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Flensburg als Atlas-Vorbild? Weiche-Sportchef Jürgensen: "Das Umfeld brauchte Zeit zum Wachsen"

Während Atlas Delmenhorst noch neu in der Regionalliga ist, peilt der etablierte SC Weiche Flensburg die dritte Liga an. Worauf es dabei ankommt, erläutert Geschäftsführer Christian Jürgensen im Interview.
24.03.2022, 18:00 Uhr
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Weiche-Sportchef Jürgensen:
Von Christoph Bähr

Herr Jürgensen, das für Sonnabend angesetzte Spiel zwischen dem SC Weiche Flensburg und dem SV Atlas Delmenhorst wurde abgesagt, weil es bei den Delmenhorstern acht Corona-Fälle gibt. Hat Ihr Verein der Verlegung der Partie sofort zugestimmt?

Christian Jürgensen: Ja, hätten wir acht Fälle in der Mannschaft, würden wir auch eine Spielverlegung in Erwägung ziehen. Die Verlegung ist in Ordnung, das sucht sich ja auch niemand aus. Wir wurden rechtzeitig informiert. Natürlich ist es schade, dass nicht gespielt wird. Der Tabellenführer VfB Oldenburg spielt beim Hamburger SV II, und es ist immer schlecht, wenn man weniger Spiele als die Konkurrenz hat. Dazu ist es wichtig, im Rhythmus zu bleiben. Wir wollen daher am Wochenende möglichst ein Testspiel bestreiten.

Weiche Flensburg liegt aktuell mit 17 Punkten auf Platz vier der Meisterrunde. Stellen Sie sich auf einen Dreikampf um die Teilnahme an den Drittliga-Aufstiegsspielen zwischen Oldenburg (21), Werder Bremen II (17) und Ihrer Mannschaft ein? Der Zweitplatzierte Holstein Kiel II hat keine Drittliga-Lizenz beantragt.

Es sind noch acht Spiele zu bestreiten. Da kann viel passieren, Corona kann auch noch eine Rolle im Aufstiegskampf spielen. Alles ist relativ eng zusammen. Teutonia Ottensen und den HSV II würde ich noch nicht abschreiben. Oldenburg liegt jetzt erst einmal vorne und ist gut gestartet. Wir wollen aber oben in der Verlosung dabei sein.

Der SV Atlas spielt im Aufstiegskampf keine Rolle, denn er hat keine Drittliga-Lizenz beantragt. Wie stark schätzen Sie die Delmenhorster ein?

Wir haben uns die Delmenhorster in der Videoanalyse genau angeschaut. Sie sind ein ganz unangenehmer Gegner und agieren als geschlossene Einheit. Mit Dominik Schmidt haben sie in der Abwehr noch einmal viel Erfahrung dazu bekommen. Auch Nico Matern ist ein erfahrener Regionalliga-Spieler. Die beiden Unentschieden zum Auftakt gegen den VfB Lübeck und gegen Kiel haben gezeigt, dass Atlas schwer zu bespielen ist.

Atlas-Linksverteidiger Julian Stöhr hat von Mitte 2019 bis Anfang 2021 für Weiche Flensburg gespielt. Wie haben Sie ihn erlebt?

Er ist ein sehr dynamischer und fleißiger Spieler, der bei uns in der Truppe sehr beliebt war. Ich habe ja noch mit ihm zusammengespielt. Am Ende hat er bei uns nicht mehr die Spielanteile bekommen. Da war ich schon in anderer Funktion als Geschäftsführer tätig, und wir haben offen darüber gesprochen. Ein junger Spieler muss spielen, daher war es in Ordnung, dass Julian dann gewechselt ist.

In Delmenhorst war die Drittliga-Lizenz zuletzt ein großes Thema. Der Vereinsvorstand wollte sie erst nicht beantragen, ließ sich von der Mannschaft umstimmen und musste dann feststellen, dass die Anforderungen in vielen Bereichen zu hoch sind. Weiche Flensburg hat sich im vergangenen Jahr ebenfalls dagegen entschieden, den Lizenzantrag einzureichen. In diesem Jahr hat sich das geändert. Warum?

Ein Riesenthema war für uns die Zuschauerkapazität in der dritten Liga. Die Mindestanforderung lag im vergangenen Jahr noch bei 10.001 Zuschauern und wurde nun auf 5.001 herabgesenkt. Das ist in unserem Stadion machbar. Dazu ist Corona inzwischen besser greifbar, eine Kalkulation ist wieder möglich. Im vergangenen Jahr wussten wir ja noch gar nicht, wie die Zuschauer und die Sponsoren reagieren werden.

Im Oktober 2018 musste Weiche Flensburg das DFB-Pokal-Spiel gegen Werder Bremen mangels Flutlicht noch an der Lübecker Lohmühle austragen. Inzwischen gibt es im Manfred-Werner-Stadion ein neues Flutlicht. Ist die Spielstätte drittligareif?

Wir haben ein tolles LED-Flutlicht, das war ein erster großer Schritt. Einige Anpassungen müssten in der dritten Liga vorgenommen werden, dabei geht es zum Beispiel um die U-Form der Tribünen oder um die vorgeschriebene Größe der Stadioninnenfläche. Auch eine Rasenheizung ist ein Thema.

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Der SV Atlas hatte geplant, im Drittliga-Lizenzantrag das Weserstadion als Spielort anzugeben. Könnte Weiche Flensburg im Aufstiegsfall sofort im heimischen Stadion spielen?

Nein, anfangs müssten wir wahrscheinlich ausweichen. Die nötigen Voraussetzungen in unserem Stadion zu schaffen, wäre so schnell nicht umsetzbar. In der Zusammenarbeit mit der Stadt sind wir auf einem guten Weg, aber manche Prozesse brauchen eben etwas Zeit.

In der dritten Liga gibt es noch viele weitere Anforderungen, bestimmte Aufgaben im Verein müssen von hauptamtlich Beschäftigten übernommen werden. Wie ist Ihr Klub in dem Bereich aufgestellt?

Das personelle Gerüst ist vorhanden, wir müssten in der dritten Liga personell etwas aufrüsten, aber das wäre zu regeln. Ich bin als hauptamtlicher Geschäftsführer tätig, wir haben einen Pressesprecher. Auch einen Fanbeauftragten gibt es, der macht das aktuell aber ehrenamtlich.

2012 ist Weiche Flensburg in die Regionalliga Nord aufgestiegen. Wie hat es der Verein seitdem geschafft, sich zu einem echten Drittliga-Anwärter zu entwickeln?

Erst einmal ist die Entwicklung wirklich außergewöhnlich. Wir waren seit dem Aufstieg immer oben dabei, sportlich lief es also sehr gut. Das Umfeld brauchte etwas mehr Zeit, um zu wachsen. Die dritte Liga wäre finanziell eine große Herausforderung, aber wir sind auf einem guten Weg, diese meistern zu können. Die Sponsorenschaft wächst. Und wir haben die erste Mannschaft in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Das erleichtert einige Dinge.

Ist die Mannschaft sportlich so weit, dass Sie ihr in der laufenden Saison den Drittliga-Aufstieg zutrauen?

Ich traue den Jungs sehr viel zu. Wir haben eine erfahrene, physische Truppe. Wenn wir unsere Leistung bringen, sind wir für jeden Gegner schwer zu schlagen. Aber es gibt natürlich viele Unwägbarkeiten, der Weg zum Aufstieg ist sehr lang. Der Erste der Meisterrunde muss bekanntlich noch Aufstiegsspiele gegen den Vertreter der Regionalliga Nordost bestreiten. Man weiß also erst im Juni, ob man wirklich aufsteigt. Das erschwert auch die Planung ungemein.

Warum wollen Sie eigentlich unbedingt in die dritte Liga? Das finanzielle Risiko ist hoch, die Gefahr, direkt wieder abzusteigen, ist groß.

Die dritte Liga ist eine bundesweite Liga, die noch einmal eine ganz andere Bedeutung hat. Das Zuschauerinteresse wäre sicherlich größer. Man spielt dort in tollen Stadien gegen klangvolle Namen wie aktuell Kaiserslautern, 1860 München oder Magdeburg. Und natürlich könnte ein Aufstieg auch gewisse Prozesse im Verein und im Umfeld beschleunigen.

Es haben sich aber auch schon Vereine in der dritten Liga finanziell übernommen.

Wir würden im Aufstiegsfall sicher keine Wunderdinge erwarten. Wir würden unseren Kader natürlich verstärken, aber das Gerüst beibehalten. Falls man absteigt, muss man in der Lage sein, problemlos wieder in der Regionalliga Fuß zu fassen.

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Zur Person

Christian Jürgensen (36)

war als Abwehrspieler für Holstein Kiel und Weiche Flensburg 08 aktiv. Er bestritt 20 Drittliga-Partien und 262 Regionalliga-Einsätze (25 Tore). Im Sommer 2020 beendete er seine Spielerkarriere und wurde Geschäftsführer Sport bei Weiche Flensburg.

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