Es heißt, Alleinerziehende, vor allem berufstätige, eigneten sich im Grunde für jede Top-Management-Position. Dass sie das Rüstzeug dazu mitbrächten, bewiesen sie tagein, tagaus, indem sie im übertragenen Sinne gleichzeitig auf einem Einrad jonglierten, telefonierten und kopfrechneten. So in etwa müsse man sich vorstellen, was Alleinstehende mit Kind oder Kindern zu leisten hätten.
Multitasking sei gar kein Ausdruck. Alleinerziehend ist es übrigens ebenso wenig. Wer allein erzieht, der sorgt sich und versorgt allein, verantwortet allein, geht allein zu Elternabenden, bewältigt Krisen und hält Konflikte mit Pubertierenden allein aus. Ehefrauen und -männer sind ebenfalls oft doppelt gefordert.
Aber wenn man niemanden hat, der mal eben dieses oder jenes erledigt, mit anpackt, einspringt und einem in Krisen beisteht, ist das schon ein gewaltiger Unterschied. Es braucht nicht furchtbar viel Einfühlungsvermögen, um halbwegs zu erahnen, wie groß der Kraftakt sein muss, ein oder mehrere Kinder allein großzuziehen, ohne sich dabei selbst aufzugeben.
Alleinerziehende sind prädestiniert dafür, zwischen wirklich allen Stühlen zu sitzen. Wollen sie sich beruflich verwirklichen und lassen dafür ihre Kinder von morgens bis abends von anderen betreuen, sind es Rabenmütter oder -väter. Stellen sie ihr berufliches Fortkommen hintenan, sind es Mutter- oder Vatertiere, denen prophezeit wird, dass sich das eines Tages bitter rächen werde.
Die andere Variante rächt sich natürlich auch. Nicht nur Alleinerziehende, sie aber in ganz besonderer Weise, leiden unter einem Trugbild des frühen 21. Jahrhunderts: unter dem Versprechen von der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder gar Familie und Karriere.
Es macht weis, dass man als Mensch von Welt und von heute alles haben und sein kann, wenn man nur will, sich ordentlich vernetzt und durchorganisiert. Der „Stern“ schreibt vom „Supereltern-Mythos“, die „Zeit“ von der „Vereinbarkeitslüge“, einem Ideal, an dem man scheitern muss. Beruf und Familie lassen sich nicht unter einen Hut bringen, sondern höchstens quetschen. Wenn nur einer quetschen kann, muss er sich besonders anstrengen.
Bremen bemüht sich um Alleinerziehende. Die besondere Aufmerksamkeit gilt denen, die am meisten auf staatliche Hilfe angewiesen sind: Frauen mit Kindern, aber ohne Arbeit, Einkommen, oft auch Berufsausbildung. Diverse Programme bieten Unterstützung, die oft sehr weit vorne anfangen muss. Stabilisierung nennt sich das.
Gemeint ist, dass den Frauen vieles von dem fehlt, was nötig ist, um sich überhaupt mit realistischen Erwartungen dem Arbeitsmarkt zuzuwenden. Ihnen fehlt es an Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, an einer Perspektive über das Muttersein hinaus sowie an praktischem Wissen, wie man sich der Arbeitswelt stellt, die an Alleinerziehende eben besondere Anforderungen richtet.
Es ist mittlerweile müßig, sich am bremischen Bildungssystem abzuarbeiten. Aber Stabilisierung setzt gewisse Versäumnisse voraus, die nicht allein, aber auch der Schule anzulasten sind. Nicht nur unter Alleinerziehenden ist die Gruppe der Erwerbslosen ohne Qualifikation in Bremen höher als anderswo. Mütter und Väter sind allerdings nicht nur sich selbst verpflichtet, sondern auch ihrem Nachwuchs.
Selbst wenn sie sich bewusst gegen eine Qualifikation und Erwerbsarbeit entscheiden sollten: Von Hartz IV zu leben, bedeutet ein Leben voller Einschränkungen, das schon Erwachsenen einiges abverlangt. Mit Hartz IV groß zu werden, ist eine harte Schule. Alleinerziehendenfreundliche Politik kann aus finanziellen Hilfen bestehen, könnte in einer Kindergrundsicherung Ausdruck finden, wie sie einige Verbände fordern. Auch besondere Arbeitszeitmodelle und Eins-a-Betreuungsangebote, Anreize für Arbeitgeber und Steuervorteile können helfen. Netzwerke und Arbeitsgemeinschaften? Bitte, warum nicht, sofern mehr geschieht, als Papier zu beschriften.
Alles das ist nichts ohne eine tadellose Bildungspolitik. Darunter zu verstehen wäre eine Politik, der es gelingt, dass niemand die Schule verlässt, der seine Lektion in Lebenstüchtigkeit, Mündigkeit und Demokratiefähigkeit nicht gelernt hat. Darunter zu verstehen wäre eine Bildungspolitik, die alles nur Erdenkliche tut, damit Kinder von armen Alleinerziehenden reich werden, an Bildung, weil nichts besser vor Benachteiligung schützt. Vater Staat und Mutti Merkel – gegenüber diesen Kindern müssen sie ihre Elternrolle ausfüllen.