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Jahresrückblick Mobilitätswende wirft ihre Schatten voraus

2022 war auch im Bremer Westen ein bewegtes Jahr. Das in allen drei Stadtteilen beherrschende Thema: die Mobilitätswende.
29.12.2022, 05:00 Uhr
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Mobilitätswende wirft ihre Schatten voraus
Von Anne Gerling

Manche gingen, andere kamen: Das Jahr 2022 hat dem Bremer Westen einige Abschiede beschert – aber auch manch neues Gesicht.

So ist im Januar Quartiersentwicklerin Svenja Weber mit dem Treffpunkt „Jetzt Hier“ gestartet, um die Nachbarschaft in der Überseestadt besser miteinander zu vernetzen. Im Februar übernahm Emre Altinöz als neuer Stadtteilmanager beim Gröpelingen-Marketing, und auch beim Verein der Findorffer Geschäftsleute gibt es mit Neil van Siclen seit Mai einen neuen Stadtteilmanager. Im Dezember schließlich hat Bremens Gröpelingen-Beauftragte Nele Klein ihren Dienst im Rathaus angetreten. Das Kulturhaus Walle Brodelpott ist im März 40 geworden und hat seitdem mit Roberta Menéndez eine neue Leiterin. Ebenfalls im März ist Renate Dwerlkotte in den Ruhestand gegangen, die als Quartiersmanagerin das Förderprogramm Wohnen in Nachbarschaften (WiN) in Oslebshausen koordiniert hat. Im Mai verabschiedete sich dann Kita-Planer Wolfgang Bulling nach mehr als 40 Jahren vom Bremer Westen, Ende Juni legte Ekkehard Lentz nach 30 Jahren sein Amt als ehrenamtlicher Tura-Pressesprecher nieder und im Oktober ging Streetworker Jonas Pot d’Or nach 26 Jahren in Gröpelingen in Rente. Ende Oktober schließlich ist der Waller Pastor Gunnar Held mit Familie nach Schweden ausgewandert und im Dezember schied Diako-Geschäftsführer Walter Eggers nach 31 Jahren aus dem Berufsleben aus.

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Im Februar sind die Bremer Philharmoniker von Findorff nach Woltmershausen umgezogen und im September dann auch noch dies: Die Hafenbar Golden City in der Überseestadt kündigte an, 2023 nicht wieder zu öffnen.

Was deutlich erfreulicher war: Anfang des Jahres feierten Bremens Beiräte 50. Geburtstag, beim Straßenbahndepot in Gröpelingen ist am Pfingstmontag zweieinhalb Jahre nach Start des großen Umbaus die neue Umsteigeanlage in Betrieb gegangen, in Gröpelingen hat das Lokale integrierte Gesundheitszentrum für alle (Liga) im September seine Beratungsstelle an der Lindenhofstraße eröffnet. Ebenfalls im September wurde der Familie-Schwarz-Platz beim Schlachthof eingeweiht, der an alle verfolgten und ermordeten Sinti und Roma erinnern soll.

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Die Berufsschule für Groß- und Außenhandel und Verkehr (BS GAV) ist von ihrem maroden Gebäude in Utbremen in einen Neubau in der Überseestadt umgezogen, und in Gröpelingen – wo es seit diesem Jahr ein neues Jugendforum gibt – konnten die Oberschule Ohlenhof und die Grundschule an der Humannstraße neue Schulgebäude beziehen. In Oslebshausen entsteht seit Februar ein Toom-Baumarkt, und im Grünen Bremer Westen ist ein fünf Kilometer langer Rundweg angelegt worden. Im August hat außerdem die Waller Quartiersmeisterei ihre Arbeit aufgenommen, die den Stadtteil mit weiterentwickeln soll. Es gab Beteiligungsverfahren zur Gestaltung des Torfkanal-Ufers in Findorff und der Parks Hilde (Hilde-Adolf-Park) und Franz (Franz-Pieper-Karree) in der Überseestadt. Im Oktober fiel außerdem die Entscheidung, ein Wochenendhaus-Pilotprojekt im Grünen Bremer Westen auf den Weg zu bringen. Im November schließlich beendete die Bremer Landesarchäologie nach fast eineinhalb Jahren die Ausgrabungen beim sogenannten Russenfriedhof an der Reitbrake.

Es war also einiges los im Bremer Westen. Und vor allem eines war 2022 in allen drei Stadtteilen deutlich zu spüren: das Voranschreiten der Mobilitätswende, durch die vor allem Autofahrer mit so manchen alten Gewohnheiten brechen müssen.

Gröpelingen und Oslebshausen

So erlebten im März Anwohner rund um die Straße An der Fuchtelkuhle eine unangenehme Überraschung: Wo sie jahrelang ihre Autos geparkt hatten, gab es plötzlich Kontrollen und Knöllchen. Die Begründung: ordnungswidriges Parken auf einem Grünstreifen. Ende Juli dann der nächste Schock: An der Oslebshauser Heerstraße wurden in Richtung stadtauswärts auf dem 800 Meter langen Stück zwischen der Hauptkreuzung und der Tucholskystraße zum Schutz der Straßenbäume vor parkenden Autos mehr als 100 Poller gesetzt. Damit stieg der Parkdruck im Quartier massiv an, die Anwohner schlugen Alarm und wandten sich – erfolglos – ans Ortsamt und ans Verkehrsressort.

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Ab September nahm außerdem die Diskussion um die zentrale Heerstraßenkreuzung in Oslebshausen wieder an Fahrt auf. Seit Jahren ist die unübersichtliche Kreuzung den Gröpelinger Ortspolitikern ein Dorn im Auge. Über das integrierte Entwicklungskonzept (IEK) Gröpelingen wurde 2021 eine Studie erstellt, die verschiedene Maßnahmen dazu auflistet, wie die Kreuzung vor allem für Radfahrer und Fußgänger attraktiver werden könnte. Empfohlen wird darin unter anderem, die Oslebshauser Landstraße durch Zufahrtsbeschränkungen „abzuhängen“. Autofahrer müssten somit Umwege durchs Wohnquartier fahren, um zum Einkaufen auf die andere Seite der Heerstraße zu gelangen. Eine Idee, die bei vielen Autofahrern ungläubiges Kopfschütteln auslöst. Sie soll aber trotzdem im Rahmen eines Verkehrsversuchs ausprobiert werden.

Keine Veränderung gab es 2022 im Bereich Seewenjestraße/Alter Winterweg – zum Leidwesen der Anwohner, denen zufolge dort oft deutlich zu schnell und auch über rote Ampeln gefahren wird. Der Beirat hatte deshalb bereits 2021 verschiedene verkehrsberuhigende Maßnahmen gefordert. Aber im Gröpelinger Parzellengebiet wurden erste Schritte in Richtung Verkehrsberuhigung gemacht: Dort bremsen seit Ende Juli Bodenschwellen am Pappelweg und am Mittelwischweg den Schleichverkehr aus.

Walle

Auch beim Waller Mäusetunnel im Hagenweg gibt es seit dem Sommer Bodenschwellen, um die auf 30 Stundenkilometer beschränkte Höchstgeschwindigkeit durchzusetzen. Der Beirat will den beliebten Schleichweg außerdem als Anliegerstraße ausweisen lassen, damit dort zukünftig weniger Autos unterwegs sind.

Einen empfindlichen Dämpfer erhielt 2022 in Walle allerdings die Diskussion um mehr öffentliche Plätze statt Flächen für den Autoverkehr: Anfang Mai erteilte das Mobilitätsressort der von Anwohnern entwickelten Idee eine Absage, die Elisabethstraße auf den etwa 80 Metern zwischen Vegesacker Straße und Bremerhavener Straße zu einem öffentlichen Platz zu machen. Diskussionsbedarf gibt es weiterhin in Sachen Bodelschwinghplatz, den manche für „nur zum Parken“ viel zu schön finden. Einen Erfolg immerhin konnte die Initiative „Sichere und lebendige Vegesacker Straße“ verbuchen: Anfang Dezember ist an der Vegesacker Straße Bremens erstes öffentliches Parklet aufgebaut worden, vier Parkplätze mussten dafür weichen.

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Finanziert wurde das Parklet vom Beirat, der auch andernorts 2022 etwas Konkretes erwirken konnte: Die Kohlenstraße darf seit Ende März nicht mehr in Richtung Autobahnzubringer befahren werden, wodurch sich der Verkehr im Gewerbegebiet Utbremen entspannt hat.

Findorff

Das Problem ist in vielen Teilen der Stadt das Gleiche, und es löst sich nicht von alleine. Die Autos sind im Laufe der Zeit immer länger und breiter geworden, und es gibt viel mehr davon, als in den Straßen untergebracht werden könnten. In puncto Mobilitätswende soll  Findorff ein Stück vorangehen – zumindest in der Theorie.  In den Wohnstraßen am Rande der Bürgerweide soll ein zweites Bewohnerparken-Quartier nach dem Modell des Hulsberg-Viertels umgesetzt werden. Der politische Wille zur Parkraumneuordnung und -bewirtschaftung ist da - doch in der Praxis wurde bislang noch kein sprichwörtlicher Stein bewegt.

Im Vorfeld wurden vom Beirat Verkehrsgutachten beauftragt und präsentiert, seitens des Mobilitätsressorts mögliche Szenarien skizziert, im Frühjahr ein Beteiligungsverfahren mit Straßenbegehungen und Online-Tool organisiert, doch der finale Betriebsplan lässt weiterhin auf sich warten. Der Knackpunkt: Die Ressorts für Mobilität und Inneres sind sich offensichtlich nicht einig darüber, wie streng und konsequent die Straßenverkehrsordnung in der Praxis umgesetzt werden soll. Eine Gruppe privater Klägerinnen und Kläger aus verschiedenen Bremer Stadtteilen setzte aber einen bundesweit mit Aufmerksamkeit beachteten Rechtsstreit gegen das aufgesetzte Parken in Gang, das in vielen eng besiedelten Wohnquartieren der Stadt Menschen den Weg und Rettungsfahrzeugen die freie Durchfahrt blockiert. Mit seinem aktuellen Urteil machte das Bremer Oberverwaltungsgericht im Dezember klar, dass es kein Gewohnheitsrecht auf aufgesetztes Parken gibt – auch in seiner bislang offiziell geduldeten Form – und der Staat nicht mehr länger darüber hinwegsehen darf. In welcher Form und wie schnell die Behörden nun reagieren müssen, bleibt indes abzuwarten. Im Findorffer Beirat hat man das Warten mittlerweile satt und will nun mit gezielten verkehrslenkenden Maßnahmen Tatsachen schaffen.

Auf mehr Platz und Sicherheit in den Wohnstraßen zwischen Findorff- und Hemmstraße kann man sich nun freuen – oder man kann sich ebenso nachvollziehbar fragen, wo wohl künftig die vielen Autos parken sollen, die sich anderswo möglichst legale Stellplätze suchen müssen. Es kann nur gemutmaßt werden, wie die Anwohnerinnen und Anwohner mehrheitlich dazu stehen. In den Findorffer Beiratssitzungen melden sich dazu bislang immer die gleichen Befürworter und Gegner des Vorhabens zu Wort.

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