Mit dem Auto braucht man rund zehn Minuten, mit dem Fahrrad eine gute Viertelstunde. Vom Platz des TuS Heidkrug am Bürgerkampweg zum Delmenhorster Stadion an der Düsternortstraße ist es nicht weit, doch für Marcel Marquardt liegen zwischen diesen beiden Sportstätten fast schon Welten. Zum einen ist sehr viel passiert in seinem Fußballerleben zwischen seinem Abschied aus Heidkrug im Sommer 2021 und heute. Zum anderen sei es ein ganz anderes Gefühl, im altehrwürdigen Rund an der Düsternortstraße zu spielen, sagt der 23-jährige Offensivspieler: "Die Fans, die Atmosphäre – das erste Spiel im Delmenhorster Stadion war besonders und sehr cool."
Gemeint ist sein erster Pflichtspielauftritt in der Fußball-Oberliga für seinen neuen Verein SV Atlas Delmenhorst. Es war das 5:1 gegen den BSV Rehden am 3. August, und besser hätte der Nachmittag für Marquardt kaum verlaufen können. Ein Tor, eine Torvorlage und einen herausgeholten Elfmeter steuerte der Offensivspieler zum Kantersieg der Blau-Gelben bei. "Ich wurde von der Mannschaft super aufgenommen", betont Marquardt. Das half ihm dabei, sich auf Anhieb einen Stammplatz zu erkämpfen. Im Landespokal-Achtelfinale beim MTV Eintracht Celle (4:2) legte Marquardt dann zwei Treffer auf. Bei der jüngsten 2:3-Niederlage im Ligaspiel gegen Celle holte er immerhin wieder einen Strafstoß heraus.
Schon sechs Scorerpunkte
Das macht sechs Scorerpunkte in drei Partien – eine beachtliche Bilanz. Schon kurz nach dem Abpfiff des Pokalspiels in Celle bekam Marquardt zugerufen, dass er aufgrund seiner Scorerausbeute bald mal einen ausgeben müsse. Der junge Mann mit den blonden Locken lächelte daraufhin nur etwas verlegen. Sein selbst gestecktes Ziel für die laufende Saison war deutlich bescheidener. Es ging nicht um Scorerpunkte oder erzielte Tor. "Ich habe mir zum Ziel gesetzt, mich nicht zu verletzen", sagt Marquardt.
Hinter dieser ungewöhnlichen Aussage steckt eine lange Leidensgeschichte. Fast zwei Jahre lang konnte Marcel Marquardt kein Fußball spielen. Hartnäckige Schmerzen im Adduktorenbereich machten dem Delmenhorster enorm zu schaffen und waren lange Zeit nicht in den Griff zu bekommen. Zweimal wurde er operiert. Anfang November 2023 konnte Marquardt dann endlich wieder auf dem Platz stehen, wurde gegen seinen heutigen Klub SV Atlas eingewechselt und bereitete direkt das Tor zum 2:0-Endstand für den Rotenburger SV vor.
Die Qualitäten des Offensivspielers hatten die Atlas-Verantwortlichen schon vorher genau gekannt, schließlich spielte Marquardt lange genug vor der eigenen Haustür in Heidkrug, wo er in der Jugend und Herren-Bezirksliga aktiv war. Zwischenzeitlich lief er zudem für die A-Jugend des VfL Stenum auf. Dieser Novembernachmittag in Rotenburg führte den Atlas-Machern aber eindrucksvoll vor Augen, dass mit dem großen Talent wieder zu rechnen ist. Also schlugen die Blau-Gelben frühzeitig zu und sicherten sich die Dienste Marquardts, dessen Vertrag beim Oberliga-Absteiger Rotenburg auslief. Er wolle einen Schritt nach vorne machen, und als Delmenhorster sei es ein besonderes Gefühl, in der Heimatstadt zu spielen, erklärte Marquardt damals.
Vier Wechsel von Rotenburg nach Delmenhorst
Atlas-Sportvorstand Bastian Fuhrken hat schon lange den Anspruch, dass jeder Delmenhorster Fußballer, der das Zeug für die Oberliga mitbringt, beim SV Atlas spielen sollte. Darunter litt zuletzt vor allem der Rotenburger SV, der erst die Delmenhorster Joel Schallschmidt und Marlo Siech und jetzt auch noch Marquardt zu den Blau-Gelben ziehen lassen musste. Mit Michael Yeboah ging zudem ein weiterer Spieler ohne Delmenhorster Wurzeln diesen Schritt. Schallschmidt und Marquardt sind schon länger gut befreundet, das half beim Wechsel zusätzlich.
An die Gespräche mit Marquardt erinnert sich Bastian Fuhrken noch gut, weil sie etwas ungewöhnlich waren. "Marcel saß vor mir und sagte: Ich möchte einfach nur Fußball spielen", erzählt der Atlas-Sportvorstand. Dieser Wunsch ist bislang in Erfüllung gegangen. Marquardt wirkt topfit. "Er macht enorm viele Wege, läuft auch im Vollsprint nach hinten. Das sieht richtig gut aus", betont Fuhrken. Vor allem besticht Marquardt durch seine Schnelligkeit und Dribbelstärke. Mit seiner engen Ballführung ist er auf der linken Angriffsseite nur schwer zu stoppen. Eigentlich ist seine Stammposition im zentralen Mittelfeld. "Bisher habe ich vor allem als Zehner gespielt, aber auf dem Flügel funktioniert es jetzt auch gut", sagt Marquardt. So einfach ist das. Im Grunde ist auch die Position für ihn nebensächlich, er will nur spielen.