Stuhr-Brinkum. Vor Kurzem sind die ersten Geflüchteten aus dem Flutgebiet in der Ukraine in der Gemeinde Stuhr angekommen – nur wenige Tage nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Einmal mehr fanden sie schnelle Unterstützung beim Team des Flüchtlingsnetzes Stuhr an der Bremer Straße 5 in Brinkum. Das Team feiert nun das sechsjährige Bestehen seines Treffpunkts B5.
Mitinitiatorin Ute Sydow ist von Beginn an dabei. Über den positivsten Aspekt des ehrenamtlichen Engagements sagt sie: „Ich habe immer mit allen gut zusammengearbeitet.“ Angesammelt haben sich in dieser Zeit viele berührende Erlebnisse. Darunter finden sich auch viele Beispiele gelungener Integration, von Zugezogenen, die unter schwierigen Startbedingungen ihren Weg erfolgreich beschritten haben. „Viele haben es geschafft und sind integriert“, betont Sydow ohne die Herausforderungen auf der anderen Seite auszublenden.
Trotz der Erfolge und der etablierten Infrastruktur in Stuhr blickt Sydow kritisch auf das Wirken der Initiative. „Im Moment reicht mir das nicht. Ich würde gerne mehr erreichen“, betont sie. Besonders gelegen ist ihr an der Förderung der Kinder, für die sie sich noch mehr Unterstützung wünscht. Auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt würde sie gerne intensiver fördern.
Alles lässt sich mit dem kleinen Team eben nicht stemmen. Den Treffpunkt, den Umsonstladen und die Fahrradwerkstatt betreiben die Ehrenamtlichen mit viel Einsatz und Engagement. „2017 hatten wir 40 Ehrenamtliche, jetzt ist noch eine Handvoll übrig“, bedauert Sydow und Mitstreiterin Dörthe Siemers-Wulff ergänzt: „Wir könnten jeden Tag aufmachen, wenn wir genug Leute hätten.“ An der Nachfrage seitens der Geflüchteten würde ein erweitertes Angebot sicher nicht scheitern.
Bewährt haben sich auch neue Formate wie der Umsonstladen gleich neben dem Treff an der Bremer Straße. Im März 2022 setzten die Freiwilligen das Projekt um, um den ankommenden Ukrainern schnelle Hilfe anzubieten. „Keiner hat damit gerechnet, was daraus entsteht“, staunt Sydow über die große Resonanz. Im Durchschnitt zählen die Ehrenamtlichen rund 20 Familien, die sich bei jedem Öffnungstag hier neue Ausstattung für die Wohnung besorgen. „Wir bekommen alles und alles geht weg“, sagt Siemers-Wulff. Besonders gefragt sei Küchenausstattung wie Geschirr, Besteck, Bratpfannen oder Kochtöpfe: „Das brauchen wir immer.“ Auch Kinderspielzeug und Schulranzen freuten die jungen Gäste stets. Nur bei den Büchern gebe es mangels Sprachkenntnissen ein Überangebot.
Bedenklich findet Sydow, dass viele Geflüchtete im Moment keine Deutsch- und Alphabetisierungskurse erhielten. „Früher gab es den sofort“, moniert sie. Die Sprachkurse seien Dreh- und Angelpunkt, um in Deutschland Fuß zu fassen. Viele Herausforderungen, die durch die Sprachbarriere entstünden, ließen sich so leicht bewältigen. In den Unterkünften gebe es außerdem nicht immer Internet, was vor allem für die Schulkinder problematisch sei.
Oft fehlten auch grundlegende Informationen. Angefangen damit, dass manche nicht wüssten, dass und welche Hilfen sie bei der Gemeinde erhalten könnten. Auch der Weg von Seckenhausen zum Rathaus sei vielen nicht bekannt. Um Anträge auszufüllen, kämen sie dann zum Treff, um Hilfe zu bekommen. „Wir machen Arbeit, die die Ämter machen müssten“, sagt Siemers-Wulff dazu.
Unklar ist indes noch, wie es mit dem Standort des Stuhrer Flüchtlingsnetzes weitergeht. Im Zuge der Neugestaltung des Brinkumer Ortskerns soll auch das Gebäude an der Bremer Straße 5 abgerissen werden. „Wahrscheinlich müssen wir 2025 gehen“, sagt Sydow. Neue Räumlichkeiten, in denen Treff, Umsonstladen und Fahrradwerkstatt untergebracht werden könnten, seien noch nicht gefunden.
Die Ehrenamtlichen hoffen, dass sich noch eine Alternative findet, um die Arbeit fortzusetzen. „Sonst eskaliert das noch mehr. Wir fangen hier viel ab“, sagt Sydow. Ohne die Unterstützung der Aktiven bei Behördenangelegenheiten dürfte es auch im Rathaus anders aussehen, vermutet sie. Denn auch in den kommenden Jahren dürften trotz der zunehmend restriktiven Antwort der Europäischen Union (EU) auf Fluchtbewegungen noch Menschen in Stuhr ankommen, die Unterstützung suchen.