Wie genau die begehrte Trophäe aussehen würde, wusste Niclas Füllkrug bis zum allerletzten Moment nicht. „Ich habe nicht gegoogelt, nicht nachgeschaut“, sagte der Stürmer des SV Werder Bremen lachend, als er die begehrte Torjägerkanone der Fußball-Bundesliga endlich in den Händen hielt. „Ich lüge euch da wirklich nicht an und mache mir über sowas auch aus mentalen Gründen vorher keine Gedanken. Aber dass ich sie jetzt habe, freut mich natürlich, denn ich bin ein Spielertyp, der sich auch über Tore definiert.“ 16 Stück sind es am Ende, während der abschließenden 0:1-Niederlage bei Union Berlin kam keines mehr dazu. Was zur Folge hatte, dass sich Füllkrug den Titel des besten Torschützen mit Christopher Nkunku von RB Leipzig teilen muss, der es dank eines finalen Doppelpacks ebenfalls auf 16 Treffer bringt. Ein Umstand, den es erstmals seit 20 Jahren wieder gab und der den Werder-Angreifer durchaus wurmte.
„Wenn ich ehrlich bin, kitzelt mich das schon ein bisschen – allein deswegen, weil ich jetzt die letzten fünf, sechs Wochen außer Gefecht gesetzt war“, gestand Füllkrug, der aufgrund einer Wadenverletzung lange zuschauen musste. Seinen letzten Treffer erzielte der 30-Jährige deshalb bereits Anfang April während des 2:2 beim FSV Mainz 05. „Es war schon ein bisschen nervig, zu sehen, wenn andere treffen und ich nicht nachziehen kann. Dementsprechend glaube ich schon, dass da das ein oder andere Tor mehr drin gewesen wäre.“ So aber unterboten Füllkrug und Nkunku, der im Laufe der Saison ebenfalls verletzt war, gemeinsam den bisherigen Negativrekord der Liga-Historie. Roland Wohlfarth (FC Bayern München) und Thomas Allofs (1. FC Köln) hatten in der Saison 1988/89 ebenso wie 1995/96 Fredi Bobic (VfB Stuttgart) jeweils 17 Tore markiert.
Kapitän Marco Friedl war dennoch voll des Lobes für seinen Teamkollegen. „Das ist eine sensationelle Leistung. Wenn du bei einem Aufsteiger 16 Buden machst, dann spricht das für deine Qualität“, schwärmte der Innenverteidiger. „Das ist herausragend, ich freue mich riesig für ihn. Er muss sie sich jetzt teilen, aber das ist doch wurscht. Er ist Torschützenkönig, da ist es scheißegal, ob er sie sich teilen muss.“ Auch Cheftrainer Ole Werner war sichtlich begeistert: „Das ist eine Wahnsinns-Leistung, in erster Linie von ,Fülle‘ selbst. Er erlebt eine Karriere, in der es nicht immer geradeaus ging. Doch er hat sich immer wieder von Rückschlägen zurückgekämpft, sich jetzt sogar noch einmal weiterentwickelt.“ Und was meinte der Nationalstürmer selbst? Der reagierte ganz gelassen und scherzte sogar: „Ich finde es lustig, wenn man es auch mit 16 Toren schafft. Das ist ein cooler Rekord für mich. Ein gutes Pferd springt nur so hoch wie es muss.“
Wesentlich mehr dürfte er sich strecken müssen, um die restliche Mannschaft zufriedenzustellen. Marco Friedl erwartet nämlich nicht weniger als eine amtliche Sause. „Jetzt muss er den Geldbeutel schon mal richtig aufmachen und tief reingreifen. Wenn da weniger als ein Abendessen, bei dem wir dann alle dabei sind, rumkommt, bin ich schon mega enttäuscht“, meinte der Österreicher. „,Fülle‘ ist aber lange genug im Fußballgeschäft, der hat schon das eine oder andere Mal gesehen, wie ein anderer Profi einen ausgegeben hat. Da wird er also keine Tipps brauchen.“ Und so wie es aussieht, dürfen sich Friedl und Co. in der Tat freuen. „Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht. Aber ich glaube, ich lasse mir immer etwas Gutes und Lustiges einfallen“, meinte Füllkrug. Die Fans wären dagegen am glücklichsten, wenn der Angreifer auch künftig an der Weser seine Tore schießt. Einen Angriff auf die nächste Torjägerkanone nimmt. Doch auch bei der Frage nach seiner Zukunft sucht der Publikumsliebling noch die passende Lösung. „Ich weiß es wirklich selbst noch nicht“, versicherte er.
Die Zukunft von Niclas Füllkrug ist derweil noch völlig offen. Doch der Stürmer des SV Werder Bremen deutete an, dass er gewisse Vorstellungen hat für den Fall, dass er auch kommende Saison für die Grün-Weißen stürmen soll. Dabei geht es nicht nur um einen besser dotierten Vertrag, sondern auch um einen stärkeren Kader.
„Es gibt natürlich schon auch Handlungsbedarf in dieser Mannschaft. Da wird entscheidend sein, dass man gute Entscheidungen trifft und nachbessert, um dann nächste Saison vielleicht auch eine andere Kategorie in der Tabelle angreifen zu können“, meinte der 30-Jährige, der mit seinem Team die Bundesliga-Saison auf Platz 13 abgeschlossen hat. Natürlich weiß er um die finanzielle Situation seines Vereins. Im Sommer ist ein Transferplus eigentlich zwingend erforderlich, und das bedeutet nun einmal den Abschied von Leistungsträgern wie zum Beispiel Füllkrug, der als frischgebackener Torschützenkönig eine hohe Ablösesumme einbringen könnte. „Man muss sich entscheiden, wo es hingeht, in welche Richtung man gehen will. Möchte man jetzt vielleicht den nächsten Schritt gehen oder möchte man die finanzielle Situation aufbessern? Da muss sich Werder einfach klar positionieren und dementsprechend die Entscheidungen treffen“, meinte Füllkrug und fügte noch an: „Ich glaube aber, dass das unabhängig von meiner Personalie ist.“
Gespräche mit der Klubführung in der kommenden Woche
Eher das Gegenteil ist der Fall. Füllkrug nimmt eine Schlüsselrolle in den Zukunftsplanungen des SV Werder ein. Der Klub liebäugelt durchaus mit einer Ablösesumme von über 20 Millionen Euro für seinen besten Profi und würde dann wohl auch schwach werden. Ein Verbleib können sich die Verantwortlichen auch vorstellen, allerdings würde der nicht ganz billig. Bei der vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2025 vor einem Jahr wurde vereinbart, dass Füllkrug ab dem 1. Juli 2023 rund 30 Prozent weniger verdient als aktuell – also knapp unter zwei Millionen Euro pro Spielzeit. Das ist immer noch viel Geld, aber nach seiner starken Saison auch etwas paradox. „Sympathisch, ne?“, reagierte Füllkrug amüsiert auf diesen Passus, der nicht mehr passend erscheint: „Ja, eher weniger, aber damals war es so, weil ich für mich eine gewisse Ruhe wollte und mich bei Werder einfach sehr gut gefühlt habe. Ich fand auch, dass es ein gutes Zeichen nach außen war, das kam ja auch viel von mir. Man muss schauen, in welche Richtung das jetzt geht. Ich weiß es ja auch nicht.“
Füllkrug beteuert, dass er sich bislang nicht wirklich mit seiner Zukunft beschäftigt hat. Sein voller Fokus lag auf der aktuellen Saison. Auch jetzt sei er „total entspannt, von mir gibt es keinen Druck in irgendwelche Richtungen. Eine Tendenz kann ich erst haben, wenn ich weiß, was für Dinge auf dem Tisch liegen.“
Schon in der kommenden Woche könnte ein bisschen Bewegung in die Geschichte kommen. Werder hat bereits vor geraumer Zeit Gespräche mit Füllkrug und dessen Beratern angekündigt. Der Stürmer wartet ab und hat für sich auch keinen Fahrplan festgelegt: „Es ist nicht so, dass ich rausgeekelt werde oder ich mich rausekel - also von daher ist das alles gar kein Problem.“