Schon bei Werders Sieg in Leverkusen fing es an: Die Auswechselbank saß voller Neuzugänge, als einziger spielte André Silva von all den Profis, die in den vergangenen drei Transferperioden nach Bremen gewechselt waren. Aus der Mannschaft hörte man Stimmen, dass man genau deshalb gewann. Was im Umkehrschluss bedeuten würde: Die neuen Spieler tragen eher nicht zu Siegen bei. Mit den Erfolgen gegen Kiel und Frankfurt verfestigte sich das von allein: In beiden Partien stand gar kein neuer Werder-Spieler mehr in der Startelf.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Das Thema ist komplex und hat verschiedene Ebenen. Die eine Ebene besteht aus Trainer Ole Werner, der für die Aufstellung – und damit für die Ergebnisse – verantwortlich ist. Werner hat sich den Ruf erarbeitet, lieber altbewährten Kräften und Abläufen zu vertrauen. Damit hat er in jedem Jahr die Saisonziele erreicht - eine Bilanz, die in der Bundesliga längst nicht jeder Trainer vorweisen kann.
Werners Entscheidungen hemmen dann aber für viel Geld geholte Perspektivspieler wie Julian Malatini oder Skelly Alvero, sie betrafen auch das eigene Talent Eren Dinkci – sie alle wurden oder werden in Bremen keine Stammspieler. So lange Werder trotzdem den Abstieg verhindert und begeistert wie zuletzt beim 2:0 gegen Frankfurt, kann man dagegen nichts sagen. Wenn die Mannschaft so spielt, hat der Trainer viel richtig gemacht.
Ein Problem entsteht an anderer Stelle. Werder holt sich inzwischen Absagen bei potenziellen Neuzugängen, darunter auch Junioren-Nationalspieler, weil sich diese Jungprofis denken: Nach Bremen sollte man eher nicht gehen, denn da spielt man nicht. Oder es dauert Jahre, bis man vielleicht spielt. Solche Jungs sind in heutigen Zeiten im wahrsten Sinne vernetzt, sie tauschen sich darüber aus – und so hat Werder in Teilen der Szene inzwischen ein Image, das es dem Verein nicht leichter macht, richtig gute Jungprofis von anderen Vereinen zu einem Wechsel zu überreden.
Auch der Fall Nick Woltemade strahlt hier ab, der nach Jahren in Bremen nun beim VfB Stuttgart durchstartet. Wenn Werder ein Verein sein will, der junge Spieler holt, entwickelt und verkauft, dann ist das permanente Bevorzugen etablierter Spieler ein folgenschweres Problem – auch für die sportlichen Entscheider Clemens Fritz und Peter Niemeyer. Sie sind inzwischen doppelt gefordert: Eigenen Leistungsträgern wurde bei Vertragsverlängerungen nicht nur mehr Geld gegeben, sondern auch das Versprechen, dass man eine starke, zukunftsfähige Mannschaft aufbaut. Dass sich ihr Bleiben also auch sportlich lohnt. In die Tat umgesetzt wurde das bisher nicht, was nun ein tägliches Tuschelthema in der Kabine ist. Die Spieler fragen sich: Wird das, was versprochen wird, auch erfüllt?
Tim Steidten war ein Verlust
Kritisch zu betrachten ist hierbei die Kaderplanung. Als der langjährige, gut vernetzte Kaderplaner Tim Steidten 2019 vom späteren Meister Bayer Leverkusen abgeworben wurde, sorgte das bei Werder kurzzeitig für Schockstarre. Denn: Der Mann war gut - was man an den guten Transfers ablesen kann, die Werder damals finalisierte.
Als Werder 2023 den neuen Kaderplaner Johannes Jahns holte, wurde ihm in Bremen ein sehr großer roter Teppich ausgerollt, weil er von RB Salzburg kam – und damit aus dem Red-Bull-Imperium. Aber: Zwei Jahre später hat Werder weder einen ausgewogenen Kader, noch einen erkennbaren Plan. Von den Neuzugängen der letzten drei Transferfenster hat nur Stürmer Marco Grüll überzeugt, und der ist kein Stammspieler. Mega-Flop Naby Keita, dessen Rückkehr nach Bremen im Sommer bereits droht wegen eines noch bis 2026 gültigen Vertrages, geht voll auf Jahns Kappe. Beide kannten sich aus Zeiten bei RB.
Werder nicht besser gemacht haben zuletzt: Dawid Kownacki, Olivier Deman, Keita, Malatini, Isak Hansen-Aaroen, Dikeni Salifou, Alvero, Derrick Köhn, Silva, Issa Kaboré und Rafael Borré. Beim jungen Keke Topp kann es noch gut werden. Senne Lynen spielt, Niklas Stark war ein Volltreffer, Jens Stage war der beste Griff – doch diese drei kamen schon 2022.
In den letzten zwei Saisons gab Werder rund 15 Millionen Euro für den Kauf neuer Spieler aus. Das ist nicht viel im Ligavergleich, aber: Diese Spieler sind bei Werder nicht im Wert gestiegen. Im Fall von „Königstransfer“ Alvero, für den mehr als vier Millionen fällig wurden, deutet vieles eher auf Kapitalvernichtung hin. Viele der Leihspieler bekam Werder nur, weil sie in einer Krise steckten – nicht selten konnte man das auch im Bremer Trikot sehen.
Diesen Sommer sind alle bei Werder gefordert, bessere Ergebnisse auf dem Transfermarkt zu erzielen. Darauf warten nicht nur die Fans und Sponsoren, sondern auch die Stammspieler in der Kabine. Ein bis zwei von ihnen wird Werder verkaufen (müssen) – und dann muss sich zeigen, wie der Plan für den neuen Kader aussieht. Und ob die Neuen dann gut genug sind, um in Bremen zu spielen.