Offiziell ist die Pandemie im Frühjahr für beendet erklärt worden – Covid-Fälle gibt es am Nordbremer Klinikum aber trotzdem. Und zwar fast genauso viele wie im Herbst vergangenen Jahres, als das Bundesgesundheitsministerium noch das Tragen von Masken zur Pflicht machte. Was heute ebenfalls wie damals ist: Wegen Corona und anderen Atemwegserkrankungen ist die Zahl der Pflegekräfte auf den Stationen niedriger als sonst. Mit der Folge, dass das Krankenhaus so gut wie keine Kapazitäten mehr für neue Patienten hat.
Die Teams der Rettungswagen bekommen es unterwegs auf ihren Bildschirmen angezeigt: Das Klinikum Nord ist rot gekennzeichnet. Die Warnfarbe bedeutet, dass alle Betten, die im Moment vorgehalten werden können, belegt sind. Angefahren werden ausgelastete Krankenhäuser von Sanitätern und Notärzten dennoch. Akute Fälle müssen versorgt werden, nur können diese akuten Fälle, wenn das Meldesystem gerade auf Rot steht, nicht automatisch dauerhaft bleiben, sondern müssen unter Umständen verlegt werden. Im Vorjahr kam das häufiger vor, jetzt ist es wieder so weit. Nicht nur am Klinikum an der Hammersbecker Straße.
Frank Wösten hat die neueste Statistik am Computer aufgerufen. Der ärztliche Direktor und Chef der Notaufnahme kommt an diesem Morgen auf fast 300 Betten, die belegt sind – was beinahe das gesamte Kontingent an Betten ist, das die Klinik gerade vorhalten kann. Er spricht deshalb von einer nahezu hundertprozentigen Auslastung. Und davon, dass ein neuer Patient nur noch aufgenommen werden kann, wenn ein anderer geht. Eigentlich hat das Krankenhaus 537 Planbetten und -plätze. Doch wegen des Fachkräftemangels sind schon länger nicht mehr alle am Netz. Und eben wegen der jetzigen Personalausfälle durch Corona und anderer Atemwegsinfektionen nicht.
Nach seinen Zahlen ist auf manchen Stationen etwa ein Drittel des Pflegeteams inzwischen im Krankenstand. Dabei bräuchte es nach seinen Worten gerade jetzt mehr Kräfte. Wösten sagt, was er im Lauf der Pandemie häufiger gesagt hat: Dass Corona-Patienten anders sind als andere Patienten. Dass ihre Versorgung mehr Personal bindet, weil sie aufwendiger ist. Und dass ihre Zahl jetzt beinahe so hoch ist wie im vergangenen November. Damals kam das Klinikum auf 28 Fälle, die auf einen Schlag versorgt werden mussten. Jetzt sind es 25 Frauen und Männer, die sich infiziert haben und von Ärzten und Pflegekräften betreut werden.
Die meisten Corona-Patienten auf den Stationen sind nach Wöstens Worten ältere Menschen. Die Krankheitsverläufe stuft der Chefmediziner überwiegend als leicht ein. Allerdings ist die Zahl der Fälle, die auf der Intensivstation versorgt werden müssen über das Wochenende gestiegen. Genauso wie die Zahl der Personen, die vorübergehend beatmet werden. Am Freitag waren es zwei, am Montag darauf doppelt so viele. Dass Stationen wieder zu separaten Covid-Stationen umfunktioniert werden, ist laut Wösten momentan nicht vorgesehen. Die infizierten Personen werden bisher in den Abteilungen isoliert, in die sie eingeliefert wurden.
In den vergangenen Jahren war das anders. Zu den Hochphasen von Corona, als sich das Klinikum abschottete und Stationen schloss, um Kapazitäten für infizierte Patienten zu haben, kam es auf rund 50 Covid-Fälle gleichzeitig. Damals ging es in den Krisen-Modus. Heute ist es im Regelbetrieb. Was unter anderem bedeutet, dass alle Operationen, die am Tag geplant sind, auch durchgeführt werden. Eine Maskenpflicht gibt es nicht. Wösten sagt, dass momentan empfohlen wird, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Andere Häuser sind mittlerweile dazu übergegangen, Patienten, Besuchern und Beschäftigten keine Wahl mehr zu lassen.
Ob es auch im Nordbremer Klinikum wieder so weit kommt, darüber kann der ärztliche Direktor derzeit nur spekulieren. Fest steht dagegen für ihn, dass sich die angespannte Personalsituation aller Krankenhäuser auch in den nächsten Monaten fortsetzen wird. Die Grippezeit, meint er, habe schließlich erst begonnen.

Frank Wösten