Im Brinkumer Flüchtlingstreff B5 an der Bremer Straße spielen die Kinder. Ihre Eltern sitzen draußen vor der Tür und unterhalten sich. Mitten im Geschehen ist wie so oft Dörthe Siemers-Wulff. Die 73-Jährige engagiert sich seit Jahren in der Integrationsarbeit in der Gemeinde Stuhr. Und nicht nur das: Auch politisch, in der Gleichstellungsarbeit, der Kunst oder in der Kirche ist und war sie aktiv. "Kunst, Kinder, Computer und Kirche", so fasst sie selbst ihre ehrenamtliche Arbeit zusammen. Für ihr Engagement wurde Siemers-Wulff nun auch mit dem Stuhrer Wolf ausgezeichnet.
Dass sie einmal in der Gemeinde Stuhr so aktiv sein würde, nennt Siemers-Wulff eine Fügung des "Schicksals". Geboren wurde sie in Stuhrs Nachbarkommune Delmenhorst. Nach einer kaufmännischen Ausbildung studierte sie dann in Kiel Bildhauerei. Alleinerziehend mit zwei Söhnen kehrte sie in die Delmestadt zurück und arbeitete, "um Geld zu verdienen" und ihre Kunst zu finanzieren, im Einzelhandel. 2009 lotste ihr Sohn, der bereits in Seckenhausen wohnte, sie in seine Nähe nach Brinkum.
Und da begann dann die vielfältige Engagementsgeschichte von Dörthe Siemers-Wulff: Auf dem Weg zu ihrer neuen Wohnung sei sie damals am Brinkumer Frauentreffpunkt Sie(h) da an der Jupiterstraße vorbeigekommen, der ihr sofort ins Auge fiel, erzählt Siemers-Wulff. "Da wollte ich mal hin", habe sie gedacht. Da sie bereits Computer-Kenntnisse besaß, wollte sie diese auch an andere weitergeben und Internet-Kurse anbieten. Das Angebot stieß sofort auf Gegenliebe. Aber: "Es gab keine Computer", erzählt Siemers-Wulff rückblickend mit einem Schmunzeln.
Geräte aus dem Gefängnis
Die damalige Stuhrer Gleichstellungsbeauftragte Annegret Merke hatte aber bereits eine Idee. In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Oslebshausen bereiteten Insassen alte Computer für gemeinnützige Organisationen auf. "Dann haben wir drei Computer aus dem Gefängnis geholt", sagt Siemers-Wulff.
Durch das Engagement im Sie(h) da, in dessen Vorstand Siemers-Wulff auch tätig war, kamen dann die anderen Tätigkeiten nach und nach dazu. Durch ihre Computer-Kenntnisse kam sie zur Gemeindebriefredaktion in Brinkum, für die sie auch heute noch arbeitet. Durch ihren künstlerischen Hintergrund fiel ihr auch ein Angebot der Gemeinde Stuhr ins Auge. Diese suchte Interessierte, die die Ausstellungen in der Künstlerstätte Heiligenrode beaufsichtigen. "Das passte super für mich", erinnert sich Siemers-Wulff. Dadurch sei sie in Kontakt mit dem damaligen Künstlerinnennetz Stuhr gekommen, mit dem sie auch zwei Ausstellungen in Heiligenrode absolvierte.
Politisch engagiert
Ebenfalls über das Sie(h) da und Annegret Merke kam Dörthe Siemers-Wulff an ihr politisches Engagement. Sie sei immer schon am Umwelt- und Naturschutz interessiert gewesen. "Ich hatte zwischen dem BUND und den Grünen überlegt", sagt Siemers-Wulff. Daher nahm sie am Mentoring-Programm für mehr Frauen in der Politik teil. Ihre Mentorin wurde die heutige Grünen-Fraktionschefin im Stuhrer Gemeinderat und Landratskandidatin Kristine Helmerichs. Von 2011 bis 2021 vertrat Siemers-Wulff dann die Grünen im Stuhrer Gemeinderat. Zeitgleich übernahm sie auch Aufgaben im Kreisvorstand der Grünen. Eigentlich hatte sich Siemers-Wulff bereits aus dem Kreisvorstand verabschiedet, seit dem Europawahlkampf ist sie aber wieder für die Auftritte der Kreis-Grünen in den Sozialen Netzwerken Facebook, Instagram, X (vormals Twitter) und Tiktok sowie die Internetseite zuständig.
Ende 2014 begann auch ihr Engagement in der Flüchtlingsarbeit in Stuhr. Zunächst gab es regelmäßige Treffen im Sie(h) da, bei denen Geflüchtete Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen bekamen. Später zog das Flüchtlingsnetz in die Räume an der Bremer Straße 5, wo sich auch heute noch der Treffpunkt B5 befindet. Siemers-Wulff kümmert sich dort vor allem um die Kinder. "Die Kinder von damals sind heute fast erwachsen", blickt sie auf ihre Arbeit zurück. Während die Kinder spielen und für die Schule unterstützt werden, erhalten die Erwachsenen unter anderem Hilfe bei Behördengängen oder Formularen. Auch im angrenzenden Umsonstladen ist Siemers-Wulff aktiv.
Wie es mit dem B5 in Zukunft aussieht, steht allerdings in den Sternen. Im Zuge der Ortskernumgestaltung in Brinkum soll unter anderem auch das jetzige Gebäude weichen. "Unsere Deadline ist Oktober", blickt Siemers-Wulff auf die ungewisse Zukunft. Bisher habe das Flüchtlingsnetz noch keine neuen Räume in Aussicht.
"Es ist nicht das Gefühl, ich tue jetzt etwas und dafür möchte ich etwas zurückhaben", sagt sie über ihr ehrenamtliches Engagement und ergänzt pragmatisch: "Ich mache es einfach, weil es gerade gebraucht wird." Bei der Arbeit mit den Kindern komme aber auch "immer etwas zurück". Es fühle sich nicht nach Arbeit an: "Es ist Vergnügen." Solange sie es gesundheitlich schaffe, möchte sie weitermachen.
Seit rund zwei Jahren widmet sich Dörthe Siemers-Wulff auch wieder vermehrt der Kunst. Zunächst malte sie, dann ging es an eine alte Leidenschaft: "Ich habe vor 20 Jahren mal Gedichte geschrieben", erzählt die Brinkumerin. Vorgelesen von einer Künstlichen Intelligenz (KI) und untermalt mit eigenen digitalen Kunstwerken veröffentlicht Siemers-Wulff diese auf ihrem eigenen Kanal bei der Online-Video-Plattform Youtube. Auch bei Tiktok ist sie aktiv.