Nach langen Jahren des Sparens ist in Bremen die Freibiermentalität ausgebrochen. Die Opposition scheint ein geheimes Füllhorn entdeckt zu haben. Dabei stehen dem neuen Senat ab 2020 netto nur gut 80 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Drohen konjunkturelle Einnahmelücken? Uninteressant! Viele Ärzte gehen demnächst in Rente. Daher muss eine volle Mediziner-Ausbildung her! Solide Finanzierungspläne? Dafür sind Oppositionspolitiker nicht zuständig.
Angeblicher Ärztemangel in Bremen
Vom Senat werden für die lancierten Wunschzettel „Machbarkeitsstudien“ gefordert. Ausgangspunkt der Argumentation ist der behauptete drohende Ärztemangel in Bremen. Planungsskizzen mit Fantasiekosten zwischen 20 und 50 Millionen Euro pro Jahr wurden in die Welt gesetzt. Bis zur jüngsten Kurskorrektur forderte die Bremer CDU zugleich, alle Mehreinnahmen ab 2020 in die Entschuldung zu stecken.
Gerade von Politikern, die den Markt als Heilmittel sehen, sollte man mehr wirtschaftlichen Sachverstand und finanziellen Realismus erwarten.
Die Versorgung mit Ärzten pro Einwohner ist in allen Großstädten besser als auf dem Lande; die Zahl der Ärzte in Bremen steigt an. Akut mag es Versorgungslücken in Stadtteilen mit weniger Privatpatienten geben. Dieses Problem muss die Kassenärztliche Vereinigung lösen.
Es erfordert keine Mediziner-Ausbildung in Bremen. Auch künftig wird Bremen keinen Ärztemangel erleiden, denn es geht um Standortpräferenzen junger Ärzte. Allgemein hat Walter Christaller diese mit der „Zentrale Orte Theorie“ bereits vor 86 Jahren erforscht. Er untersuchte die Standortwahl von Ärzten als Beispiel für die Verteilung von Dienstleistungen im Raum.
Die Einwohnerdichte und daraus resultierende Einkünfte erklären die ungleiche Ansiedlung. Gibt es weniger Jungmediziner, sind Probleme in der Uckermark oder im Ammerland realistisch. Die Versorgung in Bremen bleibt überdurchschnittlich.
Wenn schon die Unterversorgung nicht existiert: Wie steht es um die Nebenwirkungen der Lösung? Eine medizinische Hochschule kostet ein Land im ausgereiften Zustand bis zu 200 Millionen Euro.
Es sind jährliche Zuschüsse, nicht einmalige rentierliche Investitionen. Dieses wären für Bremen 45 Prozent der Gesamtausgaben für Hochschulen und Forschung! Wo im Wissenschaftsbereich sollen diese Mittel eingespart, welche Ausbaupläne gekappt und welche Hochschulen sollen geschlossen werden? Solange von den Befürwortern einer vollen Mediziner-Ausbildung hierauf keine Antworten gegeben werden, machen Expertenanhörungen keinen Sinn.
Unser Gastautor ist Professor für Volkswirtschaft und Regionalökonomie im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen. Zu seinen Themen gehört die regionale Strukturpolitik.