Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kampf gegen Rechts "Die gesamte Vereinskultur von Atlas Delmenhorst muss sich verändern"

Atlas Delmenhorst hat den Kampf gegen rechte Fans im Stadion forciert. Rechtsextremismus-Experte André Aden begrüßt die Maßnahmen des Oberligisten, betont aber auch, dass dem Verein ein langer Weg bevorstehe.
25.10.2023, 20:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Christoph Bähr

Dass sich beim SV Atlas Delmenhorst etwas verändert hat, merkten die Zuschauer im Düsternorter Stadion am vergangenen Sonntag kurz vor dem Anpfiff des Fußball-Oberliga-Spiels gegen den VfL Oldenburg (4:1). Stadionsprecher Thomas Snopienski las einen Auszug aus dem Leitbild des Vereins vor. Darin heißt es unter anderem: "Der SV Atlas ist bunt und für jeden offen." Das Vorlesen des Leitbildes ist eine von mehreren Maßnahmen, die der Klub nun ergriffen hat, um sich klarer gegen Rechts zu positionieren. Vom Breiten Bündnis gegen Rechts (BBgR) in Delmenhorst gibt es dafür erst einmal Lob. "Das ist ein super erster Schritt. Wir sind in einem sehr guten Austausch mit dem SV Atlas, haben schon Gespräche geführt und werden noch weitere führen", sagt Manuel Paschke vom BBgR.

Ende August hatte das Bündnis, dem etwa 150 Initiativen angehören, den SV Atlas noch deutlich kritisiert. Beim DFB-Pokal-Spiel gegen den FC St. Pauli (0:5) waren zwei führende Köpfe der rechten Szene im Delmenhorster Stadion fotografiert worden, einer im VIP-Bereich und einer im Block H bei den eingefleischten Atlas-Fans. Darüber wurde anschließend von diversen Medien auch überregional berichtet. Das BBgR forderte vom SV Atlas "klare Konsequenzen, um einen Rechtsruck in der eigenen Fangemeinde zu verhindern". Das Bündnis bot seine Unterstützung dabei an, und davon hat der SV Atlas inzwischen Gebrauch gemacht. Ohnehin ist der Verein schon seit langer Zeit Mitglied im BBgR. "Wir geben dem SV Atlas natürlich nicht genau vor, was er tun soll, sondern wir sprechen miteinander und zeigen Problemfelder auf", sagt Paschke. "Der SV Atlas hat jetzt bewiesen, dass er gewillt ist, etwas zu tun."

"Der Verein nimmt das Problem ernst"

Dass der Verein am Anfang eines voraussichtlich sehr langen Weges steht, betont André Aden vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Bremen und Bremerhaven. "Der erste Schritt ist es, das Problem zu erkennen. Das ist beim SV Atlas passiert. Der Verein nimmt das Problem ernst und hat wichtige erste Schritte eingeleitet", sagt der Experte und fügt hinzu: "Die Maßnahmen können nur erfolgreich sein, wenn sie langfristig laufen und mit weiteren Aktivitäten verbunden sind. Lippenbekenntnisse reichen nicht aus, die gesamte Vereinskultur muss sich verändern." Wichtig sei es zudem, auch Betroffene von Rechtsextremismus anzuhören und mit diesen zusammenzuarbeiten.

Lesen Sie auch

Zum Maßnahmenpaket des SV Atlas gehört nicht nur das Verlesen des Leitbildes. Der Verein hat auch Hausverbote für die Heimspiele gegen mehrere Menschen verhängt, die nicht namentlich genannt wurden. Eine externe Situationsanalyse eines Experten hat der Klub ebenfalls erstellen lassen. Zudem soll ein Extremismusexperte beauftragt werden, "um langfristig einen weiteren, regelmäßigen Blick von außen auf das Geschehen zu erlangen", heißt es in einer Mitteilung. Der SV Atlas hat also durchaus einen längeren Zeitraum im Blick. Aktuell wollen sich die Atlas-Verantwortlichen zum Kampf gegen Rechts nicht weiter äußern. Mit der Erklärung aus der vergangenen Woche sei vorerst alles gesagt.

Von anderen Klubs lernen

"Der Druck von außen war nach dem St. Pauli-Spiel groß. Es ist gut, dass der Prozess nun gestartet wurde", betont André Aden. Der Experte für Rechtsextremismus spricht von einer organisierten Neonazi-Szene im Bremer Umland, die in verschiedenen Bereichen aktiv sei, darunter auch im Fußball. "Die gehen bewusst dort rein und finden einen politischen Wirkungsraum", sagt Aden. Der SV Atlas sei für diese Rechtsextremen attraktiv, "weil es ein relativ großer Verein ist, der aber nicht so im Fokus steht wie ein Bundesligist, wo alle hingucken."

Angehörige von rechten Hooligan-Gruppen wie "Standarte Bremen" oder "Nordsturm Brema" haben sich laut Aden in Richtung Delmenhorst orientiert. "Bei Werder gab es früher ein großes Problem mit Nazi-Hooligans, aber der Verein hat radikal gegengesteuert. Einige dieser Hooligans haben bei Atlas ihr neues Wohnzimmer gefunden, auch wenn die Delmenhorster Fans natürlich keinesfalls alle rechts sind", sagt der Experte. Für den SV Atlas müsse es nun darum gehen, "Stück für Stück eine Kultur zu schaffen, die ihn für extrem Rechte nicht mehr attraktiv macht", erklärt Aden. Dazu gehöre es beispielsweise, bestimmte Insignien und Kleidermarken, die in der rechten Szene beliebt sind, zu verbieten. Aden: "Atlas ist mit dem Problem nicht alleine, das gibt es in vielen Vereinen. Dass Fangruppen aus dem rechten Spektrum in unteren Ligen die Sau raus lassen, ist ja nicht neu. Daher ist es wichtig, sich ein Netzwerk aufzubauen und von anderen Klubs zu lernen."

Lesen Sie auch

Zur Sache

Ermittlungen laufen weiter

Mitglieder der Atlas-Fangruppierung "Block H" wurden am 9. September nach der Rückkehr von einer Auswärtsfahrt von 20 bis 30 Vermummten angegriffen. Dabei wurden sieben Anhänger des SV Atlas Delmenhorst verletzt. Der "Block H" veröffentlichte danach eine Mitteilung und schrieb von einem "politisch motivierten Angriff". Die Polizei hat das bislang nicht bestätigt und ermittelt weiterhin in alle Richtungen. Über Ergebnisse der Ermittlungen gibt die Polizei aktuell nichts bekannt. 

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)