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Ex-Kunsthallendirektor wird 80 Happy Birthday, Wulf Herzogenrath!

Wulf Herzogenrath, Direktor der Bremer Kunsthalle von 1994 bis 2011, wird am 23. März 80 Jahre alt. Dazu legt er ein neues Buch vor. Sein Nachfolger Christoph Grunenberg würdigt ihn besonders für drei Dinge.
23.03.2024, 05:00 Uhr
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Von Sebastian Loskant

Auf solch eine Idee muss man erst mal kommen. Da wird die eigene Kunsthalle zwei Jahre lang umgebaut, und in dieser Zeit macht man – nein, keine Inventur, keine Sonderausstellung in der Sparkasse, auch keine Bildertournee nach New York, sondern: Geschenke auf Zeit. 230 Bilder und Objekte aus der eigenen Sammlung verlieh die Bremer Kunsthalle Ende 2008 für gut zwei Jahre als "Noble Gäste" an 22 Museen in ganz Deutschland, von Hamburg bis Weimar, von Kiel bis Köln. Während daheim der Neubau wuchs, konnten sich diese Häuser über passgenaue Bereicherungen ihrer Präsentationen freuen.

Ausgeheckt hatte die sympathieträchtige Aktion Wulf Herzogenrath, von 1994 bis 2011 Direktor der Kunsthalle Bremen, der am 23. März seinen 80. Geburtstag feiert. Sich Freunde zu machen, Dinge zusammenzuführen – das gehörte immer zu den Stärken dieses Kunst-Kommunikators. "In den 17 Jahren seiner Amtszeit hat er das Haus für das 21. Jahrhundert aufgestellt", sagt sein Nachfolger Christoph Grunenberg.

Was ihm gelang: "Als ich herkam, regnete es von oben bis unten durch", daran hat sich Herzogenrath bei seinem Abschied Ende Oktober 2011 erinnert. "Es gab keine Stellen für Öffentlichkeitsarbeit oder Museumspädagogik, sogar die Restauratoren-Stellen mussten wir uns mit dem Focke-Museum teilen." Auch der Kontakt zur Politik war frostig. Die politisch führende SPD habe die Kunsthalle viele Jahre als bürgerliche Veranstaltung betrachtet, die man nicht zu sehr hofieren wollte. Herzogenrath schaffte es, dass der städtische Zuschuss in seiner Amtszeit auf 2,1 Millionen Euro verdoppelt und die entsprechende Ausstattung möglich wurde. 1996 bis 1998 konnte das Haus saniert werden. "Es war ein langer Kampf."

Auch bei den konservativen Mitgliedern des Kunstvereins brach Herzogenrath das Eis. Dass er als Experte für Videokunst und das Bauhaus, der über Wandbilder von Oskar Schlemmer promoviert hatte, in Bremen alte Meister, Romantiker und Impressionisten zu betreuen hatte, dass er Tradition und Moderne zu verbinden suchte, bot durchaus Konfliktpotenzial. "Beim Ankauf des Video-Synthesizers von Nam June Paik musste der Vorstand erst einmal damit zurechtkommen, dass es sich um ein Werk handelt, das man nicht auf eine Staffelei stellen kann", erzählte er später gern. Und lobte zugleich, dass man die "Stecker-Kunst" mit Stromkabel letztlich doch akzeptiert habe.

Herzogenrath – Markenzeichen: Vollbart und Fliege – gelang es, verstärkt Mäzene für seine Ideen zu gewinnen. Manchmal half es auch, dass er dezent darauf hinwies, dass er Paula Modersohn-Beckers Großneffe zweiten Grades ist und dass schon sein Urururgroßvater 1850 im Bremer Schünemann-Verlag Kunstbücher veröffentlicht hat. Der Kunstvermittler, der keine Berührungsängste kannte, ob bei Eiswette oder Schaffermahl, ob in Bäcker-Innung oder Schulklasse, überzeugte letztlich fast alle. Und die Zahl der Vereinsmitglieder verdreifachte sich.

Was offen blieb: Wegen der Verzögerung des Umbaus verschob Herzogenrath seinen Ruhestand um zwei Jahre nach hinten. Dass dann keine Zeit mehr für eine Abschiedsausstellung blieb, enttäuschte den damals 67-Jährigen schon ein wenig: "Wir sind ja alle eitel." Dass es auch ihm nicht gelang, die gegen Kriegsende von dem russischen Offizier Viktor Baldin gestohlenen 363 Kunstwerke der Bremer Sammlung aus Moskau zurückzuholen, war erst recht ein wunder Punkt. Am meisten aber bedauerte Herzogenrath, dass er eine von Robert Wilson inszenierte Präsentation der Sammlung kurzfristig absagen musste, weil der Sponsor Mercedes einen Rückzieher machte. In künstlerischen Dingen ließ sich Herzogenrath ungern in die Parade fahren.

Was vorher geschah: Denn er brachte schon eine große Reputation mit, als er in Bremen antrat. Der studierte Kunsthistoriker, Archäologe und Volkskundler, geboren in Rathenow in der Mark Brandenburg und aufgewachsen in Bielefeld, wurde 1973 mit 28 Jahren in Köln der damals jüngste Direktor eines Kunstvereins. 17 Jahre, bis 1989 blieb er am Rhein, betreute 1977 auch den Bereich Videokunst auf der Documenta 6 und gehörte 1987 zum Leitungsteam der Documenta 8. Als Hauptkustos der Nationalgalerie in Westberlin erarbeitete er ab 1989 das Konzept der Nationalgalerie der Gegenwart im Hamburger Bahnhof und übernahm nach der Eröffnung bis 1993 deren Leitung.

Was er heute macht: "Mit 80 darf man schon etwas kürzer treten." Wulf Herzogenraths Amtszeit als ehrenamtlicher Direktor der Sektion Bildende Kunst an der Akademie der Künste Berlin ist 2021 nach neun Jahren zu Ende gegangen, auch den Juryvorsitz für den Goslarer Kaiserring, den er seit 2007 innehatte, hat er inzwischen abgegeben. "Bevor einer sagt: Ist der immer noch da?", bemerkt er schmunzelnd.

Ganz aber kann es der Jubilar doch nicht lassen. Zwar sei er nicht wie erhofft dazu gekommen, seine Forschung über Oskar Schlemmer zu vertiefen. "Aber ich habe meine Archive sortiert", erzählt er. Pünktlich zum runden Geburtstag erscheint im Berliner Alexander-Verlag ein 670-Seiten-Buch, in dem seine seit der Studentenzeit veröffentlichten Texte über Künstler als faksimilierte Originale versammelt sind. "Anstelle von Abbildungen haben wir dazu Einträge aus meinen 33 Gästebüchern abgedruckt, die die Künstler seit 1969 hinterlassen haben", darauf ist Herzogenrath spürbar stolz. Er liebt besonders Norbert Schwontkowskis Zeichnung vom Entenhäuschen im Teich an der Kunsthalle: "Darauf blickte ich immer von meinem Direktionszimmer – und kurz danach ist es verschwunden."

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Offiziell wird das Buch am Dienstag, 26. März, um 18 Uhr in der Kunsthalle präsentiert. Noch mehr als darauf freut sich Herzogenrath auf ein Ereignis, das fast zeitgleich eintreten dürfte: Er wird wieder Großvater. Sein Sohn und seine Schwiegertochter, die in Bremen leben, erwarten die Geburt ihres dritten Kindes.

Was bleibt: "Drei prägende Dinge hat Wulf Herzogenrath hinterlassen". Christoph Grunenberg, auch schon zwölf Jahre Direktor der Kunsthalle, muss nicht lange nachdenken. Er nennt "das schöne Gebäude und den tollen Anbau" und führt aus: "Diese attraktive Architektur funktioniert in der Praxis, hier arbeitet man gern. Und man kann man alle Genres gut präsentieren." Sodann habe Herzogenrath als einer der ersten die neue Medienkunst für museumswürdig befunden. "Diese Sammlung ist für ein traditionelles Haus wie in Bremen eine Besonderheit."

Nicht zuletzt streicht Grunenberg die extrem erfolgreichen Großausstellungen heraus, die sein Vorgänger alle zwei Jahre ausgerichtet hat. Zur Künstlergruppe Der Blaue Reiter, zu Max Liebermann, Vincent van Gogh, Paula Modersohn-Becker, Claude Monet ...: "Immer hatten sie mit der Geschichte des Hauses zu tun. Das ist längst die DNA der Kunsthalle, und das führen wir natürlich weiter."

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