Burglesum. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und steigender Flüchtlingszahlen hat der Beirat Burglesum einer Anfrage des Sozialressorts zugestimmt, temporär von der Höchstbelegungszahl in der Wohnanlage Am Rastplatz abweichen zu können. Das Sozialressort hatte den Beirat angeschrieben und darauf hingewiesen, dass in der Wohnanlage aktuell 50 Wohnungen mit bis zu 150 Plätzen frei seien, während gleichzeitig Messe- und Turnhallen belegt werden müssten. Ganz ohne Diskussionen ging der Beschluss indes in der jüngsten Beiratssitzung nicht über die Bühne.
Das Thema Wohnheim Am Rastplatz ist in Burglesum hoch emotional besetzt, sowohl bei den Kommunalpolitikern als auch bei den Anwohnern. Das resultiert aus dem Verhalten der Behörden in den vergangenen Jahren, die mehrfach gegen den ausdrücklichen Willen des Beirats und der Bürger entschieden und gehandelt haben.
Die Baugenehmigung für das Gebäude war vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise ab 2015 erteilt und zunächst auf fünf Jahre befristet worden. Das Haus wurde als Übergangswohnheim genutzt und sollte nach ursprünglicher Aussage der Behörden nach dieser Nutzung wieder zurückgebaut werden. Das hatten Beirat und Anwohner auch erwartet. Es kam jedoch anders. Die Baugenehmigung wurde entfristet und auf Wunsch des Sozialressorts dauerhaftes Wohnen genehmigt. Gleichzeitig sagte die Behörde zu, baulich für Lärmschutz zu sorgen, um die Nachbarn zu entlasten und die Belegungszahl auf rund 100 Plätze zu reduzieren.
Aktuell leben etwa 100 Menschen in der Wohnanlage am Mühlenacker – die Straße wurde kürzlich von Am Rastplatz in Mühlenacker umbenannt. Durch die Aufhebung der Höchstbelegungszahl könnten dort künftig bis zu 250 Personen unterkommen.
Beiratssprecher Martin Hornhues (CDU) betonte zu Beginn der Sitzung, dass der Beirat den Angriffskrieg auf die Ukraine geschlossen aufs Schärfste verurteilt. Dieser Satz findet sich auch im Beschluss des Beirats wieder. Der Beirat sehe sich "menschlich verpflichtet", den aus der Ukraine geflüchteten Menschen "auch hier im Stadtteil zu helfen". In dieser besonderen Situation in Europa sehe das Gremium es als "selbstverständlich" an, dass temporär von der festgelegten Höchstbelegungszahl abgewichen werden könne.
Es sei "in Ordnung", sagte Hornhues, dass das Sozialressort die Anfrage an den Beirat gestellt und nicht wie in der Vergangenheit "einfach Fakten geschaffen" habe. Er appellierte: "Wir sollten heute über diese konkrete Anfrage beraten und nicht über das sprechen, was wir in den vergangenen Jahren schon diskutiert und kritisiert haben." Eine ganz strikte Trennung sei indes nicht möglich, räumte er ein. "Die Kritik am Ressort aus vergangenen Zeiten bleibt bestehen."
"Kein Freibrief für die Zukunft"
Die Zustimmung des Beirats, die Höchstbelegungszahl vorübergehend aufzuheben, sei "kein Freibrief" für die Wohnnutzung in der Zukunft, so der Beiratssprecher. Im Beschluss heißt es denn auch, der Beirat erwarte, dass "nach – hoffentlich baldiger – Beendigung des Krieges in der Ukraine die Belegung der Wohnanlage zügig und frühzeitig wieder auf das vereinbarte Maß reduziert wird".
Außerdem knüpft der Beirat an seine Zustimmung Erwartungen. Das Sozialressort soll ein Konzept für die Betreuung der Menschen aus der Ukraine entwickeln, auch die Themen Schule und Kita mit berücksichtigen und dabei die Willkommensinitiative Lesum mit einbeziehen. Außerdem verlangt das Stadtteilparlament, dass die lange versprochene Schallschutzmaßnahme bis spätestens Ende des Jahres fertiggestellt wird.
Schließlich fordert der Beirat den Senat auf, ein Konzept für die Vorhaltung von Unterbringungsmöglichkeiten zu entwickeln und umzusetzen, um künftig kurzfristig auf steigende Flüchtlingszahlen reagieren zu können, "damit nicht wieder ad hoc Maßnahmen wie zum Beispiel Schulhallenbelegungen oder Abweichungen von Höchstbelegungszahlen notwendig werden".
Scharfe Kritik am Beschluss des Beirats kam von den Nachbarn des Wohnheims. Anwohner Fried Bielefeld sagte, auch wenn es um Menschen gehe und die Situation bedauernswert sei, erwarte er vom Beirat, dass er nicht von seinem ursprünglichen Standpunkt abweiche. "Eine Nachnutzung des Übergangswohnheims wurde vom Beirat ganz eindeutig abgelehnt. Die Ohnmacht des Beirats wurde uns in der Vergangenheit sehr vor Augen geführt. Wenn Sie sich jetzt umentscheiden, erschüttert das unser Vertrauen in die Politik endgültig." Für die Anwohner sei vonseiten der Behörden nichts getan worden, "kein Lärm-, Sicht- und Lichtschutz". Das Gebäude sei für die Unterbringung "völlig ungeeignet".