Der Dauerregen hatte sie komplett durchnässt, und die Niederlage hatte sie mächtig frustriert. Die Spieler des Fußball-Regionalligisten SV Atlas Delmenhorst wären wohl am liebsten sofort in der warmen Kabine verschwunden, doch sie mussten noch eine Weile draußen ausharren. Trainer Key Riebau hatte seiner Mannschaft direkt nach der enttäuschenden 1:3 (1:2)-Niederlage beim SSV Jeddeloh am Freitagabend noch auf dem Platz etwas zu sagen. Der Atlas-Coach dürfte einige deutliche Worte gefunden haben, denn kurz darauf im Gespräch mit den anwesenden Medienvertretern machte er seinem Ärger noch einmal Luft und wetterte: "Wir sollten uns alle mal gut überlegen, ob das die Mentalität ist, mit der wir in ein Spiel gehen wollen. Mit ein bisschen Schönspielen gewinnt man in der Regionalliga nichts."
Vergessen ist der gute Saisonstart, die Stimmung bei den Blau-Gelben passte zum nicht enden wollenden Regen in Jeddeloh. Seit fünf Ligapartien ist Atlas nun sieglos. Der Blick in der Tabelle geht eindeutig nach unten. "Wir sind nur dann richtig in der Liga angekommen, wenn wir Punkte holen. Wir müssen Spiele gewinnen, sonst wird es eng", betonte Riebau. Er hatte nach dem enttäuschenden 2:2 gegen den TSV Havelse mit zwei späten Gegentoren Konsequenzen gezogen und die Startelf auf drei Positionen verändert. Neben dem gelbgesperrten Florian Stütz mussten Philipp Eggert und Lamin Touray auf die Bank. Dafür rückten Efkan Erdogan, Julian Stöhr und Steffen Rohwedder neu ins Team. Da Dimitrios Ferfelis weiterhin verletzt fehlte, gab Rohwedder sein Startelfdebüt als Mittelstürmer, nachdem er bereits drei Jokertore erzielt hatte. Riebau setzte auf ein 4-2-3-1-System, doch taktische Dinge waren für den Coach nach der Partie gegen seinen Ex-Klub zweitrangig, er haderte vor allem mit dem Auftreten seiner Mannschaft: "Die Ausstrahlung nach außen, dass wir füreinander kämpfen, hat mir gefehlt. Da war in allen Bereichen zu wenig Miteinander."
Azadzoys erstes Regionalliga-Tor
Als es losging, schüttete es. Der Rasen war tief und nass. Somit war sofort klar, dass die Partie über die Zweikämpfe entschieden werden würde. Spielerisch war unter den schwierigen Bedingungen nicht viel auszurichten. Die Jeddeloher waren vor 620 Zuschauern von Anfang an bissiger und liefen ihre Gegenspieler immer wieder mit hoher Intensität an. Atlas stand sofort unter Druck und hatte Probleme, geordnet nach vorne zu kombinieren. Trotzdem gingen die Gäste in Führung. Jeddelohs Torwart Felix Bohe verunglückte ein Klärungsversuch. In der Folge landete der Ball bei Marco Stefandl, der mit einem fulminanten 25-Meter-Schuss die Latte traf. Den Abpraller köpfte Mustafa Azadzoy zum 1:0 ins Netz (18.), es war sein erster Regionalliga-Treffer.
Atlas lag somit etwas glücklich vorne, gab den Vorteil jedoch sofort wieder aus der Hand. Erdogan ließ sich auf engstem Raum von Kasra Ghawilu ausspielen, der per Flachschuss aus 18 Metern zum 1:1 traf (21.). Vier Minuten später setzte sich Ghawilu wieder energisch durch und grätschte den Ball aus 16 Metern zum 2:1 ins Tor (25.). Direkt davor hatte Atlas den Ball verloren, weil Torhüter Eike Bansen einen Abstoß auf Stefandl geschlagen hatte, der direkt von zwei Gegenspielern bedrängt wurde. "Beim 2:1 hat man richtig gut gesehen, dass wir den nötigen Biss hatten. Erst haben wir gut gepresst und dann den Ball reingegrätscht", betonte Jeddelohs Sportlicher Leiter Olaf Blancke. Riebau ärgerte sich derweil gewaltig, dass sein Team den 1:0-Vorsprung nur wenige Minuten halten konnte: "Wir kriegen direkt das 1:1. Das ist Kopfsache, und im Kopf funktioniert es momentan leider nicht richtig bei uns. Wir stehen oft ein, zwei Meter zu weit weg." Seine Kritik gelte für alle, betonte der Coach: "Da nehme ich niemanden raus. So etwas beginnt schon im Training. Da müssen wir als Trainerteam künftig noch mehr ein Auge drauf haben."
Touray vergibt Riesenchance
Die einzige wirkliche Druckphase der Delmenhorster gab es in den zehn Minuten vor der Pause zu sehen. Einen Freistoß von Olivér Schindler lenkte Bohe gerade noch um den Pfosten (39.). Ousman Touray hätte nach einem schönen Schindler-Pass den Ausgleich erzielen müssen, scheiterte jedoch völlig freistehend an Bohe (41.). Nach dem Seitenwechsel verloren die Gäste wieder den Faden. Einen Jeddeloher Konter schloss Gentuar Durmishi mit einem überlegten Schuss ins lange Eck zum 3:1 ab (50.). "Das war natürlich ein Nackenschlag, aber danach hätten wir noch genug Zeit gehabt, um das Spiel zu drehen", sagte Riebau. Ein Aufbäumen seiner Elf war jedoch nicht zu erkennen. Zu richtigen Chancen kam Atlas nicht mehr. Stattdessen verpasste Jeddeloh den vierten Treffer, als Mario Fredehorst freistehend an Bansen scheiterte (85.).
Nach dem Abpfiff feierten die Jeddeloher den Sieg ausgelassen. Dabei hatten die Vorzeichen für sie nicht gerade günstig gestanden. Mehrere Stammspieler fielen aus, und im Laufe des Freitags war bekannt geworden, dass dem Klub aus dem Ammerland wegen einer zu spät bezahlten Verbandsabgabe drei Punkte abgezogen werden. "Der Missmut in der Mannschaft war deswegen sehr groß. Wir hatten alle Hände voll damit zu tun, die Konzentration wieder auf das Spiel zu lenken", schilderte Blancke die Stunden vor der Partie gegen Atlas. Umso wichtiger sei der Erfolg: "Das ist für uns ein Riesending. Man hat gesehen, dass der zweite Anzug passt." Auch für Blancke selbst war es ein besonderes Spiel, wurde er doch im Mai 2019 als Atlas-Trainer entlassen. Er betonte: "Ich freue mich über unseren Sieg, aber bin überhaupt nicht schadenfroh. Ich weiß, was Atlas leistet, und davor habe ich großen Respekt."