In Berlin wird darum gerungen, welche Parteien die künftige Bundesregierung bilden. Sondiert werden derzeit zwei Modelle: eine Ampel- und eine Jamaika-Koalition. Auch ein Bündnis von SPD und Union, eine sogenannte Groko, bleibt möglich. Auf Länderebene gibt es größere Regierungsvielfalt.
Ein Überblick über die Koalitionen und ihren Zustand.
Bremen
Rot-grün-rot wird Bremen seit Mitte 2019 regiert. SPD, Grüne und Linke haben mehrere Belastungsproben hinter sich. In Fragen der Corona-Politik und der Verkehrspolitik – vor allem bei der Neugestaltung der Domsheide und der Martinistraße – herrschte immer wieder Uneinigkeit, teils wurde der Streit offen ausgetragen. Und zuletzt gab es hinter den Kulissen Uneinigkeit über die unterschiedliche Haltung der Regierungspartner zu einem Landesaufnahmeprogramm. So weit, dass sich ein Bruch abgezeichnet hätte, ist es aber nicht gekommen.
Niedersachsen
Nach Jahrzehnten gegenseitiger Abneigung rauften sich SPD und CDU im November 2017 zur Großen Koalition zusammen. „Keine Liebesheirat, sondern Vernunftehe“, beschrieb Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) das Bündnis. Es sorgte für den beitragsfreien Kindergarten, entschärfte mit dem „Niedersächsischen Weg“ zum Artenschutz den Streit zwischen Landwirtschaft und Umweltverbänden und steuerte standfest durch die Pandemie. Ein Jahr vor der Landtagswahl tun sich nun aber immer mehr Risse zwischen den Partnern auf.

Diese Koalitionen regieren in den Bundesländern: ein Überblick.
Hamburg
Der gebürtige Bremer Peter Tschentscher steht seit 2018 an der Spitze einer rot-grünen Landesregierung in Hamburg. Politische Streitthemen gibt es immer wieder, doch am Ende ist die gemeinsame Richtung klar: Vorfahrt für alles, was der Umwelt dient. Hamburg schafft im großen Stil Parkplätze ab, verteuert die Parkgebühren, baut Radwege und S- und U-Bahnen. Über Cum-Ex-Geschäfte schütteln die Bürger zwar die Köpfe, aber laut Infratest Dimap sind 66 Prozent der Menschen mit der Regierung und ihren Bürgermeistern zufrieden.
Nordrhein-Westfalen
Das bevölkerungsreichste Bundesland wird seit 2017 von Schwarz-Gelb regiert. Die Zusammenarbeit in Düsseldorf funktioniert reibungslos. Der Draht zwischen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und FDP-Chef Christian Lindner gilt als eng. Es bleibt abzuwarten, ob die Koalition unter dem designierten Laschet-Nachfolger, Verkehrsminister Hendrik Wüst, weiter geräuschlos arbeiten wird. In Umfragen hatte das Bündnis zuletzt an Zustimmung verloren, unter anderem wegen der umstrittenen Corona-Politik von Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP).
Rheinland-Pfalz
Seit 2016 regiert in Mainz eine Ampelkoalition zwischen SPD, FDP und Grünen, die vom Wähler zuletzt im März 2021 bestätigt wurde. Die Zusammenarbeit läuft unter Moderation von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geräuschlos, lediglich die Grünen hatten im vergangenen Jahr einen Skandal wegen unrechtmäßiger Beförderungen auszustehen, der zum Rücktritt ihrer Umweltministerin Ulrike Höfken führte. Aus Rheinland-Pfalz schaffte zuletzt FDP-Generalsekretär Volker Wissing den Sprung in die Bundespolitik.
Saarland
Nicht viel deutet daraufhin, dass im kommenden Jahr die Große Koalition abgewählt wird. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat keine starke Opposition zu fürchten, seine Wiederwahl aber ist nicht sicher. Bei der Bundestagswahl rutschte die CDU im Saarland auf 23,6 Prozent und damit hinter die SPD (37,3). Bei den Grünen gab es ein langes Gerangel um die Spitzenkandidatur, bei den Linken zoffte sich Fraktionschef Oskar Lafontaine öffentlich mit dem Landesvorsitzenden Thomas Lutze und warf ihm Manipulation vor.
Hessen
Seit 2014 bilden CDU und Grüne eine Koalition, in der es wenig öffentliche Differenzen gegeben hat. Das liegt auch an Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und seinem Vize Tarek Al-Wazir (Grüne), die genau beobachten, dass kein Keil zwischen die regierenden Parteien getrieben wird. Bouffier behauptet sogar: „Es gibt in Deutschland keine Regierung, die so vertrauensvoll, respektvoll und verlässlich arbeitet wie wir.“ Was auch daran liegt, dass beide Parteien unterschiedlichen Positionen einbringen, ohne sich persönlich zu attackieren.
Baden-Württemberg
Ministerpräsident Winfried Kretschmann machte möglich, was viele im Ländle – jahrelang fest in CDU-Hand – für unmöglich hielten: Er steht seit 2016 einer grün-schwarzen Koalition vor, in dem die Grünen Seniorpartner sind. Dass das Bündnis im Mai verlängert worden ist, spricht für sich. Ein erklecklicher Anteil des Erfolgs wird Kretschmann zugerechnet, der das Bündnis bewusst als eines der Mitte versteht und sich – ähnlich wie einst Henning Scherf während der Großen Koalition in Bremen – Differenzen pragmatisch stellt.
Bayern
Die CSU in Bayern hat mit der SPD in Bremen gemein, dass die Parteien seit Jahr und Tag den Ministerpräsidenten stellen. Doch nach Jahrzehnten mit absoluten Mehrheiten im Landtag musste sich die CSU 2018 einen Partner suchen – für ein Bündnis mit der FDP (wie von 2008 bis 2013) reichten die Sitze nicht. Die Wahl fiel auf die Freien Wähler (FW) mit Hubert Aiwanger an der Spitze. Das Verhältnis zwischen CSU und FW gilt persönlich, teils auch inhaltlich als angespannt, aber für beide als nützlich genug, um durchzuhalten.
Schleswig-Holstein
Hoch im Norden regiert seit vier Jahren Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit einer Jamaika-Koalition. Seinem Kabinett gehörte für ein Jahr auch Robert Habeck als Umweltminister an, bevor er im Herbst 2018 als Grünen-Chef nach Berlin wechselte. Das Bündnis selbst fiel zunächst eher durch innerparteiliche Probleme auf, etwa den Polizeiskandal des CDU-Innenministers. Angesichts der Landtagswahl im Mai 2022 wird der Ton zwischen den drei Partnern aber rauer. So herrscht Zwist um Steuern und Gendern.
Mecklenburg-Vorpommern
Nach der Landtagswahl vom 26. September zeichnet sich in Mecklenburg-Vorpommern eine Neuauflage von Rot-Schwarz ab. Dieses Regierungsbündnis bildet seit 2008 den Wählerwillen ab. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat die notwendige Autorität. Das stellte sie zuletzt bei der Abberufung des CDU-Innenmisters Lorenz Caffier im November 2020 unter Beweis. Umstritten ist die strenge Corona-Politik der Landesregierung, da der Tourismus im Küstenland der wichtigste Wirtschaftszweig ist.
Berlin
Die Bundeshauptstadt wurde bisher von Rot-Rot-Grün regiert, im Wahlkampf das Schreckgespenst der Konservativen. Die Bilanz des scheidenden Regierenden Bürgermeisters Michael Müller fällt negativ aus. Die Wohnungsnot konnte trotz diverser Eingriffe des Senats kaum gelindert werden. Auch in anderen Bereichen agiert die Hauptstadt-Verwaltung hart an der Grenze des Staatsversagens. Müllers designierte Nachfolgerin Franziska Giffey (SPD) hält sich für die Zukunft alle Koalitionsoptionen offen.
Brandenburg
Brandenburg ist seit der Wende ein traditionelles SPD-Land, hinzu kommen grüne Neubürger in den Städten und ein konservativer Mittelstand. In der rot-schwarz-grünen Koalition sorgt die Corona-Politik für Streit. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat der grünen Gesundheitsministerin nach diversen Pannen die Koordination abgenommen und an den CDU-Innenminister übergeben. Der grüne Agrarminister Axel Vogel legt sich regelmäßig mit Waldbesitzern und Landwirten an.
Sachsen-Anhalt
Alles scheint besser zu sein als eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Deshalb hat Ministerpräsident Reiner Haseloff nach den Landtagswahlen im Juni 2021 eine Deutschland-Koalition aus CDU, SPD und FDP geschmiedet. Teile seiner eigenen Partei scheinen gegen ihn zu arbeiten. Bei den Wahlen zum Ministerpräsidenten vor zwei Wochen benötigte der 67-Jährige einen zweiten Anlauf. Eine Blaupause für den Bund könnte das Experiment mit FDP-Frau Lydia Hüskens als Digital- und Infrastrukturministerin sein.
Sachsen
Als Vernunftehe lässt sich die Koalition in Sachsen beschreiben. Der gemeinsame Gegner AfD schweißt unterschiedliche Parteien wie die CDU, SPD und Grüne zusammen. Aber in der Corona-Politik kommt es zwischen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und SPD-Sozialministerin Petra Köpping immer wieder zu Konflikten. Bei der Bundestagswahl wurde die AfD im Freistaat stärkste Partei. Sollte sich der Siegeszug der Rechten fortsetzen, dürfte es 2024 noch schwieriger werden, gegen sie eine Regierung zu bilden.
Thüringen
Nach der verlorenen Bundestagswahl sieht es für den einzigen Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow, schlechter aus denn je. Zwar agiert der Ministerpräsident landesväterlich, doch seine Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen seit März 2020 steht chronisch auf der Kippe. Wann der nächste Landtag gewählt wird, ist unklar. Streitpunkte in dem Bündnis bleiben das Thema Bildung und die Corona-Politik. Bei Neuwahlen könnte die CDU ein Tabu brechen und mit der AfD gemeinsame Sache machen.