Hat der Klimaschutz in Bremen an Bedeutung verloren? Dieser Ansicht sind die Vertreter von BUND, Nabu und ADFC. Dass die besagten Verbände mehr Bemühungen in diesem Bereich verlangen, liegt in der Natur der Sache. Ihre nun formulierte Kritik an der Bremer Politik geht jedoch über das Alltagsgeschäft hinaus: Die Verbandsvertreter bemängeln eine grundsätzliche Vernachlässigung des Themas. „Nach knapp zwei Jahren Amtszeit des rot-grün-roten Senats ist nahezu klimapolitischer Stillstand eingetreten“, bilanziert Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Bremen.
Mit einem gemeinsamen Positions- und Forderungspapier, das dem WESER-KURIER vorliegt, wollen die Verbände die politisch Verantwortlichen zum Umdenken bewegen. Die zentrale Botschaft: Der Umwelt- und Klimaschutz muss auch angesichts von Krisen und finanziellen Engpässen vorangetrieben werden. Die Verbandsvertreter fordern, sich wieder stärker auf die Ziele zu besinnen, die vor allem im Abschlussbericht der Klima-Enquetekommission formuliert sind. Bekanntermaßen will Bremen bis zum Jahr 2038 die Klimaneutralität erreichen.
Dabei, so die Ansicht der Umweltverbände, kommt das Land aber zunehmend vom Weg ab. Rode und seine Mitstreiter betonen, dass sich ihre Kritik ausdrücklich an die gesamte Bremer Politik richte. Dennoch stehen einzelne Themen naturgemäß im Vordergrund, wenn es um inhaltliche Beanstandungen geht.
Ein wesentlicher Aspekt – und laut Rode auch ein Ausgangspunkt der Generalkritik – ist die kontrovers diskutierte Idee, Umweltstandards bei Bauvorhaben zu lockern. Den Umwelt- und Klimaschutz als Bauhindernis zu begreifen, ist für Rode eine irrige Annahme. Er verweist auf die langfristige Planungssicherheit bei Gebäuden, die in der Regel für mindestens ein halbes Jahrhundert errichtet würden. „Wer heute nicht klimafreundlich baut, produziert hohe Kosten in der Zukunft", sagt Rode.
Zudem habe Bremen gerade erst im Bundesvergleich überdurchschnittliche Bauzahlen vermeldet – "nicht trotz, sondern wegen der mühsam errungenen Umweltstandards, die einen verlässlichen Rahmen gesetzt hatten", argumentieren die Verbände. In den Mittelpunkt der Diskussion gehöre vielmehr "die Bestandsqualifizierung mit erleichtertem Um- und Ausbau von Gebäuden", heißt es im Positionspapier.
Ernüchtert zeigt sich Sven Eckert, Geschäftsführer des ADFC, mit Blick auf den Bereich Verkehr. Um die Klimaschutzziele in diesem Sektor zu erreichen, müssten zum Beispiel wesentlich mehr Menschen auf das Auto verzichten. Im Abschlussbericht der Klima-Enquetekommission ist für 2038 vorgesehen, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs an den täglich zurückgelegten Wegen auf 37 Prozent zu reduzieren – derzeit liegt er bei mehr als 60 Prozent, zuletzt ist die Zahl der angemeldeten Fahrzeuge in Bremen wieder gestiegen.
Für Eckert ist das Ausdruck eines unzureichenden Alternativangebots. Der Ausbau der Fahrradpremiumrouten schreite zu langsam voran. Behalte man das Tempo bei, rechne er nicht mit einer Fertigstellung vor 2047. Auch deshalb stagniere der Radverkehrsanteil in Bremen seit Jahren. "Rad- und Fußgängerbrücken über die Weser sind quasi aufgegeben, die noch im Sommer versprochene Angebotsoffensive bei Bus und Bahn wurde verschoben", kritisiert Eckert weiter. Zu Zielen wie einer autofreien Innenstadt oder einer Neuordnung des Parkens, die unter anderem im Verkehrsentwicklungsplan festgeschrieben wurden, heißt es im Positionspapier: "Leider stellen ADFC, BUND und Nabu fest, dass die Umsetzung dieser Teilstrategien verschoben, verworfen oder ignoriert worden ist."
Nabu-Geschäftsführer Christoph Röttgers kritisiert unter anderem, dass eine neue Baumschutzordnung im "Koalitionsgerangel" festhänge und Bäume quasi nur noch mit Bundesmitteln gepflanzt würden. Grundsätzlich beklagen die Verbände eine massive Unterfinanzierung des Umweltbetriebs Bremen – und damit eine Vernachlässigung des städtischen Grüns. Auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien wünschen sich BUND, Nabu und ADFC mehr Schwung. Zwar attestieren sie Fortschritte beim Solarausbau, sehen aber auch noch viel Potenzial. Ähnliches gilt ihrer Ansicht nach für die kommunale Wärmeplanung.
Aber muss ausgerechnet das klamme Bremen mehr machen als der Bund und die EU, die erst für 2045 beziehungsweise 2050 Klimaneutralität anstreben? Rode sieht darin eine verzerrte Wahrnehmung. Bremen habe zwar ehrgeizige Ziele formuliert, sei aber bei der Umsetzung derzeit keineswegs Vorbild, sondern hinke in vielen Bereichen hinterher. Um daran etwas zu ändern, braucht es zweifelsohne Geld. Die Verbände hoffen nun auf das Infrastruktur-Sondervermögen, das auf Bundesebene diskutiert wird – und von dem auch die Länder profitieren könnten. Der Bremer Senat müsse sich dafür einsetzen, dass dieses Geld "explizit auch für Klimaschutzmaßnahmen herangezogen werden soll", fordern die Umweltverbände.