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Theater Bremen Aufgewertet: Lisa Guth über ihre Rolle im Kleist-Stück "Kohlhaas"

Felix Krakau bringt "Michael Kohlhaas" auf die Bühne des Theaters Bremen. Im Interview gibt Schauspielerin Lisa Guth Einblicke in die Rolle der Lisbeth und die Herausforderungen der Inszenierung.
12.02.2025, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Frau Guth, der Autor und Regisseur Felix Krakau, der zuletzt am Theater Bremen „Royals“ inszeniert hat, bringt Heinrich von Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" auf die Bühne. Sie spielen darin die Frau der Titelfigur, Lisbeth. Wie wird diese Dramatisierung aussehen?

Lisa Guth: Felix Krakau ist ein großer Freund von Sprache und liebt Kleist. Er bringt ein Riesenstück vom Original, schlängelt aber eigenen Text hinein. Krakaus Sprache ist so musikalisch, dass das sehr gut zusammengeht.

Kleist ist ja für seine verschachtelte Sprache, für seine Bandwurmsätze bekannt. Und die Handlung um einen Mann, der auf seinem Recht besteht und sich in einen Rachefeldzug verbeißt, ist ziemlich komplex. Braucht es da nicht einen Erzähler?

Es gibt hier eine "Kleistcrew", eine Gruppe mit allen vier Akteuren, die sich auf die Reise begibt, um – begleitet von Videoeinspielungen des Ausstatters Florian Schaumberger – die Geschichte von "Kohlhaas" zu erzählen. Daraus treten – das ist Reiz und Herausforderung zugleich – die Hauptfiguren hervor.

Welche sind das außer Ihrer Lisbeth?

Ferdinand Lehmann spielt den Rosshändler Michael Kohlhaas, der mit zwei Reitpferden zum Markt nach Sachsen reist. Karin Enzler ist der Junker Wenzel von Tronka, der Bösewicht, der von Kohlhaas einen Passierschein fordert und die Pferde als Pfand auf seine Burg führt. Und Alexander Swoboda tritt als Kohlhaas’ Knecht Herse auf, der die Tiere betreuen soll und wie die Pferde von Tronka schwer misshandelt wird, während Kohlhaas in Dresden erfährt, dass die Passforderung völlig willkürlich war. Außerdem übernehmen wir weitere kleinere Rollen wie den Martin Luther oder den Prinz von Meißen im zweiten Teil, wenn Kohlhaas nach dem Tod seiner Frau ein Heer um sich sammelt und bei der Verfolgung Tronkas dessen Burg und Wittenberg niederbrennt.

Sie sind also Miterzählerin und Gestalterin zugleich. Wie wirkt sich das auf die eher kleine Rolle der Lisbeth aus? Sie wird ja erst dadurch bedeutend für die Handlung, dass sie beim Kurfürsten eine Bittschrift überreichen möchte und von einem Wachsoldaten so heftig zurückgestoßen wird, dass sie an der Verletzung stirbt.

Ich werde als Lisbeth zum Beispiel meinen eigenen Tod beschreiben. Felix Krakau hat außerdem eine Szene gegen Ende eingefügt, in der Kohlhaas bereits im Hausarrest sitzt und sich Lisbeth in seiner Fantasie erträumt. In dieser Traumszene rüttelt sie an ihm, redet ihm ins Gewissen, fragt ihn, nachdem schon so viele Unschuldige gestorben sind, warum er weitermachen will. Sie fragt, ob das alles seinen Preis wert war, und er sagt: Ich weiß es nicht. Dadurch wird Lisbeth vergrößert. Da erläutern ganz real zwei Menschen ihre Standpunkte.

Die Überlegung, wie weit kann man mit dem Kopf durch die Wand gehen, ist bei Kleist ja angelegt. Er wusste sehr gut, dass Recht und Gerechtigkeit nicht unbedingt dasselbe sind.

Jeder hat sich schon mal ungerecht behandelt gefühlt und gefragt, ob und wie er sich wehren soll. Es hat ja einen echten Hans Kohlhase gegeben, der 1540 hingerichtet und von seiner Frau überlebt wurde. Ich finde es spannend, wie Kleist hier Lisbeths Tod als Auslöser nutzt, um verschiedene Rechtsauffassungen aufeinanderprallen zu lassen. Einerseits die Selbstjustiz und der aufkommende Absolutismus von einst, andererseits den Geist der Französischen Revolution, mit dem Kleist 1809 zum Widerstand gegen Napoleon aufrief. An diesem Widerspruch zerbricht die "Kleistcrew" am Ende geradezu. Weil es so wüst wird, weil sich alle verrennen. Dieses Berserkertum kann man ja auch aktuell in der Politik sehen.

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Sind Sie froh, dass Ihre Rolle derart aufgewertet wird?

Ich musste schmunzeln bei der Besetzung, denn ich dachte: Nicht schon wieder einen Tod sterben. In den fast 13 Jahren hier in Bremen habe ich mehr Figuren gespielt, die sterben, als andere. Gleich zu Anfang die Ophelia im "Hamlet", später etwa Iokaste und zwei Stunden lang eine stumme Tote in "Schloss Rosmersholm", zuletzt erst die hingeopferte Hündin in der "Erfindung des Jazz im Donbass". Ich freue mich, dass Lisbeth in der „Kleistcrew“ weiter agiert und ich nicht nur für eine Szene auftrete. Es ist ja auch die Frage, welche Zutat man seinen Figuren gibt. Es gibt keine zu kleine Rolle.

Info

Die bereits ausverkaufte Premiere von "Kohlhaas (No Limits)" ist am 14. Februar, 19.30 Uhr, im Kleinen Haus. Weitere Termine unter www.theaterbremen.de

Das Gespräch führte Sebastian Loskant.

Zur Person

Lisa Guth

gehört seit der Spielzeit 2012/13 zum Schauspielensemble des Theaters Bremen. Mit Regisseur Felix Krakau hat die an der Hochschule Ernst Busch in Berlin ausgebildete Darstellerin bereits in der Produktion "Royals" zusammengearbeitet. Darin ist sie bis März noch zweimal zu sehen.

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