Ungarns Regierungschef Viktor Orban spricht als EU-Dauerkritiker mal wieder vom „unglücklichen und pharisäerhaften Europa“, dessen „Schicksal an einem Strohhalm hängt“. Das kleine Euroland Slowenien hält jetzt dagegen. Unter Führung seines Staatspräsidenten Borut Pahor haben Intellektuelle und Politiker die „Ljubljana-Initiative“ aus der Taufe gehoben. Ihr Ziel: Die kränkelnde Union soll von Grund auf reformiert werden. Und dazu wurde gleich ein kompletter „Entwurf einer EU-Verfassung“ vorgelegt.
Von einer existenziellen Krise ist derzeit fast überall in der EU die Rede, und auch Reformvorschläge aller Art haben Konjunktur – eben nicht nur in Brüssel, sondern auch in den entlegenen Ecken der Gemeinschaft. Für die slowenischen Vordenker liegt jedenfalls auf der Hand, warum ihr grundlegender Reparaturvorschlag berechtigt und notwendig ist: Die jahrelange Finanzkrise bedrohe den Euro, Terrorismus und illegale Immigration schafften neue existenzbedrohende Probleme, heißt es als Begründung der Initiative. Eine exzessive EU-Bürokratie, fehlende demokratische Legitimation der Entscheidungsträger, unklare Machtverteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedsstaaten sowie der Brexit verschärften die Lage.
Juraprofessor Peter Jambrek (77), ehemaliger Präsident des slowenischen Verfassungsgerichts, mit vielen Funktionen im EU-Rechtssystem sowie Lehrender an den renommiertesten US-Universitäten, hatte schon im vergangenen Jahr den Text einer EU-Verfassung vorgelegt. Der slowenische Präsident macht ihn sich jetzt zu eigen. Und er hat ihn bereits auch dem neuen österreichischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen vorgestellt. Der ist offenbar nicht abgeneigt: „Ich begrüße diese Initiative ausdrücklich“, sagte Van er Bellen, denn „so wie bisher kann es nicht weitergehen“.
Einige Kernpunkte des Vorschlags: Schaffung einer europäischen Staatsbürgerschaft; Zulassung von europaweiten Parteien; das EU-Parlament soll aus zwei Kammern bestehen: der direkt gewählten Versammlung der Bürger und der Nationenkammer als Vertretung der Mitgliedsstaaten. Deren Mitglieder werden von den nationalen Parlamenten bestimmt. Ein mit sehr weitgehenden Kompetenzen ausgestatteter EU-Präsident wird von den Bürgern direkt gewählt.
Die Initiatoren wollen die Kompetenzen Brüssels beschneiden. Allerdings soll die Zentrale für den Schutz und die Kontrolle der EU-Außengrenzen sowie den Zoll zuständig sein. Neue Mitglieder müssen ihr Beitrittsgesuch sowohl vom EU-Parlament als auch den nationalen Volksvertretungen absegnen lassen. Die Prozeduren zum Verlassen der EU werden in dem Entwurf vereinfacht.
Die Vorschläge sind nach Angaben der Initiatoren bereits der sogenannten Venedig-Kommission vorgelegt worden. Die berät den Europarat in verfassungsrechtlichen Fragen. Man habe dort ebenfalls positiv reagiert, heißt es. Im nächsten Schritt wird Pahor Anfang Februar in Berlin vorstellig. Die Bundesregierung war allerdings bisher skeptisch gegenüber Änderungen der EU-Verträge. Denn damit werde die „Büchse der Pandora“ geöffnet, mit unabsehbaren Folgen für die Zukunft der Gemeinschaft, heißt es.
Auch „von Brüssel und vor allem vom EU-Kommissionspräsidenten können wir keine Unterstützung erwarten“, sagt der frühere slowenische Außenminister Dimitrij Rupel. Die Initiatoren hoffen auf Unterstützung in den Mitgliedsländern.