Erfolg macht mutiger, auch im Fußball. Und obwohl Werder in dieser Saison erst einigermaßen erfolgreich ist (Platz zwölf in der Liga nach einem Drittel der Saison und Achtelfinale im DFB-Pokal), waren zuletzt außergewöhnlich mutige Aussagen zu hören. Oft ging es um den Europapokal, denn die Sehnsucht nach großen Flutlichtspielen ist gerade in Bremen ein wundervolles Thema. „Das treibt uns an“, rief Vereins-Chef Klaus Filbry dem Saalpublikum bei der Mitgliederversammlung fast schon beschwörend zu, „wir wollen wieder diese Flutlichtnächte erleben.“ Für diese Saison sei das kein Ziel, betonte Filbry, „aber mittelfristig“.

Grün auf Weiß ist die Werder-Kolumne des WESER-KURIER, in der Chefreporter Jean-Julien Beer einen Blick hinter die Kulissen des Bremer Traditionsvereins wirft, Zusammenhänge erklärt und Entwicklungen einordnet.
Auch Clemens Fritz spricht immer wieder vom Europapokal, er hat es als Spieler erlebt, wie elektrisierend solche Fußballnächte im Weserstadion sein können. Werder müsse zwar demütig bleiben, das ist Fritz wichtig, „aber auch mutig und ambitioniert“. Dafür, dass er noch nicht viele große Reden als Geschäftsführer gehalten hat, haute er zuletzt sehr pointiert die Sätze raus, wie die Redenschreiber im US-Wahlkampf. „Die Frauen-Bundesliga soll die führende Liga werden“, legte er fest – was sehr ambitioniert und sehr mutig ist angesichts der Konkurrenz in England, Spanien oder den USA. Aber man nimmt ihm ab, dass er mehr dafür tun will, als es bei Werder lange Jahre gelebte Praxis war. Denn Fritz sagt über den Frauenfußball auch: „Wir wollen nicht nur über Chancengleichheit reden, sondern sie auch leben.“
Erst Intensivstation, jetzt Tatendrang
Tarek Brauer ist der dritte Mann unter den Geschäftsführern, auch er hat zuletzt viele kluge Reden gehalten, und die Begrifflichkeiten ähneln sich. Brauer, ein studierter Jurist, vor allem aber ein begnadeter Redner, ist bei Werder unter anderem für die Bauprojekte zuständig. Hier der verlegte Gästeblock, dort der Umbau der halben Pauliner Marsch. „Hoch ambitioniert“, das hört man auch bei ihm sehr oft. Und auch er sagt: „Wir lassen den Worten Taten folgen.“
Werder wirkt wie ein Verein im Aufbruch. Nach der Pandemie und dem Abstieg lag der Verein noch auf der Intensivstation, dieses Bild hat Filbry gerade erst benutzt. Wer dort liegt, mit dem kann es schnell vorbei sein. Jetzt aber sprüht Werder wieder vor Lebensfreude und Tatendrang – und wird deutschlandweit auch so wahrgenommen. Erst die Nominierungen von Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch fürs DFB-Team, zwei echte Bremer Nationalspieler! Dann der Einstieg eines regionalen Investoren-Bündnisses mit einer Finanzspritze von 38 Millionen Euro. Es folgte der öffentliche Hinweis von Peter Niemeyer, Werders Leiter Profifußball, dass Torhüter Michael Zetterer das Zeug für die Nationalmannschaft hat – auch das sorgte bundesweit für Werder-Schlagzeilen. Und nun die deutlich formulierten grün-weißen Europapokal-Ambitionen.
Dabei ist auf dem Rasen und in der Tabelle nicht viel passiert. Vor einem Jahr war Werder nach elf Spieltagen ebenfalls Zwölfter der Bundesliga, damals zwischen Wolfsburg und Heidenheim, heute zwischen Wolfsburg und Hoffenheim. Minimale Unterschiede. Und doch wird Werder nun anders wahrgenommen, weil Werder sich anders darstellt. Statt die schlechte Heimbilanz in der Hinrunde zu bedauern, hob Filbry zuletzt das Auswärtsphänomen hervor: Als Werder vor einer Woche noch Zweiter der Auswärtstabelle war, stellte er das in den Zusammenhang mit den mitreisenden Fans: „Keiner bewegt mehr Fans zu Auswärtsspielen. Wir schaffen das alle gemeinsam.“ In seiner Diktion ist Werder nicht mehr der mit 20 Millionen Euro bei Banken verschuldete Verein, sondern einer, der dieses Darlehen „schon 2026 komplett getilgt hat."
Deutlich zurückhaltender tritt Ole Werner auf. Seine Besonnenheit führte in Werders chaotischem Zweitliga-Winter einst dazu, dass die Mannschaft wieder auf Kurs kam. Er hat seither jedes Saisonziel erreicht, ohne groß darüber zu reden. Er wirkt auch jetzt, wo Werder ambitionierter und mutiger kommuniziert, als sei er gegen all das geimpft, wenn man dieses Bild bei Werder-Trainern noch benutzen darf. Vergangene Woche wurde das deutlich. Es war ein echter Werner-Klassiker, aufgeführt in zwei Akten: Durch lobende Worte von England-Profi Füllkrug wurde Werner medial aufs Podest des spielerverbessernden Supertrainers gehoben, es wurde plötzlich so viel Gutes über ihn zusammengetragen, wie sonst meist nur auf Trauerfeiern. Werner aber blieb sich treu. Er freue sich, sagte er, wenn frühere Spieler sich so wertschätzend äußern. Dann folgte sein Aber: „Es ist ja Sinn und Zweck der ganzen Veranstaltung, die Mannschaft und einzelne Spieler zu entwickeln.“ Er weiß: Er ist immer noch Zwölfter der Bundesliga, weit weg von Europa. Er wird nur an Taten und Punkten gemessen. Siege sind im Fußball immer bedeutender als Worte.