Frank Wösten hat schon mehrmals gesagt, dass die Zahl der Covid-Patienten im Nordbremer Krankenhaus noch nie höher war. Zum Beispiel im Dezember 2020, im Oktober 2021, im April 2022. Doch jetzt, im Januar 2023, kommt der ärztliche Direktor auf so viele Frauen und Männer, die isoliert, behandelt und mitunter beatmet werden müssen wie in all den Jahren nicht. Der bisherige Höchstwert hat sich binnen weniger Wochen beinahe verdoppelt – und die Situation des Krankenhauses noch einmal verschärft.
Die Lage ist so angespannt, dass sich das Klinikum abgeschottet hat. Keine Besuche mehr. So steht es am Eingang und auf der Internetseite des Krankenhauses. Und auch, dass von dieser Regel nur in besonderen Härtefällen abgewichen wird. Der Stopp wurde erstmals vor den Weihnachtsfeiertagen verhängt. Wösten sagt, dass viele Patienten, deren Schnelltest anfangs negativ war, irgendwann einen positiven hatten. Und dass sich diese Patienten wahrscheinlich bei Besuchern angesteckt haben. Er spricht von Schutzmasken, die überall im Klinikum getragen werden müssen, aber in den Patientenzimmern, wenn die Tür zu ist, von Verwandten und Bekannten immer wieder abgenommen werden.
Der Chefmediziner kann ad hoc nicht genau sagen, wann der alte Höchstwert an Corona-Fällen durch einen neuen ersetzt wurde. Er meint, dass das irgendwann im Dezember passiert sein muss. Davor hatten die Pflege- und Ärzteteams des Krankenhauses an der Hammersbecker Straße nie mehr als mit knapp 30 Infizierten auf einmal zu tun. In den Wochen vor Weihnachten stieg die Zahl dann erst auf mehr als 40 Covid-Patienten, dann auf über 50. Daran hat sich nichts geändert. Nach Wöstens Statistik gibt es momentan 55 Frauen und Männer, die wegen des Erregers stationär versorgt werden müssen. Bei den meisten ist der Krankheitsverlauf leicht, ein Patient muss beatmet werden.
Dass noch nie so viele Infizierte zugleich behandelt werden mussten wie jetzt, hat nicht nur etwas mit dem Infektionsgeschehen zu tun. Sondern auch damit, dass die Patienten länger bleiben als bisher. Viele von ihnen, sagt der ärztliche Direktor, sind um die 80, lebten bisher zu Hause, können dorthin aber nicht zurück. Und die Pflegeheime haben keinen Platz für sie. Zumindest nicht sofort. Mit der Folge, dass die Klinik macht, was eigentlich die Senioreneinrichtungen machen sollten: die älteren Patienten versorgen – nicht nur für Tage, sondern manchmal für Wochen. Darum hat das Krankenhaus nicht nur eine einzige Isolierstation, sondern inzwischen anderthalb Stationen.
Dass die 20 Betten für Covid-Patienten nicht reichen würden, zeichnete sich laut Wösten schon im Oktober ab. Immer wieder kamen Menschen mit Symptomen, immer wieder fielen Schnell- und PCR-Tests positiv auch – auch bei Pflegekräften und Ärzten. Zusammen mit anderen Erkrankungen fehlten nach Rechnung des Chefmediziners zwischenzeitlich bis zu 100 Mitarbeiter. Was bei 1000 Klinikkräften ein Zehntel des Personals macht. Momentan fehlen 70 Beschäftigte. Und mit ihnen die Möglichkeit, alle Stationen regulär zu betreiben. Derzeit sind eine internistische Station und ein Teil der Privatklinik wegen fehlender Kapazitäten und hohem Aufkommen an Corona-Fällen vom Netz genommen.
Das Nordbremer Krankenhaus ist nicht das einzige, das mehr Covid-Patienten versorgt als bisher. Und es ist auch deshalb nicht das einzige des Klinikverbundes Gesundheit Nord, das einen Besuchsstopp verhängt hat. Auch im Krankenhaus Links der Weser gibt es einen. Damit sind mittlerweile zwei von vier städtischen Kliniken vorsorglich abgeschirmt worden, um auf die angespannte Situation auf den Stationen zu reagieren. Wösten sagt, dass das Krankenhaus im vergangenen Jahr – anders als 2020 und 2021 – durchweg im Krisenmodus war. Und dass sich jetzt die Lage noch einmal zugespitzt hat, obwohl Politiker immer seltener von einer Pandemie und immer häufiger von ihrem Ende sprechen.
Auch der ärztliche Direktor sieht Anzeichen dafür, dass der Scheitelpunkt erreicht ist und die Zahl der Corona-Fälle im Klinikum wieder sinkt. So hofft er es jedenfalls. Anfang nächster Woche will der Krisenstab des Klinikverbundes darüber beraten, ob und wann der Besuchsstopp wieder aufgehoben werden kann. Und wie es mit den OPs weitergeht, die vorsorglich abgesagt und verschoben werden mussten, um personelle Reserven zu haben. Laut Wösten wurde zuletzt nur operiert, wenn Unfallpatienten kamen. Jetzt setzt er darauf, dass das Pensum der Chirurgie in den nächsten Wochen und Monaten wieder hochgefahren werden kann.