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Impulse für Neubaugebiete Neue Ideen für das Altbremer Haus

Altbremer Häuser sind in der Stadt allgegenwärtig. In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele Reihenhäuser wie hier. Die alten Häuser können Anregungen für Neubauten liefern, sagen Experten.
26.03.2018, 15:22 Uhr
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Neue Ideen für das Altbremer Haus
Von Sara Sundermann

Bremens Stadtbild ist durch Altbremer Häuser geprägt – eine besondere Form der Reihenhäuser, die es seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt. Könnten künftig verstärkt Neubauten entstehen, die Elemente der Bremer Altbauten aufnehmen? Das regte zuletzt Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) an. Im Rahmen des "Zukunftsdialogs" benannte er Impulse für die wachsende Stadt. Einer davon: Auf größeren Flächen für den Wohnungsbau wie dem Hulsberg-Quartier und der Galopprennbahn gelte es, den Architekturtypus Bremer Haus in einer modernen Form fortzuentwickeln, sagte Sieling bei einem Pressegespräch im Rathaus.

Die schmalen Reihenhäuser mit den farbigen, verzierten Fassaden sind beliebt. Ihre Besonderheiten kennt wohl fast jeder Bremer: Ein angehobenes Erdgeschoss, eine kleine Treppe, die zur Haustür führt und auf der es sich an lauen Sommerabenden gut sitzen und mit den Nachbarn schnacken lässt. Drinnen ein Windfang, eine Holztreppe und eine gute Stube mit Schiebetür. Oben kleine Dachzimmer, unten das Souterrain, das zum Garten führt.

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Die Idee, den Typus Bremer Haus weiter zu entwickeln, sei immer wieder diskutiert und zum Teil auch umgesetzt worden, sagt Eberhard Syring, Architekturprofessor an der Hochschule Bremen und Leiter des Bremer Zentrums für Baukultur (bzb). Die Allgegenwart der Bremer Häuser ist tatsächlich eine Besonderheit, stellt er klar: „Es gibt in keiner deutschen Stadt so viele Reihenhäuser wie in Bremen – zur selben Zeit wurden woanders in Deutschland Mietskasernen gebaut.“ Hannover, Oldenburg und Berlin sehen anders aus – dort entstanden Blockbauten. In Bremen aber waren Wohnblöcke auch politisch nicht gewollt.

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In den 1970er-Jahren entstanden – befördert durch den damaligen Senatsbaudirektor Eberhard Kulenkampff – neue Reihenhäuser, die sich am Bremer Haus orientieren, sagt Eberhard Syring – „leider nicht zentral gelegen, sondern nur in Randlagen unter anderem in Hemelingen und Blumenthal". Auch auf dem Stadtwerder baute das Wohnungsbauunternehmen Brebau zuletzt eine Reihe von Gebäuden, die sich am Bremer Haus orientieren, darauf verweist Syring. Letztlich sei aber nur eine Reihe statt der anfangs geplanten drei Reihen der Häuser gebaut worden. Auch in Baulücken in dicht besiedelten Innenstadtvierteln entstanden immer wieder Gebäude, die sich am Stil der benachbarten Altbremer Häuser orientieren.

Syring schlägt vor, sich neu und vertieft mit dem Bremer Haus zu beschäftigen: „Ich finde es eine gute Idee, als Stadt des Bremer Hauses darüber nachzudenken, wie man diesen Gebäudetyp neu interpretieren kann – aber dann auch so, dass die neuen Reihenhäuser für Leute mit mittlerem Einkommen bezahlbar sind, das fände ich hoch attraktiv." Dafür könne man einen Ideenwettbewerb ausschreiben, der auf kleinteiligere Bauten in innenstadtnahen Lagen abziele. Syring: „Es würde darum gehen, intelligente Lösungen für einen Haustyp zu finden, den man kostensparend in serieller Bauweise viele Male errichten kann, aber bei dem man gleichzeitig – wie beim Bremer Haus – die Fassade individuell variieren kann.“

Klar ist für Fachleute: Vieles am Bremer Haus ist unpraktisch. Einiges würde man heute so nicht mehr bauen. Die schmucken Reihenhäuser sind mit ihren Treppen nicht barrierefrei, ein oft eher düsteres Souterrain sagt vielen nicht zu, und die alten Häuser sind oft hellhörig. Andere Besonderheiten aber sind beliebt – wie zum Beispiel die Holzböden, die hohen Decken und der durchgängige Wohnraum, der zu zwei Seiten des Hauses Ausblicke nach draußen bietet.

Architektenkammer ist skeptisch

Sollte man das Bremer Haus neu erfinden und für Neubaugebiete nutzen? „Wir brauchen neue Quartiere, die bunt und vielfältig sind, in denen es verschiedene Gebäudetypen gibt“, sagt Oliver Platz, Präsident der Bremer Architektenkammer. Ein komplettes Quartier mit Reihenhäusern im Stil der Altbremer Häuser zu bauen, hält er für nicht sinnvoll.

Es sei richtig, dass zuletzt viele Geschosswohnungsbauten in Bremen entstanden seien, denn diese hätten in der Stadt gefehlt. „Aber natürlich müssen wir das Bremer Haus weiterentwickeln, das ist schließlich die Grundstruktur der Stadt“, sagt Platz. „Diesen Haustyp weiterzudenken lohnt sich auf jeden Fall.“ Denkbar sei zum Beispiel, zwei Bremer Reihenhäuser quasi übereinander zu stapeln. „Dafür gibt es schon Vorbilder in London.“

Oliver Platz nennt eine Besonderheit des Bremer Hauses, die man für neue Wohngebiete nutzen könnte: „Bremer Häuser haben meist eine Vorzone vor dem Haus, einen kleinen privaten Bereich, wo man sitzen kann. Das belebt die Straße, das könnte man auch bei Neubaugebieten einplanen.“

Altes nicht vortäuschen

Der Baubehörde zufolge sollen in mehreren Neubaugebieten wie zum Beispiel in Bremen-Nord an der Billungstraße auch Reihenhäuser entstehen. In anderen Neubaugebieten, zum Beispiel auf dem Gelände des neuen Hulsberg-Quartiers in der Östlichen Vorstadt oder in der Gartenstadt Werdersee, sollen überwiegend größere mehrgeschossige Häuser entstehen.

Manche Architekten und Stadtplaner raufen sich die Haare, wenn Laien fragen, ob nicht Neubauten im Stil der Altbremer Häuser entstehen könnten statt würfelförmiger Großbauten wie in der Überseestadt. Neues erfinden, nicht Altes vortäuschen, das ist für viele Architekten Teil des Berufsethos. Und an der Frage, welche historisierenden Bauten geschmacklos sind, scheiden sich die Geister. Pseudohistorische Säulen vorm Hauseingang stoßen viele ab.

Doch es gibt Neubauten, die Altes aufgreifen und dennoch bei unterschiedlichen Akteuren auf positive Resonanz stoßen: Ein Beispiel dafür sind die Wohngebäude, die zuletzt im Stephaniviertel am Weserufer entstanden und an die Packhäuser erinnern, die einst die Schlachte prägten. Oliver Platz: „Diese Gebäude geben einen Hinweis darauf, was sich an dieser Stelle früher befand, ohne dabei tatsächlich wie ein historisches Packhaus zu wirken.“

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