Die Versorgung von Patienten mit Herzproblemen war nie so, dass Politiker aus Blumenthal, Vegesack und Burglesum mit ihr restlos zufrieden waren – inzwischen ist sie für manche Ärzte so schlecht, dass sie einen Brandbrief geschrieben haben. Der Absender ist Kardio Bremen, ein Bündnis von Herz- und Gefäßmedizinern. Jahrelang haben sie mit dem Nordbremer Krankenhaus zusammengearbeitet. Doch damit ist nun Schluss. Der Klinikverbund Gesundheit Nord hat den Kooperationsvertrag auslaufen lassen. Mit der Folge, dass jetzt alle Patienten mit Herzkatheter für weitergehende Untersuchungen in die City gefahren werden. Obwohl Kardio Bremen die Behandlungstechnik vor Ort hat und es bei Herzkranken schnell gehen muss.
Der Brandbrief ist so neu, dass Ernst Horstkotte und Erik Meyer-Michael noch keine Antwort auf ihn erhalten haben: weder von der Gesundheitssenatorin und dem Bürgermeister noch von den Bürgerschaftsparteien. Horstkotte und Meyer-Michael sind die Ärzte, die das Schreiben unterzeichnet haben. Sie sprechen für acht Mediziner, die an zwei Standorten arbeiten: in der Neustadt und eben in Blumenthal. Wie ausgeprägt die Kooperation zwischen ihnen und dem Klinikum war, machen die Adressen der bisherigen Partner deutlich. Beide sind an der Hammersbecker Straße. Die Klinik hat die Hausnummer 228, Kardio Bremen 224. Die Allianz der Herz- und Gefäßmediziner ist im Facharztzentrum auf dem Krankenhausgelände angesiedelt. Dort haben die Ärzte eine Praxis mit Herzkatheterlabor.
Seit zehn Jahren gab es die vertragliche Zusammenarbeit – und waren die Wege so, wie sie für Patienten mit Herzproblemen sein sollen: kurz. Nun sind sie wieder lang. Kardiologe Horstkotte sagt, dass alle Patienten, die bisher vom Krankenhaus in die Praxis gekommen sind, jetzt zum Klinikum Links der Weser gebracht werden. Dass es dabei um ein gutes Dutzend Frauen und Männer in der Woche geht. Und dass die Fahrt über die Autobahn für manche von ihnen Folgen haben kann. Er und Berufskollege Meyer-Michael schreiben in dem Brandbrief von Muskelschäden, die entstehen können, wenn ein Betroffener innerhalb einer bestimmten Zeit nicht behandelt wird. Und davon, dass es wieder mehr Berichte von Patienten und Menschen aus ihrem persönlichen Bekanntenkreis gibt, die das erlebt haben.
Stadtteilpolitiker haben immer wieder bezweifelt, dass Infarktpatienten so schnell von Blumenthal zu einem anderen Krankenhaus in der Stadt gebracht werden können, wie sie es eigentlich sollten: innerhalb von 90 Minuten nämlich. So empfiehlt es die Kardiologische Gesellschaft. Wird einem Patienten in dieser Zeit mittelst eines Katheters das verstopfte Herzgefäß geöffnet, liegt die Sterblichkeitsrate bei 3,9 Prozent – dauert es länger, steigt sie auf 12,1 Prozent, also um das Dreifache. Darum haben zunächst einzelne Fraktionen aus dem Stadtteil immer wieder gefordert, dass die Kardiologie am Klinikum erweitert wird, zuletzt alle Nordbremer Stadtteilparlamente. Ein Ausbau der Kooperation sollte her, eine 24-Stunden-Katheterbereitschaft an sieben Tagen pro Woche, ein weiteres Herzkatheterlabor.
Horstkotte sagt, dass unterm Strich alle heute üblichen kardiologischen Verfahren am Nordbremer Standort möglich werden sollten: nicht nur die Versorgung von akuten und nicht akuten Infarkten, sondern auch Implantationen von Herzschrittmachern und die Behandlung von Fehlbildungen am Herzen. Doch dann kam alles anders: Erst scheiterten die Verhandlungen, dann wurde der Kooperationsvertrag nicht verlängert. Für beides hat Horstkotte keine Erklärung. Er war bei den Gesprächen nicht dabei. Auch Timo Sczuplinski war das nicht. Trotzdem hat der Sprecher des Klinikverbundes eine Begründung. Nach seinen Worten sind Prozesse zur Versorgung von kardiologischen Patienten neu geordnet worden. Was unterm Strich bedeutet, dass jetzt enger mit dem Klinikum Links der Weser kooperiert wird statt mit der Praxis.
Gesundheit Nord will quasi nicht mehr, dass Menschen, die im Krankenhaus versorgt werden, formal entlassen werden müssen, damit sie in einer Praxis aufgenommen werden können – um sie anschließend aus dem ambulanten wieder in den stationären Bereich neu aufzunehmen. Der Verbund will stattdessen, dass alles in einer Hand bleibt. Und Patienten vollständig Klinikpatienten bleiben. Was bisher bei Kardio Bremen gemacht wurde, soll deshalb jetzt ausschließlich im Herzzentrum des Klinikums Links der Weser geschehen: eine invasive kardiologische Diagnostik und Therapie. Laut Chefmediziner Frank Wösten wurden in der Regel solche Klinikpatienten in der Praxis behandelt, bei denen es keinen Zeitdruck gab und nur selten Fälle, bei denen die Möglichkeit einer akuteren Erkrankung bestand.
Für kardiologische Notfälle ändert sich nach seinen und Sczuplinskis Angaben dagegen nichts. Sie werden gleich ins Krankenhaus Links der Weser gefahren. Oder geflogen. Die rechtlichen Vorgaben, meinen beide, werden erfüllt. Ob es nun einen Ausbau der Herzmedizin ohne Kardio Bremen gibt, können der ärztliche Direktor und der Unternehmenssprecher nicht sagen. Für sie ist das Sache der Politik. Was auch Horstkotte und Meyer-Michael so sehen. Allerdings erhoffen sie sich von den Parteien noch etwas anderes als eine Erweiterung des Klinikspektrums – dass sie den Kooperationsvertrag wieder in Kraft setzen.