
”Eine Stimme, die Schnee zum Schmelzen bringen könnte”: Kandace Springs singt am 23. August mit der WDR Big Band in der Glocke.

Das Open-Air-Finale des Musikfests auf dem Marktplatz bestreitet am 6. September die Hamburger Techno-Marching-Band Meute.
"Wir stehen jetzt auf der Tourneeliste des West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim ganz oben", freut sich Thomas Albert. Deshalb kann der Intendant des Musikfests für die 36. Ausgabe wie im Vorjahr ein Sonderkonzert vor der eigentlichen Eröffnung ankündigen. Hatten Barenboim und seine Musiker aus dem Nahen Osten damals die Geigerin Anne-Sophie Mutter zu Gast, so bringen sie auch diesmal einen Klassik-Fixstern mit: Pianist Lang Lang wird das 1. Klavierkonzert von Felix Mendelssohn spielen. Barenboim setzt dann noch Beethovens "Eroica" obendrauf.
Das Sonderkonzert in der Glocke findet am Sonnabend, 9. August, um 18 Uhr statt, das Musikfest beginnt eine Woche später: Vom 16. August bis zum 6. September sind in Bremen und im Nordwesten von Cuxhaven bis Meppen um die 50 Konzerte geplant, darunter auch wieder sechs Kirchenkonzerte des Arp-Schnitger-Festivals. Den Länderschwerpunkt setzt diesmal Frankreich.
Eine Große Nachtmusik: Das Eröffnungsfest am Sonnabend, 16. August, rund um den illuminierten Bremer Marktplatz bietet 18 Konzerte auf drei Zeitschienen an neun Orten. Erstmals ist der Innenhof der Hochschule für Künste als Spielstätte dabei, und das Delvon Lamarr Organ Trio, "bringt mit der Jazzorgel eine Farbe hinein, die wir noch nie hatten", wie Thomas Albert feststellt. Weitere Open Airs: Im Forum am Domshof sorgt das Alfredo Rodriguez Quintet für eine heiße kubanische Nacht, im Landgericht ist die Slap-Bass-Queen und Sängerin Ida Nielsen zu hören.
Den Klassikfreunden bietet Musikfest-Urgestein Marc Minkowski in der Glocke französische Delikatessen von Georges Bizet und Jacques Offenbach, der Estnische Philharmonische Kammerchor im Dom mystische Klänge von Arvo Pärt und Sergei Rachmaninoff. Im Rathaus spielt Il Pomo d’Oro barocke Concerti grossi, in der Kirche Unser Lieben Frauen singt die Cappella Mariana italienische Kantaten. Unbedingt ein Ohr verdienen auch die drei jungen Franzosen in der Bürgerschaft, die mit Akkordeon, Gitarre und Trompete von Boccherini bis Edith Piaf unterwegs sind, sowie der 25-jährige georgische Nachwuchspianist Giorgi Gigashvili, der sich mit Chopin, Brahms und Prokofieff vorstellt.
Interessante Solisten: Mit einem Klavierabend beginnt der Reigen der Einzelkonzerte. Was die Tastenextremistin Khatia Buniatishvili, jüngst bei der Wiedereröffnung der Kirche Notre Dame in Paris zu erleben, am 17. August in Bremen spielt, gibt sie allerdings erst kurzfristig bekannt. Als pianistischer Überflieger hat sich auch der Wiener Lukas Sternath erwiesen: Am 29. August bringt er ein schönes Schubert-Debussy-Prokofieff-Programm ins Mercedes-Benz-Kundenzentrum mit. Dritter Tastenvirtuose im Bunde ist der Luxemburger Francesco Tristano, der am 22. August um 19.30 Uhr erst in der Glocke originalen und elektronisch remixten Bach spielt, danach um 22 Uhr im "Canova" der Kunsthalle für Dancefloor-Flair sorgt.
Einen vokalen Höhepunkt verspricht der 4. September in der Glocke. Nach dem Puccini-Erfolg des Tenors Jonathan Tetelman im Vorjahr hat Thomas Albert nach einem weiteren Strahlemann des hohen C Ausschau gehalten. Und wurde fündig: "Warmer Fluss und leichte Höhe", schwärmt er über Pene Pati aus Samoa, der sich mit Il Pomo d’Oro durch neapolitanische Lieder schmachten wird. Das Abschlusskonzert in der Glocke am Tag drauf bringt ein Wiederhören mit dem Cello-Jungstar des Vorjahres: Anastasia Kobekina spielt Dmitri Schostakowitschs erstes Konzert, das Mahler Chamber Orchestra unter Maxim Emelyanychev begleitet.
Orchesterakzente: Ein kleiner Mozart-Schwerpunkt steckt im Programm. Am 19. August stellt das französische Ensemble Il Caravaggio das geistliche Singspiel "Die Schuldigkeit des ersten Gebots" vor, das der elfjährige Mozart komponiert hat. Ort: die Liebfrauenkirche. Am 27. August führt die Deutsche Kammerphilharmonie unter Tarmo Peltokoski halbszenisch mit einer illustren jungen Sängerriege "Die Zauberflöte" in der Glocke auf. Die Bremer Philharmoniker unter Marko Letonja wiederum widmen sich dort am Tag danach mit Sopranistin Camilla Nylund ihren Hausgöttern Wagner und Strauss. Am 30. August gibt es ein Wiederhören mit dem risikofreudigen Aurora Orchestra, das stehend und auswendig spielt, diesmal Beethovens Violinkonzert mit Geigerin Alena Baeva. Und am Tag danach präsentiert das Chamber Orchestra of Europe bei seinem zwölften Musikfest-Auftritt Musik aus der Zeit um 1900.
Jazz und mehr: Zum ersten Mal tritt beim Musikfest die WDR Big Band auf, und sie bringt am 23. August Kandace Springs in die Glocke mit, "eine Stimme, die Schnee zum Schmelzen bringen könnte", wie einst Prince hingerissen lobte. Poetische Weltmusik erwartet die Hörer am selben Ort beim Sänger und Oud-Spieler Dhafer Youssef (21. August), und die Welt des Tango Nuevo erkundet am 26. August Akkordeonist Richard Galliano im Rathaus mit seinem Trio.
Ganz Ungewöhnliches: Dirigentenbrausekopf Teodor Currentzis ist zurück und stellt am 20. August in der Glocke sein neues Projektorchester Utopia mit Schostakowitschs 2. Klavierkonzert (Solist: Alexander Melnikov) und Mahlers 4. Sinfonie (Sopranistin: Aphrodite Patoulidou) vor. Mit einer Florentiner Ostermesse für fünf achtstimmige Chöre verblüfft Le Concert Spirituel aus Paris am 2. September im St.-Petri-Dom. Das Musikfest-Finale findet wieder als Open Air auf dem Marktplatz statt: Am 6. September sorgt dort die elfköpfige Techno-Marching-Band Meute aus Hamburg für beste Laune.