch über die Dinge, für die im redaktionellen Alltag oftmals kein Platz in der Zeitung ist. Nicht immer einer Meinung, aber meinungsstark. Nicht immer bierernst, aber mit voller Überzeugung für den hiesigen Amateursport. „Schott the Dohr“ – die Redakteure Dennis Schott und Tobias Dohr schließen die Tür.

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