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Große Koalition Schulz bestätigt Verzicht auf Außenministerium

Schluss für Schulz: Der Noch-Parteichef der SPD rettet sich nun doch nicht ins Außenamt. Er verzichtet auch darauf, um ein Ja der Mitglieder für eine neue große Koalition nicht zu gefährden. Behält nun Sigmar Gabriel seinen Posten?
09.02.2018, 14:05 Uhr
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Von Kordula Doerfler, Damir Fras, Nina Willborn und Hans-Ulrich Brandt

Der offene Machtkampf zwischen Ex-Parteichef Sigmar Gabriel und dem scheidenden SPD-Chef Martin Schulz hat deren Partei in die schwerste Krise der jüngeren Geschichte gesteuert. Überraschend erklärte Schulz nach den an ihn von Gabriel geäußertem Vorwurf des Wortbruchs am Freitag, er wolle nun doch nicht Außenminister in einer möglichen Großen Koalition werden. Zugleich beugte sich Schulz damit dem Druck aus Teilen der SPD-Basis und der Parteispitze, er möge auf das Amt verzichten. Besonders der mitgliederstärkste Landesverband in Nordrhein-Westfalen hatte Schulz‘ Entscheidung, als Minister in eine Regierung Merkel gehen zu wollen, massiv kritisiert.

Auch aus Teilen der Bremer SPD kam Kritik. Während Bürgermeister Carsten Sieling, Mitglied im SPD-Bundesvorstand, zum Rückzug von Schulz nichts sagen wollte, begrüßte SPD-Landeschefin Sascha Aulepp die Kehrtwende. „Die Entscheidung von Martin Schulz ist gut. Jetzt wird die Debatte nicht mehr von Personalfragen überschattet, wir können uns auf Inhalte konzentrieren. Dass Martin Schulz am Ende kein Minister in der neuen Regierung wird, ist richtig und eine Frage der Glaubwürdigkeit.“ Die Bremer SPD-Bundestagsabgeordnete Sarah Ryglewski sagte: „Eine gute Entscheidung, die uns beim Mitglieder-Entscheid hilft.“

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Andreas Bovenschulte, Bürgermeister von Weyhe und ehemaliger Bremer SPD-Chef, setzte sich für einen Verbleib von Gabriel im Amt des Außenministers ein. „Wir haben mit Sigmar Gabriel einen guten Außenminister. Er sollte es auch bleiben.“ Zunächst blieb aber unklar, wer nun das Amt des Außenministers übernehmen soll. Gabriel bekam unter anderem auch Unterstützung vom konservativen Seeheimer Kreis in der SPD. Dessen Sprecher Johannes Kahrs twitterte: „Sigmar Gabriel ist ein sehr guter Außenminister. Sigmar Gabriel sollte Außenminister bleiben.“

Eine unausweichliche Entscheidung

CDU-Landeschef Jörg Kastendiek bewertete den Rückzug Schulz‘ als „konsequenten Beitrag zur generellen Glaubwürdigkeit der Politik“. Angesichts der aktuellen Kritik sei die Entscheidung „unausweichlich“ gewesen. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der für die SPD in der Groko das Amt des Finanzministers übernehmen soll, sagte am Rande des Schaffermahls in Bremen, Schulz habe damit sicherstellen wollen, dass es „strikt um die Sache“ gehen solle, also um die Zustimmung für den Koalitionsvertrag. Der niedersächsische Ministerpräsident und SPD-Landeschef Stephan Weil sagte, Schulz werde seiner Verantwortung gerecht. Die Entscheidung der Mitglieder über einen Regierungseintritt der SPD dürfe „nicht von Personalfragen überlagert sein“. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von einem Schritt, der von „beachtlicher menschlicher Größe“ zeuge.

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Schulz hatte am Freitagnachmittag in einer schriftlichen Erklärung seinen Verzicht begründet. Die Diskussion um seine Person gefährde einen Erfolg des Mitgliedervotums über den Koalitionsvertrag, so Schulz. Deswegen erkläre er seinen „Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung“ und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet seien. „Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurückstehen müssen.“

Werbetour gegen den Koalitionsvertrag

Auch nach Schulz‘ Rückzug bleibt ungewiss, ob das ausreicht, um die Groko-Gegner in der SPD umzustimmen. Juso-Chef Kevin Kühnert begann am Freitagabend in Leipzig wie geplant mit seiner öffentlichen Werbetour gegen den Koalitionsvertrag. Er betonte, trotz des Rückzugs von Schulz an seiner Kampagne gegen die Groko festhalten zu wollen. „Rücktritte hat man hinzunehmen“, sagte er. „Wir als Jusos stellen uns seit Wochen darauf ein, inhaltliche Diskussionen zu führen, unabhängig davon, wer welche Ämter anstrebt.“

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Ärger gibt es in der SPD auch über die von Schulz am Mittwoch bekannt gegebene Entscheidung, Andrea Nahles solle zukünftig den Parteivorsitz übernehmen. Einige SPD-Linke und Gegner einer Groko haben einen offenen Brief an Schulz und den Parteivorstand geschrieben, in dem sie eine Urwahl des Parteivorsitzes fordern.

Die Stellungnahme von Martin Schulz

Zwei Tage nach der Ankündigung von Martin Schulz, Außenminister werden zu wollen, verzichtet der scheidende SPD-Chef darauf - seine Erklärung vom Freitagnachmittag im Wortlaut:

"Der von mir gemeinsam mit der SPD-Parteispitze ausverhandelte Koalitionsvertrag sticht dadurch hervor, dass er in sehr vielen Bereichen das Leben der Menschen verbessern kann. Ich habe immer betont, dass - sollten wir in eine Koalition eintreten - wir das nur tun, wenn unsere sozialdemokratischen Forderungen nach Verbesserungen bei Bildung, Pflege, Rente, Arbeit und Steuer Einzug in diesen Vertrag finden. Ich bin stolz sagen zu können, dass das der Fall ist. Insbesondere ist die Neuausrichtung der Europapolitik ein großer Erfolg. Umso mehr ist es für mich von höchster Bedeutung, dass die Mitglieder der SPD beim Mitgliedervotum für diesen Vertrag stimmen, weil sie von dessen Inhalten genauso überzeugt sind, wie ich es bin. Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum allerdings gefährdet. Daher erkläre ich hiermit meinen Verzicht auf den Eintritt in die Bundesregierung und hoffe gleichzeitig inständig, dass damit die Personaldebatten innerhalb der SPD beendet sind. Wir alle machen Politik für die Menschen in diesem Land. Dazu gehört, dass meine persönlichen Ambitionen hinter den Interessen der Partei zurück stehen müssen." (dpa)

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