Es ist aus. Aus und vorbei. Nach mehr als 90 Jahren geht in Bremen eine Bratwurst-Ära zu Ende. Die Firma Kiefert wird aufgelöst und schließt Ende des Monats ihren letzten Imbissstand. Kiefert hatte in der Innenstadt zu Spitzenzeiten an acht Standorten Wurst verkauft, sehr prominent zum Beispiel am Liebfrauenkirchhof. Zuletzt war das Unternehmen nur noch in der Bahnhofstraße vertreten, nachdem im vergangenen Jahr der Betrieb direkt am Hauptbahnhof aufgegeben worden war. Damals schon und jetzt wieder ist die Begründung die gleiche: das Bahnhofsumfeld mit Drogen, Dreck und Gewalt. Zustände, die von Kiefert als unhaltbar empfunden werden.
„Das hat uns krank gemacht“, klagt Marianne Kiefert. Die Belastung für die Wurstverkäuferinnen sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Pöbeleien, eingeschlagene Scheiben, die mehr oder weniger offen gehandhabten Geschäfte der Dealer, Überreste von Drogenkonsum wie gebrauchte Spritzen und Blut – das habe an den Nerven gezehrt und auch Gefahr bedeutet. „Kiefert steht für Qualität und Sauberkeit; in so einer Umgebung ist das schlecht zu vermitteln“, sagt die Unternehmerin. Die Drogenszene überziehe mittlerweile den gesamten Bereich zwischen Bahnhof und Wallanlagen. Stark betroffen sei zum Beispiel der Hillmannplatz.
Unternehmen in dritter Generation
Die Würstchen-Dynastie besteht seit 1931 und wird in der dritten Generation geführt. Unternehmensgründer war Otto Kiefert. Als er starb, übernahm unmittelbar nach dem Krieg sein Sohn den Betrieb. Martin Kiefert expandierte stark und beschäftigte bis zu 150 Angestellte. Er war bis ins hohe Alter ein agiler Mann. Von ihm ging die Firma an Joachim Kiefert über, der sie bis heute mit seiner Frau Marianne führt.
Angefangen hat alles dort, wo es jetzt endet: mit einem Stand in Bahnhofsnähe. Ein Jahr später kam die Filiale am Brill hinzu. 1937 öffnete Kiefert den Verkaufsraum im alten Küsterhaus der Liebfrauenkirche. Dort war Ende 2022 Schluss, nachdem sich Mieter und Vermieter nicht darüber einigen konnten, wer die Kosten für dringend erforderliche Brandschutzmaßnahmen tragen muss.
Kiefert hatte früh auf die Situation am Bahnhof hingewiesen. "Mein Mann und ich sind verzweifelt, weil uns nicht geholfen wird", sagte Marianne Kiefert damals gegenüber dem WESER-KURIER. Eine Kritik, die sie jetzt wiederholt: „Wir sind im Stich gelassen worden.“ Unzählige Briefe an den Senat seien folgenlos geblieben. „Warum tut niemand etwas?“, fragt die Frau, „das geht doch so nicht weiter.“ Einmal habe der Bürgermeister angerufen und sich erkundigt. Nette Geste von Andreas Bovenschulte (SPD), doch gebracht habe sie nichts. „Wir sind einerseits traurig, dass uns die Umstände zu dieser Entscheidung zwingen. Andererseits aber auch froh, dass wir das nicht mehr länger ertragen müssen.“
Ganz verschwinden werden Kiefert und die Geschichte des Unternehmens nicht. Es gibt schließlich noch den legendären Wurstpavillon, der jahrzehntelang vor dem Hauptbahnhof stand. Entworfen hatte ihn vor dem Krieg Bremens renommierter Architekt Eberhard Gildemeister. Der Pavillon war von Bomben zerstört worden, wurde von Martin Kiefert wieder aufgebaut und bestand danach nicht mehr aus Holz, sondern aus Leichtmetall. Am Bahnhof musste der Pavillon irgendwann weichen. Er wurde eingelagert, schmückte danach die Markthalle Acht am Domshof und wird später einmal auf dem Außengelände des Focke-Museums seinen Platz finden.
"Sie kennen die Diskussionen zu diesem Umfeld"
Dass Kiefert den Betrieb einstellt und als Grund die Verhältnisse in der Bahnhofsgegend anführt, passt ins Bild. Vor einigen Monaten hatte die Sparkasse Bremen ihren Standort zwischen Hillmannplatz und Hauptbahnhof infrage gestellt. Die Filiale liegt direkt neben der Wurstbude. "Sie kennen die Diskussionen zu diesem Umfeld. Wir überlegen, ob und wie wir uns da verändern können", erklärte Sparkassen-Chef Tim Nesemann im Interview. Die Kunden und Mitarbeiter der Bank fühlten sich dort nicht wohl. Sie würden von offenem Drogenhandel, von vielen Obdachlosen und der hohen Polizeipräsenz berichten. „Das zusammen schafft ein Gefühl der Unsicherheit – gerade in der dunklen Jahreszeit. Wir suchen deswegen nach Alternativen“, so Nesemann.
Polizisten waren auch am Montag wieder in der Bahnhofsstraße zu beobachten. Sie untersuchten unter anderem die Außenwände des Wurstpavillons, offenbar werden die Ecken und Kanten dazu benutzt, Drogen zu verstecken.