Wie sich die Bilder doch manchmal gleichen. Da stand Ole Werner nun und musste wieder ein 1:1 erklären. Anders als in der Vorwoche gegen Sandhausen hatte es das Remis für seinen SV Werder Bremen nicht gegen ein Team aus dem Tabellenkeller gegeben, sondern im Topspiel beim FC St. Pauli. Erneut lag seine Elf dabei zwischenzeitlich zurück, dieses Mal sogar schon zur Pause, hatte jedoch eine Antwort parat. Aber eben nur eine. Weshalb der Bremer Trainer wie zuletzt nicht zufrieden damit war, dass es keinen Sieg gegeben hatte – ganz egal, ob der Gegner nun ein wesentlich größeres Kaliber darstellte und die Turbulenzen der Partie von erheblich größerem Ausmaß waren. „Ich glaube, dass wir insgesamt von den Chancen und von den Spielanteilen her zwei Punkte mehr haben könnten als nur diesen einen“, bilanzierte Werner.
Doch während der 33-Jährige diese Worte sprach, wurde in vielen anderen Ecken des Millerntor-Stadions noch immer wild diskutiert und gestikuliert. Nicht wenige Hamburger, das war lautstark zu hören, fühlten sich benachteiligt. Weil der Schiedsrichter gleich in zwei wichtigen Szenen für die Bremer entschieden hatte. Aber der Reihe nach. Als das Spitzenspiel gerade begonnen hatte, hatte Werder ganz andere Sorgen: Der Einstieg in die Partie wollte nicht so richtig gelingen. Zwar hatten Milos Veljkovic, Marco Friedl und Mitchell Weiser nach ihren jeweiligen Verletzungen tatsächlich allesamt die ersehnte Rückkehr in die Startelf geschafft, doch die dadurch erneut veränderte Anfangsformation hatte Mühe, den richtigen Rhythmus zu finden. St. Pauli drückte zwar auch nicht unbedingt, zeigte aber ein wesentlich gefälligeres Spiel.
Nach etwas mehr als 20 Minuten wurden dann aber auch die Gäste griffiger. Und gefährlicher. Marvin Ducksch verzog einen Volleyschuss aus kurzer Distanz (23.), dann setzte Sturmpartner Niclas Füllkrug den Ball bei einer ganz dicken Gelegenheit neben den Kasten (25.). Kurz darauf war wieder Ducksch dran. Der Bremer Führungstreffer lag in der Luft, doch er fiel einfach nicht. Wie schon zuletzt gegen Sandhausen. „Das ist auch der Makel an dem Spiel, dass wir eigentlich in der Phase in Führung gehen müssen, um das Spiel in unsere Richtung zu lenken“, monierte Ole Werner und fügte ebenso präzise wie ernüchternd an: „Dann fällt das 0:1.“ Und zwar ganz kurz vor der Pause. Weil Werder Räume ließ und plötzlich die Zuordnung nicht mehr stimmte, war Daniel-Kofi Kyereh zur Stelle (43.). Es regte sich zwar noch leichter Unmut bei den Gästen, weil Milos Veljkovic während der Entstehung des Angriffs einen wichtigen Zweikampf verloren hatte (Werner: „Ich habe das so gesehen, dass das ein Foul ist.“), doch die Entscheidung stand.
Füllkrug erzielt den Ausgleichstreffer
Und somit waren die Heim-Fans wieder etwas versöhnt, denn nur 180 Sekunden zuvor hatten sie mächtig gezürnt, als Guido Burgstaller nach einem Duell mit Mitchell Weiser im Strafraum zu Boden gegangen war, der erwartbare Elfmeterpfiff aber ausblieb. Und die Stimmung besserte sich auch nicht gerade, als kurz nach dem Seitenwechsel die nächste strittige Szene folgte (siehe Artikel auf dieser Seite) – zumal sie auch noch zum Ausgleich führte. Felix Agu hatte sich unter Einsatz der Füße und der Hand einen wichtigen Vorteil verschafft, daraufhin Leonardo Bittencourt bedient, der wiederum punktgenau auf Romano Schmid flankte, was dieser mit einer Kopfballablage auf Niclas Füllkrug dankte. Und der Angreifer tat das, was von ihm in Szenen wie diesen erwartet wird: Er hämmerte den Ball humorlos aus wenigen Metern in die Maschen (58.).
Eine halbe Stunde vor dem Ende war die Begegnung also wieder völlig offen, das Verteidigen der Tabellenführung trotz eines sich anbahnenden Schalker Sieges wieder in greifbarer Nähe. Zwar musste Jiri Pavlenka fast im Gegenzug gegen Burgstaller parieren (61.), und St. Pauli hatte sich noch in zwei weitere aussichtsreiche, aber letztlich ungenutzte Situationen manövriert (78./79.), doch darüber hinaus waren es die Bremer, die in einer intensiven Schlussphase die Riesenchancen zum Sieg hatten. Erst war es Ducksch, der mit einem herrlichen Schlenzer nur die Latte traf, dann verpasste Augenblicke später der eingewechselte Ilia Gruev aus zentraler Position den Siegtreffer, als er knapp vorbeischoss (86.). Beide Teams kämpften auch danach leidenschaftlich um den Dreier, allein es fehlte die Torgefahr. Und so auch ein Sieger.
"Wir haben ein sehr hochklassiges Zweitligaspiel gesehen, in dem es rauf und runter ging", erklärte Ole Werner, der trotz der beiden strittigen Szenen weit davon entfernt war, den einen Zähler als glücklich zu bezeichnen. „Auf gar keinen Fall“, unterstrich er mit aller Vehemenz. Und mit seiner Einschätzung war er nicht allein. „Ich muss sagen, dass wir über 90 Minuten die bessere Mannschaft waren“, sagte Marco Friedl. „Speziell in der ersten Halbzeit hatten wir viele Chancen und deshalb hadere ich mit dem Ergebnis.“ Denn auch wenn es bei Werder niemand zugibt, die Tabelle schwirrt dann doch in den Köpfen herum. „Heute hätten wir einen guten Schritt in die richtige Richtung machen können“, meinte Friedl. „In den nächsten Wochen warten Nürnberg und Schalke, dort versuchen wir dann das, was heute im letzten Drittel unglücklich war, besser zu machen." Im Idealfall muss Ole Werner dann hinterher auch nicht wieder ein 1:1 erklären.