Frau Reuther, erst gab es einen städtebaulichen Wettbewerb zur Neuen Strandlust, dann ein Votum des Vegesacker Beirates, der mehrheitlich alle Entwürfe ablehnt. Was nun?
Iris Reuther: Der Wettbewerb ist auf Grundlage einer Verabredung zwischen Stadt und Projektentwickler ausgelobt worden. Und diese Verabredung wiederum ist eingebettet in einen Beschluss der Baudeputation zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplans. Beirat und Öffentlichkeit sind über jeden Schritt des Verfahrens informiert worden und ihre Erwartungen sind auch im Ergebnis einer Bürgerwerkstatt in die Aufgabenstellung an die Wettbewerbsteilnehmenden eingeflossen. Nachdem zwei Sieger gekürt wurden, hat der Projektentwickler vor seiner endgültigen Entscheidung dem Stadtteilparlament vorgestellt, wie die Büros ihre Konzepte weiterentwickelt haben...
... Das Stadtteilparlament hat aber nicht nur zugehört, sondern sich auch positioniert – eben mehrheitlich gegen jeglichen Entwurf ...
... Nichtsdestotrotz ist der Projektentwickler den Wettbewerbsteilnehmenden verpflichtet, eine Entscheidung mitzuteilen, wer gewonnen hat.
Und was folgt nun aus der Ablehnung des Beirates?
Nun wird in der Baudeputation in Bezug auf den Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan über das Ergebnis des Wettbewerbes berichtet und natürlich auch über die Positionierung einer Mehrheit des Stadtteilparlamentes. Das gehört zusammen.
Welche Szenarien sind denn im Umgang mit dem Ergebnis aus dem Wettbewerb und dem aus dem Beirat denkbar?
Ich kann und darf das nicht beantworten. Als Senatsbaudirektorin bin ich verpflichtet, Verabredungen eines Ressorts mit einem Projektentwickler zu beachten. Und die Deputation ist frei in ihren Entscheidungen zur Bauleitplanung.
Und was ist mit der Forderung des Beirates, dass Verfahren für einen neuen Bebauungsplan abzubrechen und alles so zu belassen, wie es jetzt ist?
Auch das kann nur die Deputation entscheiden.

Senatsbaudirektorin Iris Reuther bei der Vorstellung der beiden Siegerentwürfe: Hohe Gebäude, sagt sie, sind immer auch ein schwieriges Thema.
Was bedeutet denn nun eigentlich mehr – eine Absichtserklärung zwischen Stadt und Projektentwickler oder das Nein eines Beirates?
In diesem Fall gibt es kein Entweder-oder. Das Entscheidende ist die Abstimmung der Deputation. Sie allein macht die Sache rechtsverbindlich.
Mit anderen Worten: Alles ist möglich – dass die Neue Strandlust kommt und dass sie nicht kommt?
Meine Einschätzung ist: Es geht hier nicht um Schwarz oder Weiß. Ich gehe davon aus, dass es weitere Gespräche mit allen beteiligten und interessierten Menschen aus Vegesack geben wird, um inhaltliche Aspekte des Bauvorhabens zu klären. Das Interesse an einer neuen Gastronomie ist ja bei fast allen aus dem Beirat groß.
Aber nicht in Kombination mit Wohnen ...
Die Belebung einer Adresse funktioniert aber nun einmal nicht, wenn es ausschließlich ein gastronomisches Angebot gibt.
Wie oft haben Sie es eigentlich erlebt, dass Stadtteilpolitiker zu einem Projekt erst Ja gesagt haben und andere später Nein?
Das passiert immer mal wieder und dabei verändern sich die Vorhaben. Bei einem Projekt in Mitte ist das beispielsweise zuletzt genauso vorgekommen wie bei einem Projekt im Westen der Stadt. Das war teilweise richtig heftig.
Und wie ist es für das Vorhaben im Bremer Westen ausgegangen?
Es ist gebaut worden. Kommunikation bedeutet schließlich auch, Kompromisse zu finden. Erst gab es einen großen Krach, dann hat man sich regelmäßig getroffen und auf einen Plan verständigt, der in diesem Fall weniger und andere Häuser vorsah. Das ist Demokratie.
Manchmal gibt es aber keinen Kompromiss: In Vegesack gab es mit dem geplanten Hochhaus von Stararchitekt Hadi Teherani schon einmal ein Vorhaben, gegen das Fraktionen so vehement angegangen sind, dass es nie gekommen ist. Was ist im heutigen Fall anders?
Anders ist, dass jetzt wesentlich offener und intensiver kommuniziert worden ist, wie das Verfahren ablaufen und was geplant werden soll. Diesmal waren auch die Menschen des Ortsamtes und des Beirates von Anfang an am Wettbewerb beteiligt. Außerdem sind den Fraktionen des Beirates und der Öffentlichkeit im Vorfeld der abschließenden Entscheidung alle Entwürfe vorgestellt worden.
Beim Teherani-Entwurf ging es den Kritikern um die Höhe, beim Strandlust-Entwurf geht es ebenfalls um sie. Was folgt für Sie daraus?
Dass große und hohe Gebäude immer auch ein schwieriges Thema sind. Dass es Adressen gibt, bei denen es angemessen ist, kleinteiliger zu bauen. Und dass sich eine Auseinandersetzung lohnt, weil sie mitunter Projekte am Ende noch besser macht.

Die Neue Strandlust als Modell: Der Footprint, also die bebaute Fläche, ist in etwas genauso groß wie bei der alten Strandlust.
Wie oft ist eigentlich in der Jury zum Strandlust-Wettbewerb über die Zahl von Geschossen gesprochen worden?
Natürlich haben wir über die Zahl von Geschossen gesprochen. Noch mehr aber über die Höhen von Gebäuden, wie sie sich in die Umgebung und die Topografie einfügen und welche Wirkungen sie auf die Nachbarschaft haben.
Die Projektentwickler haben sich am Ende für einen Entwurf entschieden, der eine niedrigere Strandlust vorsieht. Zufall oder eine Reaktion darauf, dass die Frage der Höhe auch eine Frage der Akzeptanz sein kann?
Es gibt natürlich keine Zufälle bei einem Wettbewerb. Die Höhe war nicht der einzige Grund für die Wahl des Entwurfs, der die Neue Strandlust als Teil eines Ensembles aus fünf Häusern vorsieht und nicht als markantes Solitärgebäude. Auch die Größe der Gebäudegruppe bietet viele Vorteile. Ihr Footprint, also die bebaute Fläche ist etwa genauso groß wie bei der alten Strandlust, sodass – im Vergleich zum anderen Siegerentwurf – der Stadtgarten nebenan mehr zur Geltung kommt. Außerdem gibt es jetzt mehr Zugänge zum Gelände und damit zur Maritimen Meile.
Und wie viele Wohnungen sind nun vorgesehen?
Das steht noch nicht fest. Entschieden ist dagegen, dass es 30 Prozent sozialen Wohnungsbau geben und es ausschließlich um Mietwohnungen gehen soll.
Für welchen Entwurf hätten Sie sich eigentlich entschieden, wenn Sie am Ende die Wahl gehabt hätten?
Ich habe mich ganz bewusst für zwei erste Preise entschieden. Und das nicht zum ersten Mal. Mir war klar, dass ein markantes Gebäude an diese Stelle von Vegesack passt, aber auch, dass es ganz viel Stadtgarten braucht.
Und wenn Sie sich nun auf einen einzigen Entwurf festlegen müssten...
...dann müsste ich trotzdem sagen, dass ich für beide Entwürfe gleichviel Sympathie hätte.