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Netzwerk Bahnhofsvorstadt Vermüllung, Drogen und mangelnde Sicherheit

Etliche Anwohner in der östlichen Bahnhofsvorstadt nehmen ihr Quartier als "gefährlichen Stadtteil" wahr. Das hat eine Umfrage von Bremer Hochschul-Studenten ergeben. Und sie haben noch mehr erfahren.
24.02.2025, 05:00 Uhr
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Vermüllung, Drogen und mangelnde Sicherheit
Von Sigrid Schuer
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"Ganz ehrlich, würden Sie hier noch spätabends auf die Straße gehen?" Das fragte Corinna Runge, Inhaberin des gleichnamigen Tanzstudios an der Weide. Für die Tänzerin und Choreografin war es die Premiere beim Netzwerktreffen Bahnhofsvorstadt, das alle drei Monate veranstaltet wird. Veranstaltungsort dieses Mal: das Fab Lab des Sportgartens im alten Postamt 5 am Bahnhof. Runges Frage passte zu dem Haupt-Tagesordnungspunkt, unter dem Studierende der Hochschule Bremen die Ergebnisse ihrer aktivierenden Befragung in der östlichen Bahnhofsvorstadt vorstellten. Diese Stadtteil-Arbeit ist im dritten Semester Bestandteil ihres Bachelor-Studiums im Fach soziale Arbeit.

Was kritisiert Corinna Runge?

Noch bevor die Ergebnisse vorgestellt wurden, kritisierte die Tanzstudio-Inhaberin die Situation rund um den Hauptbahnhof. So müssten ihre Tanz-Schülerinnen durch ein Spalier von Drogendealern gehen. Das Tanzstudio Corinna Runge ist seit 40 Jahren eine Institution an der Weide. Die benachbarte Kampfsportschule Wing Tsun, die zehn Jahre lang ihren Sitz an der Weide hatte, habe aufgrund der von Runge als bedrohlich wahrgenommenen Situation schließen müssen, wie sie schilderte. Und wenn es bereits Kampfsportlern mulmig wäre, wie solle es dann erst ihren jungen Tanzschülerinnen ergehen, fragte sie. Ganz einfach: "Sie haben Angst und bleiben teilweise weg", betonte Runge. Da sie den Eindruck gewonnen hat, dass selbst die Polizei hilf- und machtlos sei, trage sie nun ihre Beschwerden beim Netzwerktreffen vor, sagte Runge. Auch an den Innensenator habe sie bereits geschrieben.

Von anderen Gästen des Treffs aus der westlichen Bahnhofsvorstadt wurde der Ruf nach einer größeren Präsenz von Kontaktpolizisten laut. Iris Wensing nahm als Quartiersbeauftragte für die Bahnhofsvorstadt Runges Kritik zu Protokoll. Sie sprach von einem "subjektiven Empfinden" der Tanzstudio-Chefin. Sie selbst habe früher in einem Supermarkt im alten Postamt gejobbt und sich auch abends sicher gefühlt. Ähnliches gab eine Studentin der sozialen Arbeit zu Protokoll. Wie sich im Verlauf der Sitzung herausstellte, sollte Corinna Runge zur Kronzeugin des Abends werden. Denn fast alle 144 Befragten im Quartier, die im letzten Vierteljahr an der Haustür interviewt wurden, leiden unter für sie negativen Zuständen. Subjektiv oder real?

Wo wurden die Befragungen durchgeführt?

Einige Straßen im Überblick: An der Weide, Löningstraße, Grünenweg, Rembertistraße, die Hochhäuser am Rembertiring, aber auch am Richtweg und an der Contrescarpe. Aber auch bei Trägern wie beim Sportgarten, beim Verein für Innere Mission, beim Café Papagei und beim DGB-Haus wurden die Befragungen durchgeführt.

Was wird negativ wahrgenommen?

In der Befragung sei "schreckliche Kritik" geäußert worden, sagten die Studentinnen, die das Ergebnis vorstellten. Im Quartier herrsche eine hohe Unzufriedenheit, gaben die Befragten zu Protokoll. Die östliche Bahnhofsvorstadt werde als gefährlicher Stadtteil wahrgenommen. Die Grundstimmung sei generell aggressiv. So empfinden es die Befragten der nicht repräsentativen Befragung. Als brennendstes Problem empfindet die Anwohnerschaft die Dauer-Präsenz von Dealern sowie den offenen Drogen- und Alkohol-Konsum in den Straßen, aber auch in Hauseingängen und Fahrstühlen. Das führe zu Vermüllung und Verschmutzungen.

Als Gefahr für die Kinder des Quartiers wird das Herumliegen benutzter Spritzbestecke identifiziert. Fazit: Aus all dem resultiere ein Gefühl von "nicht ausreichender Sicherheit" im Wohnumfeld. Denn es komme immer wieder zu Einbrüchen und Diebstählen. Erschwerend hinzu komme die mangelnde Beleuchtung in den Seitenstraßen. Außerdem mangele es an Polizeikontrollen. Die Befragten kritisierten ferner, dass für kleine Wohnungen zu hohe Mieten verlangt werden würden und sich die Vermieter sich nicht kümmerten.

Was schlagen die Studierenden als Lösungen vor?

Die angehenden Sozialarbeiter schlagen eine höhere Polizeipräsenz sowie die Einrichtung eines zentralen Drogenkonsumraumes vor. Der ist ja bereits in der Friedrich-Rauers-Straße geplant. Wünschenswert seien mehr Hilfsangebote, denn Vertreibung aus dem Bahnhofsumfeld sei keine Lösung. Zudem wünschen sie sich mehr öffentliche Toiletten und Präventionsmaßnahmen. Auch die Seitenstraßen müssten stärker beleuchtet werden. Außerdem mahnten sie ein größeres Engagement der Bremer Politik für das benachteiligte Quartier an.

Die Studierenden plädieren aber auch für eine Begrünung des Quartiers und eine Belebung durch Cafés und mehr kulturelle Angebote. Außerdem regen sie an, dass die Anwohnerschaft selbst aktiv werden solle, um das Wohnumfeld zu verbessern. Die Anwohner sind aber anscheinend so entmutigt, dass sie glauben, dass sich dadurch nichts zum Besseren wenden würde. So äußerte sich jedenfalls die Mehrheit in der Befragung.

Gibt es auch Positives in der Bahnhofsvorstadt?

Es gibt aber auch einige positive Punkte, die die Anwohnerschaft den Studierenden zu Protokoll gaben. Genannt wurden unter anderem die zentrale Lage und die Nähe zur Innenstadt, die gute Verkehrsanbindung, auch für Pendler und generell das Multikulturelle im Stadtteil. Als positiv wird auch die Nähe zu den Wallanlagen und die Präsenz von Übersee-Museum und Cinemaxx wahrgenommen. Mit den Einkaufsmöglichkeiten zeigten sich die Befragten ebenfalls zufrieden.

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Info

Das nächste Netzwerktreffen wird am Dienstag, 27. Mai, um 17 Uhr veranstaltet. Im Mittelpunkt dann: Die Sicherheit mit Vertretern von Polizei und Innenressort.

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