Über die Bratwurst kann man viel Gutes sagen. Sie ist, wie die Brezel, weltweit ein Symbol für deutsches Essen. 800 Millionen Bratwürste werden hierzulande jedes Jahr produziert. Und am Ende hängen nicht nur viele satte Mägen, sondern auch viele Arbeitsplätze an der Wurst. Weit mehr als ein Dutzend Varianten der Bratwurst gibt es, manche sind sogar geschützt, wie die Nürnberger oder die Thüringer. Vielleicht trug es zu Ole Werners grobem Bratwurstproblem bei, dass es keine Bremer Variante gibt. Jedenfalls wurde die Wurst dem Werder-Trainer zum Verhängnis, als er im Februar nach dem hitzigen Heimspiel gegen Mainz dem Schiedsrichter Martin Petersen die Meinung sagte.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Am Montag verriet Werner im Kreis seiner Kollegen bei der Trainerfortbildung des Bundes Deutscher Fußball-Lehrer (BDFL) in Bremen über seine einzige Rote Karte in dieser Saison: „Ich habe einmal Rot gesehen – für einmal Bratwurst.“ In den Tagen nach dem Spiel hatte er nur zugegeben, etwas „nicht wahnsinnig Böses“, aber halt doch Unangemessenes gesagt zu haben. Nun ist klar: Er nannte ihn Bratwurst.
Vielleicht hätte ein Fachanwalt da noch etwas retten können, schließlich gibt es eine Art Präzedenzfall im Fußball – aus dem Jahr 2015. Tatort war ebenfalls das Weserstadion, für Ärger sorgte auch hier der Schiedsrichter. Im Rahmen des Spiels zwischen Werder und dem 1. FC Köln bezeichnete FC-Manager Jörg Schmadtke den Mann an der Pfeife als „Eierkopp“, was der als Beleidigung auffasste und Schmadtke von der Bank auf die Tribüne verbannte.
Völlig falsch, argumentierte Schmadtke, denn im Rheinland sei das nun wirklich keine Beleidigung. Im Gegenteil: Die Lustigen Eierköppe e.V. (für Kölner: Löstije Eierköpp e.V.) seien eine ehrenvolle Karnevalsvereinigung. Der Manager kam mit einer Geldstrafe von 6000 Euro davon und wurde Ehrenmitglied der Kölner Eierköppe.
In Werners Fall könnte man diskutieren, ob der divenhafte Auftritt von Schiedsrichter Petersen, der den Bremern Niklas Stark und Marco Friedl ohne jedes Fingerspitzengefühl Platzverweise aufbrummte, nun besser oder schlechter war als eine Bratwurst. Für Werner hatte es aber einen bitteren Nachgeschmack: Er wurde für das Spiel in München gesperrt.
Es gab im Fußball früher schon Wurst-Affären. Fredi Bobic, Stürmer in Stuttgart, nannte den Schiedsrichter eine "blinde Bratwurst", wurde aber auch nur ein Spiel gesperrt. Bielefelds Trainer Ernst Middendorp räumte einen Radioreporter mit den Worten aus dem Weg: "Knien Sie nieder, Sie Bratwurst!" Später versicherte er, vollste Hochachtung für Fleischereien zu haben.
Vielleicht passiert Ole Werner derlei nicht mehr, mit dem Alter wird man gewöhnlich weiser: Am Sonntag feierte er seinen 37. Geburtstag. Er ist damit weiterhin (oder besser: wieder) der jüngste Trainer der Liga, denn der 36-jährige Nuri Sahin wurde in Dortmund durch den 53 Jahren alten Niko Kovac ersetzt.
In Bremen ist Werner schon drei Jahre und fünf Monate im Amt. Nur Heidenheims Frank Schmidt und Kiels Marcel Rapp sind in der Bundesliga aktuell länger dabei. Werner übernahm die verunsicherte Bremer Mannschaft nach dem Impfpass-Skandal von Markus Anfang in der 2. Bundesliga. Dem Aufstieg folgten stabile Platzierungen in der Bundesliga, er hat Werder in der Erstklassigkeit etabliert. Dass er trotzdem eine eierlegende Wollmilchsau spielen soll, erklärte er seinen Trainerkollegen bei der Fortbildung so: Bei einem Traditionsverein dürfe man erstens nicht absteigen und solle zweitens am besten den Europapokal erreichen, und das mit jungen Spielern und nach Möglichkeit so, dass die Sache nicht viel kostet. Damit hatte Werner die Lacher auf seiner Seite, aber auch einen guten Punkt angesprochen: Ist Werder schon reif für Europa?
Warum die Tabelle ein wenig trügt
In der Tabelle ist die Chance zwei Spiele vor Saisonende da, unter die ersten sechs zu kommen. Werner würde sich nie gegen diesen Erfolg wehren. In Zeiten, in denen die Fußballtrainer gerade gewechselt werden wie die Unterhosen, ist ihm aber eine realistische Einschätzung wichtig: Nach dem Aufstieg wurde er in der Bundesliga mit Werder 13. (mit 36 Punkten), im Folgejahr Neunter (42 Punkte) und ist derzeit auf Platz 8 (mit schon 47 Punkten). Aber Bremen habe in diesen Jahren in der Etat-Tabelle auf den Plätzen 17 und 16 gestanden und teile sich nun mit Bochum den 14. Platz, was die Finanzkraft betreffe.
Wenn es im sportlichen Bereich top laufe, könne man mal ein – oder wie Werder nun – zwei Jahre die Eurocupränge in Schlagdistanz haben, wo man sich dann jedoch mit Vereinen streite, die reicher sind. Wenn das nachhaltig geschehen solle, Werder also dauerhaft um Europa mitspielen soll, dann müsste dafür erst einmal der wirtschaftliche Rahmen geschaffen werden, meint Werner. Die Tabelle trügt halt ein bisschen: Im Moment gibt es in Deutschland nur sieben Vereine, die besser sind als Werder. Aber es gibt sehr viel mehr Klubs, die mehr Geld haben.