Das Urteil soll bis Sommer fallen, aber offenbar zeichnet sich bei der öffentlichen Anhörung eine gewisse Tendenz ab: Das Bundesverfassungsgericht hat sich am Dienstag mit mehreren Klagen zu der Frage befasst, ob die aktuelle Bemessung der Grundsteuer mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs verstößt sie gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Über eine Reform wird seit etlichen Jahren diskutiert. Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) hat das Thema 2007 von ihrem Vorgänger Ulrich Nußbaum geerbt, der sich, so Linnert, bereits im Namen Bremens für eine neue Bemessungsgrundlage starkmachte. Insgesamt geht es um Einnahmen von knapp 14 Milliarden Euro, die pro Jahr in die Kassen von Städten und Gemeinden fließen, und damit um zehn Prozent der kommunalen Steuereinnahmen. Bremen erzielte 2017 knapp 166 Millionen Euro aus der Grundsteuer B. In Niedersachsen wird das Grundsteueraufkommen auf rund 1,3 Milliarden Euro beziffert.
Veraltete Werte
Die Reform gilt als überfällig, weil der sogenannte Einheitswert, der der Bemessung – neben kommunal festgelegten Hebesätzen – zugrunde liegt, aus den Jahren 1964 (alte Bundesländer) beziehungsweise 1935 (neue Länder) stammt, also auf veralteten Werten (wie Mieterträgen) beruht. Wertsteigerungen finden nur nach Ermessen Berücksichtigung. Die Folge ist, dass Besitzer von älteren Gebäuden in der Regel weniger Grundsteuern zahlen als die von neuen Häusern und Wohnungen.
In Bremen, so Karoline Linnert, sei nach einer Modellrechnung aus dem Jahr 2009 die Grundsteuer für ein 140 Quadratmeter großes Reihenhaus in Schwachhausen mit einem Wert von 300.000 Euro günstiger als für ein halb so großes Appartement in der Vahr für 100.000 Euro. „Das ist eine systematische Verzerrung.“ Es gehe ausdrücklich nicht darum, durch eine Reform auf Kosten von Eigentümern und Mietern, auf die die Grundsteuer umgelegt werden darf, mehr Geld in Bremens Kassen zu spülen, beteuert Linnert. „Wir wollen nicht mehr Geld einnehmen, aber wir wollen die Belastung gerechter verteilen.“
Für eine Reform gibt es diverse Modelle. Eines richtet sich allein nach Umfang der Flächen, Bremen favorisiert eine bundesweit einheitliche Bemessung, die sich nach dem aktuellen Wert des Grundstücks und der Immobilie richtet. Das Verfahren sei aufwendig, weil jedes Grundstück und jedes Gebäude einer neuen Bemessung bedürfe, das sei dank entsprechender IT-Programme in den Griff zu bekommen, wenngleich nicht von heute auf morgen. „Die vor uns stehende Aufgabe ist beachtlich“, sagt auch Linnerts niedersächsischer Amtskollege Reinhold Hilbers (CDU). In Niedersachsen müssten rund 3,5 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Dennoch ist auch Hilbers von einer Reform überzeugt: „Wir müssen die Grundsteuer möglichst rasch auf eine neue, zukunftssichere und gerechte Basis stellen.“
Eine wichtige Einnahmequelle für Kommunen
„Wir verfolgen die Diskussion um die Grundsteuer mit großer Sorge“, sagt der Geschäftsführer des niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Berthold Ernst. Eine Reform sei überfällig, gleichwohl brauche es einen Vorlauf von mindestens acht bis zehn Jahren, um die Einheitswerte zu aktualisieren. Die Grundsteuer sei eine wichtige Einnahmequelle für Kommunen, da sie anders als die Gewerbesteuer nicht von der Konjunktur abhängig ist. Bereits vor gut zehn Jahren habe das Bundesverfassungsgericht „Schulaufgaben an die Politik verteilt, die bis heute nicht erledigt wurden“, kommentiert Ingmar Vergau, Geschäftsführer von Haus & Grund Bremen, die Anhörung. „Das Karlsruher Urteil wird den politischen Druck erhöhen, die Reform der Grundsteuer voranzutreiben. Sowohl die Bürger in Bremen als auch die Kommune Bremen selbst hat einen Anspruch auf Rechts- und Planungssicherheit.“
Die Mehrheit der Finanzminister hat bereits zu einem gemeinsamen Berechnungsmodell gefunden, das auf dem Boden- und Gebäudewert basiert. Bayern und Hamburg sind dagegen. Argumentiert werde mit außergewöhnlichen Immobilien wie am Starnberger See, so Linnert, für die die Grundsteuer enorm steige. Ähnlich argumentiert der Eigentümer-Verband Haus & Grund. Laut einer vereinseigenen Analyse, in die Daten von mehr als 500 Eigentümern aus dem Bundesgebiet eingeflossen seien, „würde sich die Grundsteuer bei einigen Eigentümern vervierzigfachen“, so Vergau. Linnert lässt das nicht gelten: Für krasse Einzelfälle seien Übergangslösungen oder Staffelungen denkbar.