Es sind herzliche Gesten, großzügige Spenden und Hilfen aller Art, die den Ukrainerinnen und ihren Kindern das Gefühl geben, in Bremen-Nord willkommen zu sein. "Die Menschen sind alle sehr freundlich, warm und hilfsbereit. Das spüren wir", sagt Kateryna Rozhko. Die 34-Jährige spricht Ukrainisch; Studentin Kateryna Lagunova übersetzt ins Englische. Die zahlreichen kleinen Aufmerksamkeiten und Unterstützungsangebote von vielen Seiten führen dazu, dass sich die Frauen und ihre Kinder nach rund vier Wochen in Lesum schon etwas eingelebt haben. Und dass sie trotz der anhaltend schlechten Nachrichten aus ihrem Heimatland mittlerweile etwas entspannter wirken.
Am Anfang teilten sie sich die zwei Schlafzimmer und den Aufenthaltsraum zu neunt. Inzwischen leben in der oberen Etage der Alten Apotheke an der Hindenburgstraße nur noch zwei Familien: Kateryna Rozhko mit ihren Töchtern Polina und Mylana und Anna Fedko mit Sohn Artem und Tochter Yevgejia. Khrystyna Kopyl und ihre Tochter Diana sind inzwischen nur zwei Straßen weiter übergangsweise in einem kleinen Appartement untergekommen. Trotzdem kommen sie noch jeden Tag und das Team des Unternehmens Pensum, das die Familien in ihren Büroräumen beherbergt, unterstützt auch die beiden weiterhin nach Kräften. Eine weitere Ukrainerin, die zunächst in der Alten Apotheke untergekommen war, ist mittlerweile nach Ungarn zu Freunden gereist.
Kuchen, Geld und Fahrräder
Sie sei froh über die Hilfe und die Fürsorge, die sie alle erfahren, sagt Khrystyna Kopyl. Die große Zahl der herzlichen Reaktionen und Angebote hat alle überrascht. Sven Janßen, Geschäftsführer von Pensum, führt inzwischen eine Liste mit Kontaktdaten aller Unterstützer, die auf ganz unterschiedliche Weise geholfen haben oder noch helfen. "Eine ältere Dame stand mit einem selbst gebackenen Kuchen vor der Tür, ein Kegelclub hat seine gesamte Kasse mit 800 Euro gespendet und auch Privatpersonen und Firmenteams haben Geld gesammelt", zählt Janßen einige Beispiele auf. Mehrere Nordbremer haben den Ukrainerinnen und ihren Kindern Fahrräder geschenkt.
"Die Sachen kommen von Herzen, das merkt man", sagt der Geschäftsführer, "fast immer ist eine Karte mit einem Gruß dabei". Selbst an einem Fahrrad hing ein Zettel mit der Aufschrift "Herzlich willkommen" – in kyrillische Schrift. Auch Wohnungsangebote haben die Frauen inzwischen bekommen, sodass sie in Kürze voraussichtlich umziehen können. "Wir warten noch auf die Zusage für die Kostenübernahme", erläutert Janßen.
Erste deutsche Vokabeln
Alexandra Freitag, die in Lesum die Nachhilfe-Schule Lernraum betreibt, und ihre Mitarbeiterin Kirsten Richter geben den Frauen und ihren Kinder zweimal pro Woche ehrenamtlich Deutschunterricht. "Ich habe mehrere Jahre Deutsch als Fremdsprache und als Zweitsprache unterrichtet. Wir arbeiten mit Gesten, Bildern und Schauspiel", erläutert Freitag. "Es geht erst einmal um Vokabeln, weniger um Grammatik."
Ihr Unterricht ist offenbar erfolgreich. "Neulich saß ich beim Mittagessen und als die Frauen hereinkamen, haben sie mir einen guten Appetit gewünscht. Ich war ganz überrascht", erzählt Sven Janßen. Sogar ein Arbeitsangebot haben die Frauen schon bekommen. Die gebürtige Polin Katarzyna Szkudlarska, die in Lesumbrok das Restaurant Murkens Krug zur Fähre betreibt, hat ihnen einen Job in der Küche angeboten. "Wir könnten uns sicher verständigen", ist die Wirtin überzeugt. "Polnisch und Ukrainisch sind sehr ähnliche Sprachen. Außerdem spreche ich, wie die Frauen auch, Russisch."
Online-Unterricht aus der Ukraine
In ihrem Heimatland haben die Ukrainerinnen in ganz anderen Berufen gearbeitet. Khrystina Kopyl war Verkäuferin in einem Supermarkt, Kateryna Rozhko arbeitete im Außendienst eines Industrieunternehmens und Anna Fedko als Maschinenführerin. Neben dem Wunsch, wieder nach Hause zu kommen, steht für die Frauen derzeit die Schulausbildung ihrer Kinder im Vordergrund, übersetzt Kateryna Lagunova. "Sie machen sich Sorgen, dass sie durch die Flucht ein Schuljahr verlieren und hier in Deutschland keine Zeugnisse bekommen."
Bis auf die 14-jährige Diana werden die Teenager auch in Deutschland alle per Online-Unterricht weiterhin von ihren Lehrern aus der Ukraine unterrichtet. Artem macht während des Gesprächs fleißig seine Aufgaben. Der 14-Jährige, der in seiner Heimat ein Sportinternat besuchte, hat aber auch in Lesum schon Anschluss gefunden. Er spielt bei der Spielgemeinschaft HSG Lesum/St. Magnus Handball. "Er kommt gut an bei den Jungs, hat schon einem Spielerpass und war auch schon mit bei einem Auswärtsspiel", erzählt Thorben Schütze von der HSG.
Die Frauen haben bei Treffen in der St.-Martini-Gemeinde Kontakt zu anderen Familien aus der Ukraine bekommen. "Es waren etwa 20 Leute da. Das war sehr gut, wir konnten uns austauschen und Mylana konnte mit anderen Kindern spielen", sagt Kateryna Rozhko. Auch dieses Angebot, das von der Willkommensinitiative Lesum betreut wird, empfinden die Frauen als hilfreich. "Wir werden wieder hingehen."