Im Juni, Juli und August können Fahrgäste den ÖPNV in Bremen und deutschlandweit für neun Euro pro Monat nutzen. Geht es nach den Bremer Linken, ist der dreimonatige Sparpreis nur ein Zwischenschritt zum eigentlichen Ziel: In einem Positionspapier fordert der Landesverband einen kostenlosen beziehungsweise ticketlosen ÖPNV, der in Bremen spätestens von Juni 2024 an gelten soll. Noch in diesem Jahr, so das Bestreben der Linken, soll Bremen die Einführung beschließen.
Wie begründet die Partei ihre Forderung?
In dem Positionspapier betont die Partei, wie wichtig der ÖPNV für die ökologische Verkehrswende sei. Als zweites zentrales Argument wird die Bedeutung der öffentlichen Verkehrsmittel für Menschen mit wenig Geld genannt. "Weil Mobilität eine soziale Frage ist, ist der Preis des ÖPNV wichtig", heißt es. Der kostenlose ÖPNV ermögliche "gerade bei steigenden Energiepreisen vielen Menschen soziale Teilhabe". Der große Andrang auf das Neun-Euro-Ticket habe gezeigt, dass kostengünstige Angebote für öffentliche Verkehrsmittel gewünscht seien, sagt die Linken-Vorsitzende Anna Fischer.
Was fordern die Linken noch?
Die Bremer Linken wollen den ÖPNV insgesamt attraktiver machen – dafür soll auch das Angebot ausgeweitet werden. Notwendig sei ein Konzept, "mit dem das Auto auf allen Strecken und für alle schlüssig ersetzt werden kann", heißt es in dem Papier. Die Geschwindigkeit bei der Umsetzung sei in Bremen "eine Katastrophe". Konkret fordert die Partei unter anderem, dass Bremen bis Ende 2023 Pläne für neue Straßenbahnlinien in die Überseestadt, nach Woltmershausen und Findorff anschiebt. Ein leistungsfähiges Straßenbahnnetz brauche auch direkte Verbindungen zwischen den Stadtteilen – etwa über die Erdbeerbrücke sowie über eine neue Brücke von der Überseestadt nach Woltmershausen. In Bremerhaven wollen die Linken die Straßenbahn reaktivieren und ein günstiges Sozialticket schaffen, bevor "perspektivisch" auch dort der kostenfreie ÖPNV eingeführt werden soll.
Wie soll der ticketlose ÖPNV finanziert werden?
Die Linken sehen den Nahverkehr als "gesellschaftliches Gut", das im gleichen Sinne wie andere soziale Infrastruktur – zum Beispiel Schulen und Kitas – kostenlos werden soll. Zur Finanzierung schlägt die Partei eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer vor. Da die Grundsteuer für Wohnraum in der Regel über die Nebenkosten an die Mieterinnen und Mieter weitergegeben wird, würden diese für den kostenlosen ÖPNV also an anderer Stelle bezahlen. Diese Finanzierung sei aber gerechter und unbürokratischer als eine eigens zu schaffende Pro-Kopf-Pauschale. "Wer in großen und teuren Wohnungen wohnt, zahlt mehr", wird in dem Papier argumentiert. Durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer soll gewährleistet werden, dass auch Unternehmen ihren Beitrag leisten, erklärt der Linken-Landesvorsitzende Christoph Spehr.
Woher soll das Geld für den ÖPNV-Ausbau kommen?
Die notwendigen Investitionen für den Ausbau des ÖPNV könnten nicht aus dem laufenden Haushalt bezahlt werden, so Spehr. Die Linken fordern deshalb, die Klimakrise zur Ausnahme von der Schuldenbremse zu erklären. "Eine weitere Verzögerung der Verkehrswende bringt größeren Schaden mit sich als die Aufnahme von Schulden", sagt Spehr.
Sind die Forderungen neu?
Die SPD Bremen-Stadt hat bereits vor rund einem Jahr das Konzept "Bremen-Ticket" vorgestellt, das einen kostenlosen ÖPNV für alle Bremerinnen und Bremer vom 1. Januar 2023 an vorsieht. Die Finanzierungsidee deckt sich in Teilen mit dem Linken-Vorschlag: ein Mobilitätszuschlag, der über die Grundsteuer eingezogen wird. Die SPD geht dabei von durchschnittlich 14 bis 18 Euro aus, die jeder Haushalt monatlich bezahlen müsste, um das Konzept zu finanzieren. Die Grünen kalkulieren mit jährlichen Mehrkosten von insgesamt 180 Millionen Euro für einen ticketlosen und deutlich ausgebauten ÖPNV. Auch in ihrem Finanzierungskonzept ist die Erhöhung der Grundsteuer ein Eckpfeiler. Außerdem planen die Grünen mit Einnahmen aus höheren Parkgebühren – Berufspendler aus Niedersachsen sollen ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Die Linke nennt in ihrem Positionspapier keine Zahlen. Fischer zufolge geht es der Partei darum, Tempo in die Angelegenheit zu bringen: "Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, trotzdem geben sich alle bei dieser zukunftsweisenden Frage zögerlich. Wir finden: Butter bei die Fische."
Welche Kritik gibt es an den Konzepten?
Die FDP hatte bereits den SPD-Vorschlag als unfair kritisiert, da bei einer Finanzierung über die Grundsteuer auch diejenigen zahlen, die den ÖPNV nicht nutzen. Tatsächlich gab es noch vor einem Jahr auch seitens der Linken Bedenken, ob dieses Modell rechtssicher sei. CDU und FDP haben grundsätzlich wiederholt betont, dass der Ausbau und die Attraktivitätssteigerung des ÖPNV Vorrang vor einem kostenlosen Angebot haben müsse.